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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Ehrenpreises, der auf die Mitwirkung der gesamten Gruppe rechnet,
der Geldpreis treten, der die abschliessende, über sich nicht hinaus-
weisende Anerkennung der Leistung darstellt. Die Vergrösserung des
sozialen Kreises fordert so den Übergang zum geldmässigen Ausdruck
des Verdienstes, weil sie unweigerlich die Atomisierung eben dieses
Kreises bedeutet; die Unmöglichkeit, die gleiche Stimmung in der-
selben Weise, wie es bei einem kleinen Kreise möglich ist, durch
einen grossen fortzupflanzen, macht die Belohnung durch ein Mittel
notwendig, bei dem der zu Belohnende nicht mehr auf eine Überein-
stimmung und Bereitwilligkeit der ganzen Gruppe angewiesen ist.

Man kann in diesem Zusammenhang betonen, dass die Beziehung
des Geldes zur Ausdehnung der sozialen Gruppe eine ebenso enge ist,
wie nach unseren früheren Ausmachungen zur Objektivierung der Lebens-
in halte. Dieser Parallelismus ist kein zufälliger. Was wir die objek-
tive Bedeutung der Dinge nennen, das ist in praktischer Hinsicht
ihre Gültigkeit für einen grössten Kreis von Subjekten; indem sie aus
ihrer ersten Bindung an das Einzelsubjekt oder einen kleinen Kreis, aus
der Zufälligkeit subjektiver Deutung herauswachsen, wird die Vor-
stellung oder Gestaltung ihrer eine für immer weitere Kreise gültige
und bedeutsame (auch wenn die Hindernisse der Lage es zu dieser
Anerkennung durch die Gesamtheit in Wirklichkeit nicht kommen
lassen), und eben damit erreichen sie, was wir ihre objektive Wahr-
heit oder ihre sachlich angemessene Gestaltung nennen -- so sehr
die ideelle Gültigkeit, auf die die letzteren Begriffe hindeuten, in
ihrem Fürsichsein alle Beziehung auf Anerkannt- oder Nicht-An-
erkanntwerden ablehnen mag. Die Bedeutung des Geldes nach
beiden Seiten hin bestätigt die Enge dieser Korrelation, die sich auf
vielerlei speziellen Gebieten geltend macht. Das Handelsrecht des
deutschen Mittelalters war ursprünglich nur das Genossenschaftsrecht
der einzelnen Kaufmannskollegien gewesen. Es bildete sich zu einem
gemeinen Rechte unter der universalistischen Vorstellung, dass der ge-
samte Kaufmannsstand des Reiches, ja, der Welt eigentlich eine grosse
Gilde bilde. Und damit entwickelte sich das gemeine Recht des Han-
delsstandes zu einem gemeinen Recht der Handelsgeschäfte. Hier
tritt sehr klar hervor, wie das Recht, indem es von einem engeren zu
einem absolut weiten Kreise vorschreitet, sich überhaupt von der Be-
ziehung auf blosse Personen löst und zu einem Rechte der objektiven
Transaktionen wird. Und eben dieselbe Entwicklung war es, die von
einer immer gründlicheren Durchführung des Geldverkehres ebenso ge-
tragen wurde, wie sie andrerseits diese trug.

Schon die technische Schwierigkeit, die Werte der Naturalwirtschaft

Ehrenpreises, der auf die Mitwirkung der gesamten Gruppe rechnet,
der Geldpreis treten, der die abschlieſsende, über sich nicht hinaus-
weisende Anerkennung der Leistung darstellt. Die Vergröſserung des
sozialen Kreises fordert so den Übergang zum geldmäſsigen Ausdruck
des Verdienstes, weil sie unweigerlich die Atomisierung eben dieses
Kreises bedeutet; die Unmöglichkeit, die gleiche Stimmung in der-
selben Weise, wie es bei einem kleinen Kreise möglich ist, durch
einen groſsen fortzupflanzen, macht die Belohnung durch ein Mittel
notwendig, bei dem der zu Belohnende nicht mehr auf eine Überein-
stimmung und Bereitwilligkeit der ganzen Gruppe angewiesen ist.

