wird, sehr wesentlich mitbestimmt wird. Es bleibt immer der unver- söhnliche Antagonismus der Betonung: ob man die Dinge nach dem Wert ihrer Form oder nach dem Wieviel ihres Wertes fragt, sobald dieser Wert ein bloss quantitativer, alle Qualität durch eine blosse Summe gleichartiger Einheiten ersetzender ist.
Man kann sogar direkt sagen, dass, jemehr der Wert eines Dinges in seiner Form beruht, sein Wieviel um so gleichgültiger wird. Wenn die grössten Kunstwerke, die wir besitzen, etwa der delphische Wagenlenker und der Praxitelische Hermes, der Frühling von Botti- celli und die Mona Lisa, die Aurora Michelangelos und die Himmlische und Irdische Liebe -- in tausend völlig ununterscheidbaren Exemplaren existierten, so wäre das zwar für das Glück der Menschheit ein grosser Unterschied, aber der ideale, objektiv ästhetische, oder wenn man will: kunstgeschichtliche Wert wäre dadurch absolut nicht über denjenigen Grad hinaus gesteigert, den das eine, jetzt vorhandene Exemplar dar- stellt. Anders ist es schon mit kunstgewerblichen Gegenständen, bei denen die ästhetische Form eine völlige Einheit mit dem praktischen Gebrauchszweck bildet, so dass oft sogar die vollendetste Herausarbei- tung dieses letzteren als der eigentliche ästhetische Reiz wirkt. Hier ist es für den ganzen so geschaffenen Wert wesentlich, dass der Gegen- stand auch gebraucht werde, und deshalb wächst seine ideale Be- deutung mit seiner Verbreitung: in dem Masse, in dem das Objekt ausser seiner Form noch anderen Wertelementen Reiz giebt, wird auch das Wievielmal seiner Verwirklichung wichtig. Das ist auch der tiefste Zusammenhang zwischen der ethischen Werttheorie Nietzsches und der ästhetischen Stimmung seines Wesens: der Rang einer Gesellschaft bestimmt sich ihm nach der überhaupt in ihr erreichten Höhe der Werte, wie einsam sie auch sei, nicht aber nach dem Verbreitungsmass von schätzbaren Qualitäten -- wie der Rang einer Kunstepoche nicht von der Höhe und dem Quantum guter Durchschnittsleistungen, sondern nur von der Höhe der höchsten Leistungen abhängt. So neigt der Utilitarier, dem es allein auf die ganz greifbaren Ergebnisse des Han- delns ankommt, zum Sozialismus, mit seiner Betonung der Vielen und der Verbreitung erwünschter Lebensmomente, während der idealistische Ethiker, dem die -- mehr oder weniger ästhetisch ausdrückbare -- Form des Thuns am Herzen liegt, eher Individualist ist oder wenigstens, wie Kant, die Autonomie des Einzelnen vor allem betont. So ist es doch auch auf dem Gebiet des subjektiven Glückes. Von den äussersten Aufgipfelungen des Lebensgefühles, die gleichsam für das Ich seine vollste Ausprägung in dem Stoff des Daseins bedeuten, empfinden wir oft, dass sie sich gar nicht zu wiederholen brauchen. Dies einmal
wird, sehr wesentlich mitbestimmt wird. Es bleibt immer der unver- söhnliche Antagonismus der Betonung: ob man die Dinge nach dem Wert ihrer Form oder nach dem Wieviel ihres Wertes fragt, sobald dieser Wert ein bloſs quantitativer, alle Qualität durch eine bloſse Summe gleichartiger Einheiten ersetzender ist.
