trägt. In Hinsicht des Wertes kann man deshalb sagen, Muskelarbeit sei psychische Arbeit. Als Ausnahme hiervon könnten nur diejenigen Arbeiten gelten, die der Mensch als Konkurrent der Maschine oder des Tieres vollbringt; denn obwohl sich auch diese in Bezug auf die innere Bemühung und psychische Kraftaufwendung wie alle anderen verhalten, so hat doch der, zu dessen Gunsten sie vollbracht werden, keine Veranlassung, für diese innere Leistung etwas zu vergüten, da der ihm allein wichtige äussere Effekt auch durch eine rein phy- sische Potenz erreichbar ist und die kostspieligere Produktion nirgends vergolten wird, sobald eine billigere möglich ist. Aber mit einem ganz kleinen Schritt tiefer ist vielleicht auch diese Ausnahme in die Allbefasstheit des Äusserlichen durch das Seelische zurückzuführen. Was an den Leistungen einer Maschine oder eines Tieres vergolten wird, ist doch die menschliche Leistung, die in Erfindung, Herstellung und Dirigierung der Maschine, in der Aufzucht und Abrichtung des Tieres steckt; so dass man sagen kann: jene menschlichen Arbeiten werden nicht wie diese physisch-untermenschlichen vergolten, sondern, umgekehrt, diese werden gleichfalls mittelbar als psychisch-mensch- liche gewertet. Dies wäre nur eine ins Praktische hineinreichende Fortsetzung der Theorie, dass wir auch den Mechanismus der un- belebten Natur schliesslich nach den Kraft- und Anstrengungsgefühlen deuten, die unsere Bewegungen begleiten. Wenn wir unser eignes Wesen der allgemeinen Naturordnung einfügen, um es in ihrem Zusammenhange zu verstehen, so ist dies nur so möglich, dass wir zu- vor die Formen, Impulse und Gefühle unserer Geistigkeit in die all- gemeine Natur hineintragen, das "Unterlegen" und das "Auslegen" unvermeidlich in einen Akt verbindend. Wenn wir, dies Verhältnis zur Welt auf unsere praktische Frage ausdehnend, an der Leistung untermenschlicher Kräfte nur die Leistung menschlicher durch Gegen- leistung aufwiegen, so fällt damit in der hier fraglichen Hinsicht der prinzipielle Grenzstrich zwischen denjenigen menschlichen Arbeiten, deren Entgelt sich auf ihr psychisches Fundament stützt, und denen, die wegen der Gleichheit ihres Effektes mit rein äusserlich-mechanischen diese Begründung ihres Entgeltes abzulehnen schienen. Man kann also jetzt ganz allgemein behaupten, dass nach der Seite des auf- zuwiegenden Wertes hin der Unterschied zwischen geistiger und Muskel- arbeit nicht der zwischen psychischer und materieller Natur sei, dass vielmehr auch bei der letzteren schliesslich nur auf die Innenseite der Arbeit, auf die Unlust der Anstrengung, auf das Aufgebot an Willens- kraft hin das Entgelt gefordert werde. Freilich ist diese Geistigkeit, die gleichsam das Ding-an-sich hinter der Erscheinung der Arbeit ist
Simmel, Philosophie des Geldes. 29
trägt. In Hinsicht des Wertes kann man deshalb sagen, Muskelarbeit sei psychische Arbeit. Als Ausnahme hiervon könnten nur diejenigen Arbeiten gelten, die der Mensch als Konkurrent der Maschine oder des Tieres vollbringt; denn obwohl sich auch diese in Bezug auf die innere Bemühung und psychische Kraftaufwendung wie alle anderen verhalten, so hat doch der, zu dessen Gunsten sie vollbracht werden, keine Veranlassung, für diese innere Leistung etwas zu vergüten, da der ihm allein wichtige äuſsere Effekt auch durch eine rein phy- sische Potenz erreichbar ist und die kostspieligere Produktion nirgends vergolten wird, sobald eine billigere möglich ist. Aber mit einem ganz kleinen Schritt tiefer ist vielleicht auch diese Ausnahme in die Allbefaſstheit des Äuſserlichen durch das Seelische zurückzuführen. Was an den Leistungen einer Maschine oder eines Tieres vergolten wird, ist doch die menschliche Leistung, die in Erfindung, Herstellung und Dirigierung der Maschine, in der Aufzucht und Abrichtung des Tieres steckt; so daſs man sagen kann: jene menschlichen Arbeiten werden nicht wie diese physisch-untermenschlichen vergolten, sondern, umgekehrt, diese werden gleichfalls mittelbar als psychisch-mensch- liche gewertet. Dies wäre nur eine ins Praktische hineinreichende Fortsetzung der Theorie, daſs wir auch den Mechanismus der un- belebten Natur schlieſslich nach den Kraft- und Anstrengungsgefühlen deuten, die unsere Bewegungen begleiten. Wenn wir