als aus Gewinnsucht geschehen kann und so der schlimmere Verbrecher bloss, weil er kein Geldinteresse hatte, eine relativ grosse Milde der Bestrafung erfährt --, so ist es auch im allgemeinen kein Zweifel, dass unzählige betrügerische Vorspiegelungen das Glück, die Ehre und alle Güter von Menschen überhaupt vernichten können, ohne Strafe zu finden, es sei denn, dass der Betrüger dabei einen "Vermögensvorteil" gesucht hat. Indem das Vermögensinteresse so von vornherein in den Begriff des Betruges hineingelegt ist, wird zwar für die Kriminal- praxis jene Einfachheit und Klarheit gewonnen, die der Reduktion auf Geld allenthalben eigen ist -- aber um den Preis, das Rechtsgefühl sehr unbefriedigt zu lassen. Aus dem ganzen Umkreis der Beschädi- gungen, die jemand durch Betrug erleiden kann, wird grade nur die in Geld ausdrückbare zu strafrechtlicher Verfolgung herausgehoben und dadurch als diejenige bezeichnet, die allein eine Sühne vom Stand- punkt der gesellschaftlichen Ordnung aus fordere. Da die Absicht des Gesetzes doch sein muss, alle betrügerische Vernichtung personaler Werte zu bestrafen, so kann es nur von der Voraussetzung ausgehen, dass alle auf diese Art zerstörbaren Werte ein Geldäquivalent besitzen. Es kommt hier also die Idee des Wergeldes, wenngleich in rudimentärer Form, wieder zur Geltung. Wenn dieser Idee gemäss eine Vernichtung personalen Wertes durch Hingabe von Geld an den Beschädigten aus- geglichen werden konnte, so war die Voraussetzung, dass dieser Wert eben auf Geld reduzierbar ist. Das moderne Strafrecht lehnt freilich die Konsequenz ab, dass die betrügerische Schädigung durch Geld- hingabe des Thäters an den Beschädigten hinreichend gesühnt sei; aber an dem Objekte der That lässt sie die Vorstellung haften, dass jeder durch Betrug entreissbare Wert sich in einer Geldsumme müsse darstellen lassen.
Hat das Bedürfnis nach möglichster Unzweideutigkeit der Rechts- norm zu dieser ganz ungeheuerlichen Beschränkung der gegen Betrug zu schützenden personalen Werte auf die in Geld auszudrückenden ge- führt, und die anderen zu quantites negligeables herabgedrückt -- so führt eben dasselbe zu entsprechenden Bestimmungen des Zivilrechts. Wortbruch und Chikane, durch die jemand in die ärgsten Unannehm- lichkeiten und Verluste verwickelt wird, berechtigen ihn nach deutschem Recht zu keinerlei Anspruch an den Schädiger, wenn er nicht im stande ist, den Geldwert der erlittenen Schädigung nachzuweisen. Ich nenne nur einige von Juristen selbst hervorgehobene Fälle: der Mieter, dem sein Hauswirt den Garten trotz seines kontraktlichen Mit- benutzungsrechtes verschliesst, der Reisende, dem der Hotelier das schriftlich zugesagte Unterkommen verweigert, der Schulvorsteher, bei
als aus Gewinnsucht geschehen kann und so der schlimmere Verbrecher bloſs, weil er kein Geldinteresse hatte, eine relativ groſse Milde der Bestrafung erfährt —, so ist es auch im allgemeinen kein Zweifel, daſs unzählige betrügerische Vorspiegelungen das Glück, die Ehre und alle Güter von Menschen überhaupt vernichten können, ohne Strafe zu finden, es sei denn, daſs der Betrüger dabei einen „Vermögensvorteil“ gesucht hat. Indem das Vermögensinteresse so von vornherein in den Begriff des Betruges hineingelegt ist, wird zwar für die Kriminal- praxis jene Einfachheit und Klarheit gewonnen, die der Reduktion auf Geld allenthalben eigen ist — aber um den Preis, das Rechtsgefühl sehr unbefriedigt zu lassen. Aus dem ganzen Umkreis der Beschädi- gungen, die jemand durch Betrug erleiden kann, wird grade nur die in Geld ausdrückbare zu strafrechtlicher Verfolgung herausgehoben und dadurch als diejenige bezeichnet, die allein eine Sühne vom Stand- punkt der gesellschaftlichen Ordnung aus fordere. Da die Absicht des Gesetzes doch sein muſs, alle betrügerische Vernichtung personaler Werte zu bestrafen, so kann es nur von der Voraussetzung ausgehen, daſs alle auf diese Art zerstörbaren Werte ein Geldäquivalent besitzen. Es kommt hier also die Idee des Wergeldes, wenngleich in rudimentärer Form, wieder zur Geltung. Wenn dieser Idee gemäſs eine Vernichtung personalen Wertes durch Hingabe von Geld an den Beschädigten aus- geglichen werden konnte, so war die Voraussetzung, daſs dieser Wert eben auf Geld reduzierbar ist. Das moderne Strafrecht lehnt freilich die Konsequenz ab, daſs die betrügerische Schädigung durch Geld- hingabe des Thäters an den Beschädigten hinreichend gesühnt sei; aber an dem Objekte der That läſst sie die Vorstellung haften, daſs jeder durch Betrug entreiſsbare Wert sich in einer Geldsumme müsse darstellen lassen.