Man kann sogar direkt sagen, daſs, jemehr der Wert eines Dinges in seiner Form beruht, sein Wieviel um so gleichgültiger wird. Wenn die gröſsten Kunstwerke, die wir besitzen, etwa der delphische Wagenlenker und der Praxitelische Hermes, der Frühling von Botti- celli und die Mona Lisa, die Aurora Michelangelos und die Himmlische und Irdische Liebe — in tausend völlig ununterscheidbaren Exemplaren existierten, so wäre das zwar für das Glück der Menschheit ein groſser Unterschied, aber der ideale, objektiv ästhetische, oder wenn man will: kunstgeschichtliche Wert wäre dadurch absolut nicht über denjenigen Grad hinaus gesteigert, den das eine, jetzt vorhandene Exemplar dar- stellt. Anders ist es schon mit kunstgewerblichen Gegenständen, bei denen die ästhetische Form eine völlige Einheit mit dem praktischen Gebrauchszweck bildet, so daſs oft sogar die vollendetste Herausarbei- tung dieses letzteren als der eigentliche ästhetische Reiz wirkt. Hier ist es für den ganzen so geschaffenen Wert wesentlich, daſs der Gegen- stand auch gebraucht werde, und deshalb wächst seine ideale Be- deutung mit seiner Verbreitung: in dem Maſse, in dem das Objekt auſser seiner Form noch anderen Wertelementen Reiz giebt, wird auch das Wievielmal seiner Verwirklichung wichtig. Das ist auch der tiefste Zusammenhang zwischen der ethischen Werttheorie Nietzsches und der ästhetischen Stimmung seines Wesens: der Rang einer Gesellschaft bestimmt sich ihm nach der überhaupt in ihr erreichten Höhe der Werte, wie einsam sie auch sei, nicht aber nach dem Verbreitungsmaſs von schätzbaren Qualitäten — wie der Rang einer Kunstepoche nicht von der Höhe und dem Quantum guter Durchschnittsleistungen, sondern nur von der Höhe der höchsten Leistungen abhängt. So neigt der Utilitarier, dem es allein auf die ganz greifbaren Ergebnisse des Han- delns ankommt, zum Sozialismus, mit seiner Betonung der Vielen und der Verbreitung erwünschter Lebensmomente, während der idealistische Ethiker, dem die — mehr oder weniger ästhetisch ausdrückbare — Form des Thuns am Herzen liegt, eher Individualist ist oder wenigstens, wie Kant, die Autonomie des Einzelnen vor allem betont. So ist es doch auch auf dem Gebiet des subjektiven Glückes. Von den äuſsersten Aufgipfelungen des Lebensgefühles, die gleichsam für das Ich seine vollste Ausprägung in dem Stoff des Daseins bedeuten, empfinden wir oft, daſs sie sich gar nicht zu wiederholen brauchen. Dies einmal
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wird, sehr wesentlich mitbestimmt wird. Es bleibt immer der unver-
söhnliche Antagonismus der Betonung: ob man die Dinge nach dem
Wert ihrer Form oder nach dem Wieviel ihres Wertes fragt, sobald
dieser Wert ein bloſs quantitativer, alle Qualität durch eine bloſse
Summe gleichartiger Einheiten ersetzender ist.
Man kann sogar direkt sagen, daſs, jemehr der Wert eines
Dinges in seiner Form beruht, sein Wieviel um so gleichgültiger wird.
Wenn die gröſsten Kunstwerke, die wir besitzen, etwa der delphische
Wagenlenker und der Praxitelische Hermes, der Frühling von Botti-
celli und die Mona Lisa, die Aurora Michelangelos und die Himmlische
und Irdische Liebe — in tausend völlig ununterscheidbaren Exemplaren
existierten, so wäre das zwar für das Glück der Menschheit ein groſser
Unterschied, aber der ideale, objektiv ästhetische, oder wenn man will:
kunstgeschichtliche Wert wäre dadurch absolut nicht über denjenigen
Grad hinaus gesteigert, den das eine, jetzt vorhandene Exemplar dar-
stellt. Anders ist es schon mit kunstgewerblichen Gegenständen, bei
denen die ästhetische Form eine völlige Einheit mit dem praktischen
Gebrauchszweck bildet, so daſs oft sogar die vollendetste Herausarbei-
tung dieses letzteren als der eigentliche ästhetische Reiz wirkt. Hier
ist es für den ganzen so geschaffenen Wert wesentlich, daſs der Gegen-
stand auch gebraucht werde, und deshalb wächst seine ideale Be-
deutung mit seiner Verbreitung: in dem Maſse, in dem das Objekt
auſser seiner Form noch anderen Wertelementen Reiz giebt, wird auch
das Wievielmal seiner Verwirklichung wichtig. Das ist auch der tiefste
Zusammenhang zwischen der ethischen Werttheorie Nietzsches und der
ästhetischen Stimmung seines Wesens: der Rang einer Gesellschaft
bestimmt sich ihm nach der überhaupt in ihr erreichten Höhe der
Werte, wie einsam sie auch sei, nicht aber nach dem Verbreitungsmaſs
von schätzbaren Qualitäten — wie der Rang einer Kunstepoche nicht
von der Höhe und dem Quantum guter Durchschnittsleistungen, sondern
nur von der Höhe der höchsten Leistungen abhängt. So neigt der
Utilitarier, dem es allein auf die ganz greifbaren Ergebnisse des Han-
delns ankommt, zum Sozialismus, mit seiner Betonung der Vielen und
der Verbreitung erwünschter Lebensmomente, während der idealistische
Ethiker, dem die — mehr oder weniger ästhetisch ausdrückbare —
Form des Thuns am Herzen liegt, eher Individualist ist oder wenigstens,
wie Kant, die Autonomie des Einzelnen vor allem betont. So ist es
doch auch auf dem Gebiet des subjektiven Glückes. Von den äuſsersten
Aufgipfelungen des Lebensgefühles, die gleichsam für das Ich seine
vollste Ausprägung in dem Stoff des Daseins bedeuten, empfinden wir
oft, daſs sie sich gar nicht zu wiederholen brauchen. Dies einmal
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/293>, abgerufen am 27.11.2024.
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