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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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die ein ideeller oder gesellschaftlicher Imperativ oder die das eigne Ich
uns auferlegt. Der Anspruch des Anderen kann das persönliche Thun und
Leisten des Verpflichteten zum Inhalt haben; oder er kann wenigstens
das unmittelbare Ergebnis der persönlichen Arbeit betreffen; oder es
kann sich endlich bloss um ein bestimmtes Objekt handeln, auf dessen
Genuss der Berechtigte Anspruch hat, während er auf den Weg, auf
dem der Verpflichtete dasselbe beschafft, keinen Einfluss mehr besitzt.
Diese Skala ist zugleich die der Freiheitsgrade, die mit der Leistung
zusammen bestehen. Gewiss werden im ganzen alle Verpflichtungen
durch das persönliche Thun des Subjektes solviert; allein es ist ein
grosser Unterschied, ob das Recht des Berechtigten sich unmittelbar
auf die leistende Persönlichkeit erstreckt, oder nur auf das Produkt
ihrer Arbeit; oder endlich auf das Produkt an und für sich, gleichviel
durch welche Arbeit und ob überhaupt durch eigene, der Verpflichtete
dazu gekommen ist. Selbst bei objektiv gleich grossen Vorteilen des
Berechtigten wird der erste dieser Fälle die Freiheit des Verpflichteten
völlig binden, der zweite ihr schon etwas grösseren, der dritte sehr
erheblichen Spielraum gewähren. Das extremste Beispiel des ersten
Falles ist die Sklaverei; hier betrifft die Verpflichtung überhaupt nicht
eine irgendwie objektiv bestimmte Leistung, sondern den Leistenden
selbst; sie umschliesst die Bethätigung aller überhaupt vorhandenen
Spannkräfte des Subjektes. Wenn in modernen Verhältnissen der-
artige Pflichten, welche die Leistungskraft überhaupt, aber nicht das
objektiv bestimmte Resultat derselben betreffen -- wie bei gewissen
Arbeiterkategorien, Beamten, Dienstboten -- dennoch der Freiheit
keine allzu grosse Gewalt anthun, so folgt dies entweder aus der zeit-
lichen Beschränkung der Leistungsperioden oder aus der Möglichkeit
der Wahl zwischen den Personen, denen man sich verpflichten will,
oder aus der Grösse der Gegenleistung, die den Verpflichteten sich
doch zugleich als einen Berechtigten fühlen lässt. Auf jener Stufe be-
finden sich ferner die Hörigen, solange sie schlechthin und mit ihrer
gesamten Arbeitskraft dem Herrnhofe angehören, beziehungsweise so-
lange ihre Dienste "ungemessen" sind. Der Übergang zur zweiten
vollzieht sich, indem die Dienste zeitlich beschränkt werden (womit
nicht gesagt sein soll, dass diese Stufe historisch immer die spätere
war; im Gegenteil, die Verschlechterung der bäuerlichen Freiheit führt
sehr oft von dem zweiten zum ersten Verhältnis). Vollständig wird
diese zweite Stufe erreicht, wenn anstatt der bestimmten Arbeitszeit
und Kraft ein bestimmtes Arbeitsprodukt verlangt wird: wenn also der
herrschaftliche Unterthan einen festgesetzten Teil der Bodenerträge oder
eine Anzahl von Hühnern, Kälbern, Schweinen schuldig ist. Innerhalb