unser eignes Wesen der allgemeinen Naturordnung einfügen, um es in ihrem Zusammenhange zu verstehen, so ist dies nur so möglich, daſs wir zu- vor die Formen, Impulse und Gefühle unserer Geistigkeit in die all- gemeine Natur hineintragen, das „Unterlegen“ und das „Auslegen“ unvermeidlich in einen Akt verbindend. Wenn wir, dies Verhältnis zur Welt auf unsere praktische Frage ausdehnend, an der Leistung untermenschlicher Kräfte nur die Leistung menschlicher durch Gegen- leistung aufwiegen, so fällt damit in der hier fraglichen Hinsicht der prinzipielle Grenzstrich zwischen denjenigen menschlichen Arbeiten, deren Entgelt sich auf ihr psychisches Fundament stützt, und denen, die wegen der Gleichheit ihres Effektes mit rein äuſserlich-mechanischen diese Begründung ihres Entgeltes abzulehnen schienen. Man kann also jetzt ganz allgemein behaupten, daſs nach der Seite des auf- zuwiegenden Wertes hin der Unterschied zwischen geistiger und Muskel- arbeit nicht der zwischen psychischer und materieller Natur sei, daſs vielmehr auch bei der letzteren schlieſslich nur auf die Innenseite der Arbeit, auf die Unlust der Anstrengung, auf das Aufgebot an Willens- kraft hin das Entgelt gefordert werde. Freilich ist diese Geistigkeit, die gleichsam das Ding-an-sich hinter der Erscheinung der Arbeit ist
Simmel, Philosophie des Geldes. 29
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trägt. In Hinsicht des Wertes kann man deshalb sagen, Muskelarbeit
sei psychische Arbeit. Als Ausnahme hiervon könnten nur diejenigen
Arbeiten gelten, die der Mensch als Konkurrent der Maschine oder
des Tieres vollbringt; denn obwohl sich auch diese in Bezug auf die
innere Bemühung und psychische Kraftaufwendung wie alle anderen
verhalten, so hat doch der, zu dessen Gunsten sie vollbracht werden,
keine Veranlassung, für diese innere Leistung etwas zu vergüten, da
der ihm allein wichtige äuſsere Effekt auch durch eine rein phy-
sische Potenz erreichbar ist und die kostspieligere Produktion nirgends
vergolten wird, sobald eine billigere möglich ist. Aber mit einem
ganz kleinen Schritt tiefer ist vielleicht auch diese Ausnahme in die
Allbefaſstheit des Äuſserlichen durch das Seelische zurückzuführen.
Was an den Leistungen einer Maschine oder eines Tieres vergolten
wird, ist doch die menschliche Leistung, die in Erfindung, Herstellung
und Dirigierung der Maschine, in der Aufzucht und Abrichtung des
Tieres steckt; so daſs man sagen kann: jene menschlichen Arbeiten
werden nicht wie diese physisch-untermenschlichen vergolten, sondern,
umgekehrt, diese werden gleichfalls mittelbar als psychisch-mensch-
liche gewertet. Dies wäre nur eine ins Praktische hineinreichende
Fortsetzung der Theorie, daſs wir auch den Mechanismus der un-
belebten Natur schlieſslich nach den Kraft- und Anstrengungsgefühlen
deuten, die unsere Bewegungen begleiten. Wenn wir unser eignes
Wesen der allgemeinen Naturordnung einfügen, um es in ihrem
Zusammenhange zu verstehen, so ist dies nur so möglich, daſs wir zu-
vor die Formen, Impulse und Gefühle unserer Geistigkeit in die all-
gemeine Natur hineintragen, das „Unterlegen“ und das „Auslegen“
unvermeidlich in einen Akt verbindend. Wenn wir, dies Verhältnis
zur Welt auf unsere praktische Frage ausdehnend, an der Leistung
untermenschlicher Kräfte nur die Leistung menschlicher durch Gegen-
leistung aufwiegen, so fällt damit in der hier fraglichen Hinsicht der
prinzipielle Grenzstrich zwischen denjenigen menschlichen Arbeiten,
deren Entgelt sich auf ihr psychisches Fundament stützt, und denen,
die wegen der Gleichheit ihres Effektes mit rein äuſserlich-mechanischen
diese Begründung ihres Entgeltes abzulehnen schienen. Man kann
also jetzt ganz allgemein behaupten, daſs nach der Seite des auf-
zuwiegenden Wertes hin der Unterschied zwischen geistiger und Muskel-
arbeit nicht der zwischen psychischer und materieller Natur sei, daſs
vielmehr auch bei der letzteren schlieſslich nur auf die Innenseite der
Arbeit, auf die Unlust der Anstrengung, auf das Aufgebot an Willens-
kraft hin das Entgelt gefordert werde. Freilich ist diese Geistigkeit,
die gleichsam das Ding-an-sich hinter der Erscheinung der Arbeit ist
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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