Werteinheiten. Diese sachliche Bestimmung findet hier nun ihr per- sonales Korrelat: die Beziehung auf die Einheit einer Person ver- wirklicht die Quantität des Geldes als Qualität, seiner Extensität als Intensität, die aus dem bloss summierenden Nebeneinander seiner Be- standteile nicht erzielbar wäre.
Vielleicht lässt sich das auch so ausdrücken. Das Geld, als das rein arithmetische Zusammen von Werteinheiten, kann als absolut formlos bezeichnet werden. Formlosigkeit und reiner Quantitätscharakter sind eines und dasselbe; insofern Dinge auf ihre Quantität angesehen werden, wird von ihrer Form abgesehen. Deshalb ist das Geld als solches der fürchterlichste Formzerstörer: denn welche Formungen der Dinge a, b und c auch der Grund sein mögen, dass sie alle den Preis m kosten, so wirkt die Unterschiedenheit derselben, also die spezifische Form eines jeden, in den so fixierten Wert ihrer nicht mehr hinein, sie ist in dem m, das nun a, b und c gleichmässig vertritt, untergegangen und macht innerhalb der wirtschaftlichen Schätzung gar keine Bestimmtheit dieser mehr aus. Sobald das Interesse auf den Geldwert der Dinge reduziert ist, wird ihre Form, so sehr sie diesen Wert veranlasst haben mag, so gleichgültig, wie sie es für ihr Gewicht ist. In dieser Richtung liegt auch der Materialismus der modernen Zeit, der selbst in seiner theoretischen Bedeutung irgend eine Wurzel- gemeinschaft mit ihrer Geldwirtschaft haben muss: die Materie als solche ist das schlechthin Formlose, das Widerspiel aller Form, und wenn sie als das alleinige Prinzip der Wirklichkeit gilt, so ist an dieser ungefähr der gleiche Prozess vollzogen, wie ihn die Reduktion auf den Geldwert an den Gegenständen unseres praktischen Interesses zuwege bringt. Hier liegt der tiefste Grund für die Feindseligkeit zwischen der ästhetischen Tendenz und den Geldinteressen. Jene geht so sehr auf die blosse Form, dass man bekanntlich den eigentlich ästhetischen Wert z. B. aller bildenden Künste in die Zeichnung ge- setzt hat, die als reine Form sich in jedem beliebigen stofflichen Quantum unverändert ausdrücken könne. Das ist nun zwar als Irr- tum zugegeben, ja, noch viel weitergehend, als es bisher anerkannt ist, wird man sagen müssen, dass die absolute Grösse, in der eine Kunst- form sich darstellt, ihre ästhetische Bedeutung aufs erheblichste be- einflusse, und dass diese letztere durch jede kleinste Änderung der quantitativen Masse, bei absoluter Formgleichheit, sogleich modifiziert werde. Aber darum bleibt doch der ästhetische Wert der Dinge nicht weniger auf ihrer Form, d. h. auf dem Verhältnis ihrer Elemente zu einander, haften, wenngleich wir jetzt wissen, dass der Charakter und die Wirkung dieser Form durch das Quantum, an dem sie wirklich
Werteinheiten. Diese sachliche Bestimmung findet hier nun ihr per- sonales Korrelat: die Beziehung auf die Einheit einer Person ver- wirklicht die Quantität des Geldes als Qualität, seiner Extensität als Intensität, die aus dem bloſs summierenden Nebeneinander seiner Be- standteile nicht erzielbar wäre.