die ein ideeller oder gesellschaftlicher Imperativ oder die das eigne Ich
uns auferlegt. Der Anspruch des Anderen kann das persönliche Thun und
Leisten des Verpflichteten zum Inhalt haben; oder er kann wenigstens
das unmittelbare Ergebnis der persönlichen Arbeit betreffen; oder es
kann sich endlich bloſs um ein bestimmtes Objekt handeln, auf dessen
Genuſs der Berechtigte Anspruch hat, während er auf den Weg, auf
dem der Verpflichtete dasselbe beschafft, keinen Einfluſs mehr besitzt.
Diese Skala ist zugleich die der Freiheitsgrade, die mit der Leistung
zusammen bestehen. Gewiſs werden im ganzen alle Verpflichtungen
durch das persönliche Thun des Subjektes solviert; allein es ist ein
groſser Unterschied, ob das Recht des Berechtigten sich unmittelbar
auf die leistende Persönlichkeit erstreckt, oder nur auf das Produkt
ihrer Arbeit; oder endlich auf das Produkt an und für sich, gleichviel
durch welche Arbeit und ob überhaupt durch eigene, der Verpflichtete
dazu gekommen ist. Selbst bei objektiv gleich groſsen Vorteilen des
Berechtigten wird der erste dieser Fälle die Freiheit des Verpflichteten
völlig binden, der zweite ihr schon etwas gröſseren, der dritte sehr
erheblichen Spielraum gewähren. Das extremste Beispiel des ersten
Falles ist die Sklaverei; hier betrifft die Verpflichtung überhaupt nicht
eine irgendwie objektiv bestimmte Leistung, sondern den Leistenden
selbst; sie umschlieſst die Bethätigung aller überhaupt vorhandenen
Spannkräfte des Subjektes. Wenn in modernen Verhältnissen der-
artige Pflichten, welche die Leistungskraft überhaupt, aber nicht das
objektiv bestimmte Resultat derselben betreffen — wie bei gewissen
Arbeiterkategorien, Beamten, Dienstboten — dennoch der Freiheit
keine allzu groſse Gewalt anthun, so folgt dies entweder aus der zeit-
lichen Beschränkung der Leistungsperioden oder aus der Möglichkeit
der Wahl zwischen den Personen, denen man sich verpflichten will,
oder aus der Gröſse der Gegenleistung, die den Verpflichteten sich
doch zugleich als einen Berechtigten fühlen läſst. Auf jener Stufe be-
finden sich ferner die Hörigen, solange sie schlechthin und mit ihrer
gesamten Arbeitskraft dem Herrnhofe angehören, beziehungsweise so-
lange ihre Dienste „ungemessen“ sind. Der Übergang zur zweiten
vollzieht sich, indem die Dienste zeitlich beschränkt werden (womit
nicht gesagt sein soll, daſs diese Stufe historisch immer die spätere
war; im Gegenteil, die Verschlechterung der bäuerlichen Freiheit führt
sehr oft von dem zweiten zum ersten Verhältnis). Vollständig wird
diese zweite Stufe erreicht, wenn anstatt der bestimmten Arbeitszeit
und Kraft ein bestimmtes Arbeitsprodukt verlangt wird: wenn also der
herrschaftliche Unterthan einen festgesetzten Teil der Bodenerträge oder
eine Anzahl von Hühnern, Kälbern, Schweinen schuldig ist. Innerhalb

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[280/0304] die ein ideeller oder gesellschaftlicher Imperativ oder die das eigne Ich uns auferlegt. Der Anspruch des Anderen kann das persönliche Thun und Leisten des Verpflichteten zum Inhalt haben; oder er kann wenigstens das unmittelbare Ergebnis der persönlichen Arbeit betreffen; oder es kann sich endlich bloſs um ein bestimmtes Objekt handeln, auf dessen Genuſs der Berechtigte Anspruch hat, während er auf den Weg, auf dem der Verpflichtete dasselbe beschafft, keinen Einfluſs mehr besitzt. Diese Skala ist zugleich die der Freiheitsgrade, die mit der Leistung zusammen bestehen. Gewiſs werden im ganzen alle Verpflichtungen durch das persönliche Thun des Subjektes solviert; allein es ist ein groſser Unterschied, ob das Recht des Berechtigten sich unmittelbar auf die leistende Persönlichkeit erstreckt, oder nur auf das Produkt ihrer Arbeit; oder endlich auf das Produkt an und für sich, gleichviel durch welche Arbeit und ob überhaupt durch eigene, der Verpflichtete dazu gekommen ist. Selbst bei objektiv gleich groſsen Vorteilen des Berechtigten wird der erste dieser Fälle die Freiheit des Verpflichteten völlig binden, der zweite ihr schon etwas gröſseren, der dritte sehr erheblichen Spielraum gewähren. Das extremste Beispiel des ersten Falles ist die Sklaverei; hier betrifft die Verpflichtung überhaupt nicht eine irgendwie objektiv bestimmte Leistung, sondern den Leistenden selbst; sie umschlieſst die Bethätigung aller überhaupt vorhandenen Spannkräfte des Subjektes. Wenn in modernen Verhältnissen der- artige Pflichten, welche die Leistungskraft überhaupt, aber nicht das objektiv bestimmte Resultat derselben betreffen — wie bei gewissen Arbeiterkategorien, Beamten, Dienstboten — dennoch der Freiheit keine allzu groſse Gewalt anthun, so folgt dies entweder aus der zeit- lichen Beschränkung der Leistungsperioden oder aus der Möglichkeit der Wahl zwischen den Personen, denen man sich verpflichten will, oder aus der Gröſse der Gegenleistung, die den Verpflichteten sich doch zugleich als einen Berechtigten fühlen läſst. Auf jener Stufe be- finden sich ferner die Hörigen, solange sie schlechthin und mit ihrer gesamten Arbeitskraft dem Herrnhofe angehören, beziehungsweise so- lange ihre Dienste „ungemessen“ sind. Der Übergang zur zweiten vollzieht sich, indem die Dienste zeitlich beschränkt werden (womit nicht gesagt sein soll, daſs diese Stufe historisch immer die spätere war; im Gegenteil, die Verschlechterung der bäuerlichen Freiheit führt sehr oft von dem zweiten zum ersten Verhältnis). Vollständig wird diese zweite Stufe erreicht, wenn anstatt der bestimmten Arbeitszeit und Kraft ein bestimmtes Arbeitsprodukt verlangt wird: wenn also der herrschaftliche Unterthan einen festgesetzten Teil der Bodenerträge oder eine Anzahl von Hühnern, Kälbern, Schweinen schuldig ist. Innerhalb

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/304>, abgerufen am 24.11.2024.