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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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und das sich auch einem noch so unumschränkten Besitz ihrer versagt,
völlig verschwunden. Es fehlt ihm ganz jene eigene Struktur, durch
die die anderen, bestimmt qualifizierten Dinge, so sehr wir sie auch
im juristischen Sinne besitzen mögen, sich unserem Willen verweigern,
es fügt sich mit unterschiedsloser Leichtigkeit jeder Form und jedem
Zweck, den dieser in ihm ausprägen will; nur aus den Dingen, die
hinter ihm stehen, mögen uns Hemmnisse quellen; es selbst giebt jeder
Direktive, auf welches Objekt, auf welches Mass der Verteilung, auf
welches Tempo des Hingebens oder Reservierens immer, gleichmässig
nach. So gewährt es denn dem Ich die entschiedenste und restloseste
Art, sich in ein Objekt hinein auszuleben -- freilich innerhalb der
Grenzen, die es dem durch seine Qualitätlosigkeit steckt, die so aber
eben bloss negative sind und nicht wie bei allen anderen Objekten aus
seiner positiven Natur hervorgehen. Alles, was es ist und hat, giebt
es vorbehaltlos dem menschlichen Willen hin, es wird völlig von diesem
aufgesogen, und wenn es ihm nicht mehr leistet, als der Fall ist, so
liegt jenseits dieser Grenze nicht wie bei allen anderen Objekten ein
vorbehaltener und unnachgiebiger Teil seiner Existenz, sondern schlecht-
hin nichts.

Den reinsten und gesteigertsten Ausdruck findet diese wie so viele
andere Wesensfolgen des Geldes an der Börse, in der die Geldwirt-
schaft ebenso zu einem selbständigen Gebilde kristallisiert ist, wie die
politische Organisation im Staate. Die Kursschwankungen nämlich
zeigen vielfach subjektiv-psychologische Motivierungen, wie sie in dieser
Krassheit und dieser Unabhängigkeit von aller objektiven Begründung
ganz unvergleichlich sind. Zwar wäre es oberflächlich dafür anzuführen,
dass den Kursbewegungen nur selten reale Veränderungen in der Güte
des einzelnen, das Papier fundierenden Objektes genau entsprechen.
Denn diese Güte, in ihrer Bedeutung für den Markt, besteht doch
nicht bloss in den inneren Qualitäten des Staates oder der Brauerei,
des Bergwerkes oder der Bank, sondern in dem Verhältnis derselben
zu den gesamten sonstigen Inhalten des Marktes und ihrer Lage. Es
entbehrt deshalb nicht der sachlichen Begründung, wenn z. B. grosse
Insolvenzen in Argentinien den Kurs der chinesischen Rente drücken,
obgleich die Sicherheit derselben so wenig durch jenes Ereignis, wie
durch eines auf dem Monde alteriert wird. Denn die Wertbedeutung
jener hängt, bei aller äusseren Ungeändertheit, doch von der Gesamt-
lage des Marktes ab, deren Erschütterung von irgend einem Punkte
her z. B. die Weiterverwertung jener Erträgnisse ungünstiger gestalten
kann. Jenseits dieser, wenn auch die Synthese des Einzelobjekts mit
andern voraussetzenden, so doch objektiven Verursachung der Kurs-

und das sich auch einem noch so unumschränkten Besitz ihrer versagt,
völlig verschwunden. Es fehlt ihm ganz jene eigene Struktur, durch
die die anderen, bestimmt qualifizierten Dinge, so sehr wir sie auch
im juristischen Sinne besitzen mögen, sich unserem Willen verweigern,
es fügt sich mit unterschiedsloser Leichtigkeit jeder Form und jedem
Zweck, den dieser in ihm ausprägen will; nur aus den Dingen, die
hinter ihm stehen, mögen uns Hemmnisse quellen; es selbst giebt jeder
Direktive, auf welches Objekt, auf welches Maſs der Verteilung, auf
welches Tempo des Hingebens oder Reservierens immer, gleichmäſsig
nach. So gewährt es denn dem Ich die entschiedenste und restloseste
Art, sich in ein Objekt hinein auszuleben — freilich innerhalb der
Grenzen, die es dem durch seine Qualitätlosigkeit steckt, die so aber
eben bloſs negative sind und nicht wie bei allen anderen Objekten aus
seiner positiven Natur hervorgehen. Alles, was es ist und hat, giebt
es vorbehaltlos dem menschlichen Willen hin, es wird völlig von diesem
aufgesogen, und wenn es ihm nicht mehr leistet, als der Fall ist, so
liegt jenseits dieser Grenze nicht wie bei allen anderen Objekten ein
vorbehaltener und unnachgiebiger Teil seiner Existenz, sondern schlecht-
hin nichts.