Vielleicht läſst sich das auch so ausdrücken. Das Geld, als das rein arithmetische Zusammen von Werteinheiten, kann als absolut formlos bezeichnet werden. Formlosigkeit und reiner Quantitätscharakter sind eines und dasselbe; insofern Dinge auf ihre Quantität angesehen werden, wird von ihrer Form abgesehen. Deshalb ist das Geld als solches der fürchterlichste Formzerstörer: denn welche Formungen der Dinge a, b und c auch der Grund sein mögen, daſs sie alle den Preis m kosten, so wirkt die Unterschiedenheit derselben, also die spezifische Form eines jeden, in den so fixierten Wert ihrer nicht mehr hinein, sie ist in dem m, das nun a, b und c gleichmäſsig vertritt, untergegangen und macht innerhalb der wirtschaftlichen Schätzung gar keine Bestimmtheit dieser mehr aus. Sobald das Interesse auf den Geldwert der Dinge reduziert ist, wird ihre Form, so sehr sie diesen Wert veranlaſst haben mag, so gleichgültig, wie sie es für ihr Gewicht ist. In dieser Richtung liegt auch der Materialismus der modernen Zeit, der selbst in seiner theoretischen Bedeutung irgend eine Wurzel- gemeinschaft mit ihrer Geldwirtschaft haben muſs: die Materie als solche ist das schlechthin Formlose, das Widerspiel aller Form, und wenn sie als das alleinige Prinzip der Wirklichkeit gilt, so ist an dieser ungefähr der gleiche Prozeſs vollzogen, wie ihn die Reduktion auf den Geldwert an den Gegenständen unseres praktischen Interesses zuwege bringt. Hier liegt der tiefste Grund für die Feindseligkeit zwischen der ästhetischen Tendenz und den Geldinteressen. Jene geht so sehr auf die bloſse Form, daſs man bekanntlich den eigentlich ästhetischen Wert z. B. aller bildenden Künste in die Zeichnung ge- setzt hat, die als reine Form sich in jedem beliebigen stofflichen Quantum unverändert ausdrücken könne. Das ist nun zwar als Irr- tum zugegeben, ja, noch viel weitergehend, als es bisher anerkannt ist, wird man sagen müssen, daſs die absolute Gröſse, in der eine Kunst- form sich darstellt, ihre ästhetische Bedeutung aufs erheblichste be- einflusse, und daſs diese letztere durch jede kleinste Änderung der quantitativen Maſse, bei absoluter Formgleichheit, sogleich modifiziert werde. Aber darum bleibt doch der ästhetische Wert der Dinge nicht weniger auf ihrer Form, d. h. auf dem Verhältnis ihrer Elemente zu einander, haften, wenngleich wir jetzt wissen, daſs der Charakter und die Wirkung dieser Form durch das Quantum, an dem sie wirklich
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Werteinheiten. Diese sachliche Bestimmung findet hier nun ihr per-
sonales Korrelat: die Beziehung auf die Einheit einer Person ver-
wirklicht die Quantität des Geldes als Qualität, seiner Extensität als
Intensität, die aus dem bloſs summierenden Nebeneinander seiner Be-
standteile nicht erzielbar wäre.
Vielleicht läſst sich das auch so ausdrücken. Das Geld, als das
rein arithmetische Zusammen von Werteinheiten, kann als absolut
formlos bezeichnet werden. Formlosigkeit und reiner Quantitätscharakter
sind eines und dasselbe; insofern Dinge auf ihre Quantität angesehen
werden, wird von ihrer Form abgesehen. Deshalb ist das Geld als
solches der fürchterlichste Formzerstörer: denn welche Formungen
der Dinge a, b und c auch der Grund sein mögen, daſs sie alle den
Preis m kosten, so wirkt die Unterschiedenheit derselben, also die
spezifische Form eines jeden, in den so fixierten Wert ihrer nicht mehr
hinein, sie ist in dem m, das nun a, b und c gleichmäſsig vertritt,
untergegangen und macht innerhalb der wirtschaftlichen Schätzung gar
keine Bestimmtheit dieser mehr aus. Sobald das Interesse auf den
Geldwert der Dinge reduziert ist, wird ihre Form, so sehr sie diesen
Wert veranlaſst haben mag, so gleichgültig, wie sie es für ihr Gewicht
ist. In dieser Richtung liegt auch der Materialismus der modernen
Zeit, der selbst in seiner theoretischen Bedeutung irgend eine Wurzel-
gemeinschaft mit ihrer Geldwirtschaft haben muſs: die Materie als
solche ist das schlechthin Formlose, das Widerspiel aller Form, und
wenn sie als das alleinige Prinzip der Wirklichkeit gilt, so ist an
dieser ungefähr der gleiche Prozeſs vollzogen, wie ihn die Reduktion
auf den Geldwert an den Gegenständen unseres praktischen Interesses
zuwege bringt. Hier liegt der tiefste Grund für die Feindseligkeit
zwischen der ästhetischen Tendenz und den Geldinteressen. Jene geht
so sehr auf die bloſse Form, daſs man bekanntlich den eigentlich
ästhetischen Wert z. B. aller bildenden Künste in die Zeichnung ge-
setzt hat, die als reine Form sich in jedem beliebigen stofflichen
Quantum unverändert ausdrücken könne. Das ist nun zwar als Irr-
tum zugegeben, ja, noch viel weitergehend, als es bisher anerkannt ist,
wird man sagen müssen, daſs die absolute Gröſse, in der eine Kunst-
form sich darstellt, ihre ästhetische Bedeutung aufs erheblichste be-
einflusse, und daſs diese letztere durch jede kleinste Änderung der
quantitativen Maſse, bei absoluter Formgleichheit, sogleich modifiziert
werde. Aber darum bleibt doch der ästhetische Wert der Dinge nicht
weniger auf ihrer Form, d. h. auf dem Verhältnis ihrer Elemente zu
einander, haften, wenngleich wir jetzt wissen, daſs der Charakter und
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/292>, abgerufen am 23.11.2024.
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