Man kann in diesem Zusammenhang betonen, daſs die Beziehung
des Geldes zur Ausdehnung der sozialen Gruppe eine ebenso enge ist,
wie nach unseren früheren Ausmachungen zur Objektivierung der Lebens-
in halte. Dieser Parallelismus ist kein zufälliger. Was wir die objek-
tive Bedeutung der Dinge nennen, das ist in praktischer Hinsicht
ihre Gültigkeit für einen gröſsten Kreis von Subjekten; indem sie aus
ihrer ersten Bindung an das Einzelsubjekt oder einen kleinen Kreis, aus
der Zufälligkeit subjektiver Deutung herauswachsen, wird die Vor-
stellung oder Gestaltung ihrer eine für immer weitere Kreise gültige
und bedeutsame (auch wenn die Hindernisse der Lage es zu dieser
Anerkennung durch die Gesamtheit in Wirklichkeit nicht kommen
lassen), und eben damit erreichen sie, was wir ihre objektive Wahr-
heit oder ihre sachlich angemessene Gestaltung nennen — so sehr
die ideelle Gültigkeit, auf die die letzteren Begriffe hindeuten, in
ihrem Fürsichsein alle Beziehung auf Anerkannt- oder Nicht-An-
erkanntwerden ablehnen mag. Die Bedeutung des Geldes nach
beiden Seiten hin bestätigt die Enge dieser Korrelation, die sich auf
vielerlei speziellen Gebieten geltend macht. Das Handelsrecht des
deutschen Mittelalters war ursprünglich nur das Genossenschaftsrecht
der einzelnen Kaufmannskollegien gewesen. Es bildete sich zu einem
gemeinen Rechte unter der universalistischen Vorstellung, daſs der ge-
samte Kaufmannsstand des Reiches, ja, der Welt eigentlich eine groſse
Gilde bilde. Und damit entwickelte sich das gemeine Recht des Han-
delsstandes zu einem gemeinen Recht der Handelsgeschäfte. Hier
tritt sehr klar hervor, wie das Recht, indem es von einem engeren zu
einem absolut weiten Kreise vorschreitet, sich überhaupt von der Be-
ziehung auf bloſse Personen löst und zu einem Rechte der objektiven
Transaktionen wird. Und eben dieselbe Entwicklung war es, die von
einer immer gründlicheren Durchführung des Geldverkehres ebenso ge-
tragen wurde, wie sie andrerseits diese trug.

Schon die technische Schwierigkeit, die Werte der Naturalwirtschaft

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[357/0381] Ehrenpreises, der auf die Mitwirkung der gesamten Gruppe rechnet, der Geldpreis treten, der die abschlieſsende, über sich nicht hinaus- weisende Anerkennung der Leistung darstellt. Die Vergröſserung des sozialen Kreises fordert so den Übergang zum geldmäſsigen Ausdruck des Verdienstes, weil sie unweigerlich die Atomisierung eben dieses Kreises bedeutet; die Unmöglichkeit, die gleiche Stimmung in der- selben Weise, wie es bei einem kleinen Kreise möglich ist, durch einen groſsen fortzupflanzen, macht die Belohnung durch ein Mittel notwendig, bei dem der zu Belohnende nicht mehr auf eine Überein- stimmung und Bereitwilligkeit der ganzen Gruppe angewiesen ist. Man kann in diesem Zusammenhang betonen, daſs die Beziehung des Geldes zur Ausdehnung der sozialen Gruppe eine ebenso enge ist, wie nach unseren früheren Ausmachungen zur Objektivierung der Lebens- in halte. Dieser Parallelismus ist kein zufälliger. Was wir die objek- tive Bedeutung der Dinge nennen, das ist in praktischer Hinsicht ihre Gültigkeit für einen gröſsten Kreis von Subjekten; indem sie aus ihrer ersten Bindung an das Einzelsubjekt oder einen kleinen Kreis, aus der Zufälligkeit subjektiver Deutung herauswachsen, wird die Vor- stellung oder Gestaltung ihrer eine für immer weitere Kreise gültige und bedeutsame (auch wenn die Hindernisse der Lage es zu dieser Anerkennung durch die Gesamtheit in Wirklichkeit nicht kommen lassen), und eben damit erreichen sie, was wir ihre objektive Wahr- heit oder ihre sachlich angemessene Gestaltung nennen — so sehr die ideelle Gültigkeit, auf die die letzteren Begriffe hindeuten, in ihrem Fürsichsein alle Beziehung auf Anerkannt- oder Nicht-An- erkanntwerden ablehnen mag. Die Bedeutung des Geldes nach beiden Seiten hin bestätigt die Enge dieser Korrelation, die sich auf vielerlei speziellen Gebieten geltend macht. Das Handelsrecht des deutschen Mittelalters war ursprünglich nur das Genossenschaftsrecht der einzelnen Kaufmannskollegien gewesen. Es bildete sich zu einem gemeinen Rechte unter der universalistischen Vorstellung, daſs der ge- samte Kaufmannsstand des Reiches, ja, der Welt eigentlich eine groſse Gilde bilde. Und damit entwickelte sich das gemeine Recht des Han- delsstandes zu einem gemeinen Recht der Handelsgeschäfte. Hier tritt sehr klar hervor, wie das Recht, indem es von einem engeren zu einem absolut weiten Kreise vorschreitet, sich überhaupt von der Be- ziehung auf bloſse Personen löst und zu einem Rechte der objektiven Transaktionen wird. Und eben dieselbe Entwicklung war es, die von einer immer gründlicheren Durchführung des Geldverkehres ebenso ge- tragen wurde, wie sie andrerseits diese trug. Schon die technische Schwierigkeit, die Werte der Naturalwirtschaft

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/381>, abgerufen am 22.11.2024.