Den reinsten und gesteigertsten Ausdruck findet diese wie so viele
andere Wesensfolgen des Geldes an der Börse, in der die Geldwirt-
schaft ebenso zu einem selbständigen Gebilde kristallisiert ist, wie die
politische Organisation im Staate. Die Kursschwankungen nämlich
zeigen vielfach subjektiv-psychologische Motivierungen, wie sie in dieser
Kraſsheit und dieser Unabhängigkeit von aller objektiven Begründung
ganz unvergleichlich sind. Zwar wäre es oberflächlich dafür anzuführen,
daſs den Kursbewegungen nur selten reale Veränderungen in der Güte
des einzelnen, das Papier fundierenden Objektes genau entsprechen.
Denn diese Güte, in ihrer Bedeutung für den Markt, besteht doch
nicht bloſs in den inneren Qualitäten des Staates oder der Brauerei,
des Bergwerkes oder der Bank, sondern in dem Verhältnis derselben
zu den gesamten sonstigen Inhalten des Marktes und ihrer Lage. Es
entbehrt deshalb nicht der sachlichen Begründung, wenn z. B. groſse
Insolvenzen in Argentinien den Kurs der chinesischen Rente drücken,
obgleich die Sicherheit derselben so wenig durch jenes Ereignis, wie
durch eines auf dem Monde alteriert wird. Denn die Wertbedeutung
jener hängt, bei aller äuſseren Ungeändertheit, doch von der Gesamt-
lage des Marktes ab, deren Erschütterung von irgend einem Punkte
her z. B. die Weiterverwertung jener Erträgnisse ungünstiger gestalten
kann. Jenseits dieser, wenn auch die Synthese des Einzelobjekts mit
andern voraussetzenden, so doch objektiven Verursachung der Kurs-

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[328/0352] und das sich auch einem noch so unumschränkten Besitz ihrer versagt, völlig verschwunden. Es fehlt ihm ganz jene eigene Struktur, durch die die anderen, bestimmt qualifizierten Dinge, so sehr wir sie auch im juristischen Sinne besitzen mögen, sich unserem Willen verweigern, es fügt sich mit unterschiedsloser Leichtigkeit jeder Form und jedem Zweck, den dieser in ihm ausprägen will; nur aus den Dingen, die hinter ihm stehen, mögen uns Hemmnisse quellen; es selbst giebt jeder Direktive, auf welches Objekt, auf welches Maſs der Verteilung, auf welches Tempo des Hingebens oder Reservierens immer, gleichmäſsig nach. So gewährt es denn dem Ich die entschiedenste und restloseste Art, sich in ein Objekt hinein auszuleben — freilich innerhalb der Grenzen, die es dem durch seine Qualitätlosigkeit steckt, die so aber eben bloſs negative sind und nicht wie bei allen anderen Objekten aus seiner positiven Natur hervorgehen. Alles, was es ist und hat, giebt es vorbehaltlos dem menschlichen Willen hin, es wird völlig von diesem aufgesogen, und wenn es ihm nicht mehr leistet, als der Fall ist, so liegt jenseits dieser Grenze nicht wie bei allen anderen Objekten ein vorbehaltener und unnachgiebiger Teil seiner Existenz, sondern schlecht- hin nichts. Den reinsten und gesteigertsten Ausdruck findet diese wie so viele andere Wesensfolgen des Geldes an der Börse, in der die Geldwirt- schaft ebenso zu einem selbständigen Gebilde kristallisiert ist, wie die politische Organisation im Staate. Die Kursschwankungen nämlich zeigen vielfach subjektiv-psychologische Motivierungen, wie sie in dieser Kraſsheit und dieser Unabhängigkeit von aller objektiven Begründung ganz unvergleichlich sind. Zwar wäre es oberflächlich dafür anzuführen, daſs den Kursbewegungen nur selten reale Veränderungen in der Güte des einzelnen, das Papier fundierenden Objektes genau entsprechen. Denn diese Güte, in ihrer Bedeutung für den Markt, besteht doch nicht bloſs in den inneren Qualitäten des Staates oder der Brauerei, des Bergwerkes oder der Bank, sondern in dem Verhältnis derselben zu den gesamten sonstigen Inhalten des Marktes und ihrer Lage. Es entbehrt deshalb nicht der sachlichen Begründung, wenn z. B. groſse Insolvenzen in Argentinien den Kurs der chinesischen Rente drücken, obgleich die Sicherheit derselben so wenig durch jenes Ereignis, wie durch eines auf dem Monde alteriert wird. Denn die Wertbedeutung jener hängt, bei aller äuſseren Ungeändertheit, doch von der Gesamt- lage des Marktes ab, deren Erschütterung von irgend einem Punkte her z. B. die Weiterverwertung jener Erträgnisse ungünstiger gestalten kann. Jenseits dieser, wenn auch die Synthese des Einzelobjekts mit andern voraussetzenden, so doch objektiven Verursachung der Kurs-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/352>, abgerufen am 22.11.2024.