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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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schmack ebenso wie die ihm zusagenden Gegenstände, ein Benehmen
auf der Höhe gesellschaftlicher Kultur wie ein Tier edler Rasse --
alles dies können wir als "vornehm" bezeichnen; und wenn auch ge-
wisse Beziehungen dieses Wertes zu denen der Sittlichkeit und der
Schönheit stattfinden, so bleibt er doch immer auf sich ruhen, da der
gleiche Grad seiner mit den allermannigfaltigsten ethischen und ästhe-
tischen Stufen vereint auftritt. Der soziale Sinn der Vornehmheit:
die exzeptionelle Stellung gegenüber einer Majorität, der Abschluss der
Einzelerscheinung in ihrem autonomen Bezirk, der durch das Eindringen
irgend eines heterogenen Elementes sofort zerstört wäre -- giebt
offenbar den Typus für alle Anwendungen ihres Begriffes. Eine ganz
besondere Art des Unterschiedes zwischen den Wesen bildet den
äusseren Träger des Vornehmheitswertes: der Unterschied betont hier
einerseits den positiven Ausschluss des Verwechseltwerdens, der Re-
duktion auf einen gleichen Nenner, des "Sichgemeinmachens"; andrer-
seits darf er doch nicht so hervortreten, um das Vornehme aus
seinem Sich-selbst-genügen, seiner Reserve und inneren Geschlossen-
heit herauszulocken und sein Wesen in eine Relation zu Anderen,
und sei es auch nur die Relation des Unterschiedes, zu verlegen.
Die Vornehmheit repräsentiert in soziologischer -- und von da auf
alle ihre Anwendungen übertragener -- Hinsicht eine ganz einzig-
artige Kombination von Unterschiedsgefühlen, die auf Vergleichung
beruhen, und stolzem Ablehnen jeder Vergleichung überhaupt. Als
ein völlig erschöpfendes Beispiel erscheint es mir, dass das Haus
der Lords nicht nur von jedem seiner Mitglieder als sein einziger
Richter anerkannt wird, sondern im Jahre 1330 die Zumutung aus-
drücklich ablehnt, über andere Leute als die peers zu Gericht zu
sitzen, -- so dass also sogar ein Machtverhältnis zu Personen ausser-
halb des eigenen Ranges als Degradation erscheint!

Je mehr nun das Geld die Interessen beherrscht und von sich
aus Menschen und Dinge in Bewegung setzt, je mehr die letzteren um
seinetwillen hergestellt und nur nach ihm geschätzt werden, desto
weniger kann der so beschriebene Wert der Vornehmheit seine Ver-
wirklichung an Menschen und Dingen finden. Mannigfache geschicht-
liche Erscheinungen legen diese negative Verbindung nahe. Die alten
Aristokratien Ägyptens und Indiens perhorreszierten den Seeverkehr
und hielten ihn mit der Reinheit der Kasten für unverträglich. Das
Meer ist eine Vermittlung wie das Geld, es ist das ins Geographische
gewandte Tauschmittel, gleichsam in sich völlig farblos und deshalb
wie das Geld dem Ineinanderübergehen des Verschiedenartigsten dienst-
bar. Seeverkehr und Geldverkehr stehen in enger historischer Ver-

schmack ebenso wie die ihm zusagenden Gegenstände, ein Benehmen
auf der Höhe gesellschaftlicher Kultur wie ein Tier edler Rasse —
alles dies können wir als „vornehm“ bezeichnen; und wenn auch ge-
wisse Beziehungen dieses Wertes zu denen der Sittlichkeit und der
Schönheit stattfinden, so bleibt er doch immer auf sich ruhen, da der
gleiche Grad seiner mit den allermannigfaltigsten ethischen und ästhe-
tischen Stufen vereint auftritt. Der soziale Sinn der Vornehmheit:
die exzeptionelle Stellung gegenüber einer Majorität, der Abschluſs der
Einzelerscheinung in ihrem autonomen Bezirk, der durch das Eindringen
irgend eines heterogenen Elementes sofort zerstört wäre — giebt
offenbar den Typus für alle Anwendungen ihres Begriffes. Eine ganz
besondere Art des Unterschiedes zwischen den Wesen bildet den
äuſseren Träger des Vornehmheitswertes: der Unterschied betont hier
einerseits den positiven Ausschluſs des Verwechseltwerdens, der Re-
duktion auf einen gleichen Nenner, des „Sichgemeinmachens“; andrer-
seits darf er doch nicht so hervortreten, um das Vornehme aus
seinem Sich-selbst-genügen, seiner Reserve und inneren Geschlossen-
heit herauszulocken und sein Wesen in eine Relation zu Anderen,
und sei es auch nur die Relation des Unterschiedes, zu verlegen.
Die Vornehmheit repräsentiert in soziologischer — und von da auf
alle ihre Anwendungen übertragener — Hinsicht eine ganz einzig-
artige Kombination von Unterschiedsgefühlen, die auf Vergleichung
beruhen, und stolzem Ablehnen jeder Vergleichung überhaupt. Als
ein völlig erschöpfendes Beispiel erscheint es mir, daſs das Haus
der Lords nicht nur von jedem seiner Mitglieder als sein einziger
Richter anerkannt wird, sondern im Jahre 1330 die Zumutung aus-
drücklich ablehnt, über andere Leute als die peers zu Gericht zu
sitzen, — so daſs also sogar ein Machtverhältnis zu Personen auſser-
halb des eigenen Ranges als Degradation erscheint!

