Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äusserst
Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch
in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit
dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur
diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als
Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare
subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, dass sie uns ein
Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend
auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer
Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst geniessende Fürsichsein des
Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines,
in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen
Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung
gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub-
jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete
Sinn seiner. Beides hängt daran, dass wir uns erstens überhaupt selbst
objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und dass dies
zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen-
den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder
mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte
oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.

Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist
von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äusserung ist das Selbst-
bewusstsein. Dass wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei-
heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können,
wie einen anderen -- das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng-
licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein.
Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen
gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint
als umschliessend, formend, massgebend der anderen gegenüber, obgleich
beide aus einer Quelle fliessen, und die eine ihre grössere Sachlichkeit
oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewusstseins
besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir
meiner selbst bewusst -- empfindet man ein primäres, aktives, gleich-
sam hauptsächliches Ich als den Prozess vollziehend, dessen Inhalt das
Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewusstsein erst aufgenommene
Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich
gleichfalls bewusst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem,
was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens
der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie
in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer

in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äuſserst
Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch
in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit
dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur
diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als
Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare
subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, daſs sie uns ein
Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend
auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer
Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genieſsende Fürsichsein des
Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines,
in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen
Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung
gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub-
jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete
Sinn seiner. Beides hängt daran, daſs wir uns erstens überhaupt selbst
objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und daſs dies
zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen-
den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder
mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte
oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.

Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist
von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äuſserung ist das Selbst-
bewuſstsein. Daſs wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei-
heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können,
wie einen anderen — das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng-
licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein.
Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen
gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint
als umschlieſsend, formend, maſsgebend der anderen gegenüber, obgleich
beide aus einer Quelle flieſsen, und die eine ihre gröſsere Sachlichkeit
oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewuſstseins
besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir
meiner selbst bewuſst — empfindet man ein primäres, aktives, gleich-
sam hauptsächliches Ich als den Prozeſs vollziehend, dessen Inhalt das
Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewuſstsein erst aufgenommene
Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich
gleichfalls bewuſst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem,
was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens
der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie
in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="14"/>
in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äu&#x017F;serst<lb/>
Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein <hi rendition="#g">so</hi> lebt es doch<lb/>
in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit<lb/>
dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur<lb/>
diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als<lb/>
Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare<lb/>
subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, da&#x017F;s sie uns ein<lb/>
Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend<lb/>
auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer<lb/>
Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genie&#x017F;sende Fürsichsein des<lb/>
Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines,<lb/>
in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen<lb/>
Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung<lb/>
gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub-<lb/>
jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete<lb/>
Sinn seiner. Beides hängt daran, da&#x017F;s wir uns erstens überhaupt selbst<lb/>
objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und da&#x017F;s dies<lb/>
zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen-<lb/>
den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder<lb/>
mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte<lb/>
oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.</p><lb/>
            <p>Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist<lb/>
von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äu&#x017F;serung ist das Selbst-<lb/>
bewu&#x017F;stsein. Da&#x017F;s wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei-<lb/>
heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können,<lb/>
wie einen anderen &#x2014; das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng-<lb/>
licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein.<lb/>
Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen<lb/>
gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint<lb/>
als umschlie&#x017F;send, formend, ma&#x017F;sgebend der anderen gegenüber, obgleich<lb/>
beide aus einer Quelle flie&#x017F;sen, und die eine ihre grö&#x017F;sere Sachlichkeit<lb/>
oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewu&#x017F;stseins<lb/>
besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir<lb/>
meiner selbst bewu&#x017F;st &#x2014; empfindet man ein primäres, aktives, gleich-<lb/>
sam hauptsächliches Ich als den Proze&#x017F;s vollziehend, dessen Inhalt das<lb/>
Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewu&#x017F;stsein erst aufgenommene<lb/>
Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich<lb/>
gleichfalls bewu&#x017F;st werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem,<lb/>
was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens<lb/>
der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie<lb/>
in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0038] in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äuſserst Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, daſs sie uns ein Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genieſsende Fürsichsein des Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines, in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub- jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete Sinn seiner. Beides hängt daran, daſs wir uns erstens überhaupt selbst objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und daſs dies zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen- den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes. Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äuſserung ist das Selbst- bewuſstsein. Daſs wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei- heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können, wie einen anderen — das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng- licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein. Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint als umschlieſsend, formend, maſsgebend der anderen gegenüber, obgleich beide aus einer Quelle flieſsen, und die eine ihre gröſsere Sachlichkeit oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewuſstseins besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir meiner selbst bewuſst — empfindet man ein primäres, aktives, gleich- sam hauptsächliches Ich als den Prozeſs vollziehend, dessen Inhalt das Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewuſstsein erst aufgenommene Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich gleichfalls bewuſst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem, was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/38
Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/38>, abgerufen am 24.11.2024.