Hat das Bedürfnis nach möglichster Unzweideutigkeit der Rechts- norm zu dieser ganz ungeheuerlichen Beschränkung der gegen Betrug zu schützenden personalen Werte auf die in Geld auszudrückenden ge- führt, und die anderen zu quantités négligeables herabgedrückt — so führt eben dasselbe zu entsprechenden Bestimmungen des Zivilrechts. Wortbruch und Chikane, durch die jemand in die ärgsten Unannehm- lichkeiten und Verluste verwickelt wird, berechtigen ihn nach deutschem Recht zu keinerlei Anspruch an den Schädiger, wenn er nicht im stande ist, den Geldwert der erlittenen Schädigung nachzuweisen. Ich nenne nur einige von Juristen selbst hervorgehobene Fälle: der Mieter, dem sein Hauswirt den Garten trotz seines kontraktlichen Mit- benutzungsrechtes verschlieſst, der Reisende, dem der Hotelier das schriftlich zugesagte Unterkommen verweigert, der Schulvorsteher, bei
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als aus Gewinnsucht geschehen kann und so der schlimmere Verbrecher
bloſs, weil er kein Geldinteresse hatte, eine relativ groſse Milde der
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daſs unzählige betrügerische Vorspiegelungen das Glück, die Ehre und
alle Güter von Menschen überhaupt vernichten können, ohne Strafe zu
finden, es sei denn, daſs der Betrüger dabei einen „Vermögensvorteil“
gesucht hat. Indem das Vermögensinteresse so von vornherein in den
Begriff des Betruges hineingelegt ist, wird zwar für die Kriminal-
praxis jene Einfachheit und Klarheit gewonnen, die der Reduktion auf
Geld allenthalben eigen ist — aber um den Preis, das Rechtsgefühl
sehr unbefriedigt zu lassen. Aus dem ganzen Umkreis der Beschädi-
gungen, die jemand durch Betrug erleiden kann, wird grade nur die
in Geld ausdrückbare zu strafrechtlicher Verfolgung herausgehoben und
dadurch als diejenige bezeichnet, die allein eine Sühne vom Stand-
punkt der gesellschaftlichen Ordnung aus fordere. Da die Absicht des
Gesetzes doch sein muſs, alle betrügerische Vernichtung personaler
Werte zu bestrafen, so kann es nur von der Voraussetzung ausgehen,
daſs alle auf diese Art zerstörbaren Werte ein Geldäquivalent besitzen.
Es kommt hier also die Idee des Wergeldes, wenngleich in rudimentärer
Form, wieder zur Geltung. Wenn dieser Idee gemäſs eine Vernichtung
personalen Wertes durch Hingabe von Geld an den Beschädigten aus-
geglichen werden konnte, so war die Voraussetzung, daſs dieser Wert
eben auf Geld reduzierbar ist. Das moderne Strafrecht lehnt freilich
die Konsequenz ab, daſs die betrügerische Schädigung durch Geld-
hingabe des Thäters an den Beschädigten hinreichend gesühnt sei;
aber an dem Objekte der That läſst sie die Vorstellung haften, daſs
jeder durch Betrug entreiſsbare Wert sich in einer Geldsumme müsse
darstellen lassen.
Hat das Bedürfnis nach möglichster Unzweideutigkeit der Rechts-
norm zu dieser ganz ungeheuerlichen Beschränkung der gegen Betrug
zu schützenden personalen Werte auf die in Geld auszudrückenden ge-
führt, und die anderen zu quantités négligeables herabgedrückt — so
führt eben dasselbe zu entsprechenden Bestimmungen des Zivilrechts.
Wortbruch und Chikane, durch die jemand in die ärgsten Unannehm-
lichkeiten und Verluste verwickelt wird, berechtigen ihn nach deutschem
Recht zu keinerlei Anspruch an den Schädiger, wenn er nicht im
stande ist, den Geldwert der erlittenen Schädigung nachzuweisen.
Ich nenne nur einige von Juristen selbst hervorgehobene Fälle: der
Mieter, dem sein Hauswirt den Garten trotz seines kontraktlichen Mit-
benutzungsrechtes verschlieſst, der Reisende, dem der Hotelier das
schriftlich zugesagte Unterkommen verweigert, der Schulvorsteher, bei
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/405>, abgerufen am 25.11.2024.
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