Je mehr nun das Geld die Interessen beherrscht und von sich
aus Menschen und Dinge in Bewegung setzt, je mehr die letzteren um
seinetwillen hergestellt und nur nach ihm geschätzt werden, desto
weniger kann der so beschriebene Wert der Vornehmheit seine Ver-
wirklichung an Menschen und Dingen finden. Mannigfache geschicht-
liche Erscheinungen legen diese negative Verbindung nahe. Die alten
Aristokratien Ägyptens und Indiens perhorreszierten den Seeverkehr
und hielten ihn mit der Reinheit der Kasten für unverträglich. Das
Meer ist eine Vermittlung wie das Geld, es ist das ins Geographische
gewandte Tauschmittel, gleichsam in sich völlig farblos und deshalb
wie das Geld dem Ineinanderübergehen des Verschiedenartigsten dienst-
bar. Seeverkehr und Geldverkehr stehen in enger historischer Ver-

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[408/0432] schmack ebenso wie die ihm zusagenden Gegenstände, ein Benehmen auf der Höhe gesellschaftlicher Kultur wie ein Tier edler Rasse — alles dies können wir als „vornehm“ bezeichnen; und wenn auch ge- wisse Beziehungen dieses Wertes zu denen der Sittlichkeit und der Schönheit stattfinden, so bleibt er doch immer auf sich ruhen, da der gleiche Grad seiner mit den allermannigfaltigsten ethischen und ästhe- tischen Stufen vereint auftritt. Der soziale Sinn der Vornehmheit: die exzeptionelle Stellung gegenüber einer Majorität, der Abschluſs der Einzelerscheinung in ihrem autonomen Bezirk, der durch das Eindringen irgend eines heterogenen Elementes sofort zerstört wäre — giebt offenbar den Typus für alle Anwendungen ihres Begriffes. Eine ganz besondere Art des Unterschiedes zwischen den Wesen bildet den äuſseren Träger des Vornehmheitswertes: der Unterschied betont hier einerseits den positiven Ausschluſs des Verwechseltwerdens, der Re- duktion auf einen gleichen Nenner, des „Sichgemeinmachens“; andrer- seits darf er doch nicht so hervortreten, um das Vornehme aus seinem Sich-selbst-genügen, seiner Reserve und inneren Geschlossen- heit herauszulocken und sein Wesen in eine Relation zu Anderen, und sei es auch nur die Relation des Unterschiedes, zu verlegen. Die Vornehmheit repräsentiert in soziologischer — und von da auf alle ihre Anwendungen übertragener — Hinsicht eine ganz einzig- artige Kombination von Unterschiedsgefühlen, die auf Vergleichung beruhen, und stolzem Ablehnen jeder Vergleichung überhaupt. Als ein völlig erschöpfendes Beispiel erscheint es mir, daſs das Haus der Lords nicht nur von jedem seiner Mitglieder als sein einziger Richter anerkannt wird, sondern im Jahre 1330 die Zumutung aus- drücklich ablehnt, über andere Leute als die peers zu Gericht zu sitzen, — so daſs also sogar ein Machtverhältnis zu Personen auſser- halb des eigenen Ranges als Degradation erscheint! Je mehr nun das Geld die Interessen beherrscht und von sich aus Menschen und Dinge in Bewegung setzt, je mehr die letzteren um seinetwillen hergestellt und nur nach ihm geschätzt werden, desto weniger kann der so beschriebene Wert der Vornehmheit seine Ver- wirklichung an Menschen und Dingen finden. Mannigfache geschicht- liche Erscheinungen legen diese negative Verbindung nahe. Die alten Aristokratien Ägyptens und Indiens perhorreszierten den Seeverkehr und hielten ihn mit der Reinheit der Kasten für unverträglich. Das Meer ist eine Vermittlung wie das Geld, es ist das ins Geographische gewandte Tauschmittel, gleichsam in sich völlig farblos und deshalb wie das Geld dem Ineinanderübergehen des Verschiedenartigsten dienst- bar. Seeverkehr und Geldverkehr stehen in enger historischer Ver-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/432>, abgerufen am 25.11.2024.