die Outsiders, fast ausnahmslos a la hausse gehen. Ich glaube, dass die logisch zwar unleugbare, für die Praxis aber ganz irrelevante That- sache: dass der Gewinn bei der Baissespekulation überhaupt eine Grenze hat, bei der Hausse aber nicht -- den psychologischen Anreiz für diese Seite bewirkt. Während die grossen Getreidespekulanten, für die die wirkliche Lieferung des Objekts in Frage kommt, die Chancen nach beiden Seiten hin berechnen, ist der reinen Geldspekulation, wie das Differenzgeschäft sie darstellt, die Richtung adäquat, die formell ins Grenzenlose geht. Eben diese Richtung, die die innere Bewegungs- form des Geldinteresses ausmacht, liegt als das Schema der folgenden Thatsache noch näher. Die deutsche Landwirtschaft hat in der Periode von 1830--80 dauernd steigende Erträge geliefert. Dadurch entstand die Vorstellung, dies sei ein ins unendliche gehender Prozess; so dass die Güter nicht mehr nach dem Preise gekauft wurden, der dem momen- tanen Ertrage, sondern der dem künftig zu erwartenden, nach der bisher beobachteten Proportion gesteigerten entsprach -- der Grund der jetzigen Notlage der Landwirtschaft. Es ist die Geldform des Ertrages, die die Wertvorstellung so auf die schiefe Ebene lockt; wo er nur als "Ge- brauchswert", nur seinem unmittelbaren konkreten Quantum nach in Frage kommt, findet die Idee seiner Steigerung eher eine besonnene Grenze, während die Möglichkeit und Antizipation des Geldwertes ins unendliche geht. Hierauf gründet sich das Wesen von Geiz und Ver- schwendung, weil sie beide prinzipiell die Wertbemessung ablehnen, die allein der Zweckreihe Halt und Grenze gewähren kann, nämlich die an dem abschliessenden Genusse der Objekte. Indem der eigent- liche Verschwender -- der nicht mit dem Epikureer und dem bloss Leichtsinnigen zu verwechseln ist, so sehr in der individuellen Er- scheinung all diese Elemente sich mischen mögen -- gegen das Ob- jekt, wenn es einmal in seinem Besitz ist, gleichgültig wird, ist sein Geniessen mit dem Fluche behaftet, nie Rast und Dauer zu finden; der Augenblick seines Eintritts enthält zugleich seine Aufhebung in sich, sein Leben hat dieselbe dämonische Formel wie das des Geizigen: dass jeder erreichte Moment den Durst nach seiner Steigerung weckt, der aber nie gelöscht werden kann; denn die ganze Bewegung sucht die Befriedigung, wie sie aus einem Endzweck fliesst, innerhalb einer Kategorie, die sich ja von vornherein den Zweck versagt und sich auf das Mittel und den vordefinitiven Moment beschränkt hat. Der Geizige ist der abstraktere von beiden; sein Zweckbewusstsein macht in noch grösserer Distanz vor dem Endzweck Halt; der Verschwender geht immerhin noch näher an die Dinge heran, er verlässt die auf das rationelle Ziel gerichtete Bewegung an einer späteren Station, um sich
die Outsiders, fast ausnahmslos à la hausse gehen. Ich glaube, daſs die logisch zwar unleugbare, für die Praxis aber ganz irrelevante That- sache: daſs der Gewinn bei der Baissespekulation überhaupt eine Grenze hat, bei der Hausse aber nicht — den psychologischen Anreiz für diese Seite bewirkt. Während die groſsen Getreidespekulanten, für die die wirkliche Lieferung des Objekts in Frage kommt, die Chancen nach beiden Seiten hin berechnen, ist der reinen Geldspekulation, wie das Differenzgeschäft sie darstellt, die Richtung adäquat, die formell ins Grenzenlose geht. Eben diese Richtung, die die innere Bewegungs- form des Geldinteresses ausmacht, liegt als das Schema der folgenden Thatsache noch näher. Die deutsche Landwirtschaft hat in der Periode von 1830—80 dauernd steigende Erträge geliefert. Dadurch entstand die Vorstellung, dies sei ein ins unendliche gehender Prozeſs; so daſs die Güter nicht mehr nach dem Preise gekauft wurden, der dem momen- tanen Ertrage, sondern der dem künftig zu erwartenden, nach der bisher beobachteten Proportion gesteigerten entsprach — der Grund der jetzigen Notlage der Landwirtschaft. Es ist die Geldform des Ertrages, die die Wertvorstellung so auf die schiefe Ebene lockt; wo er nur als „Ge- brauchswert“, nur seinem unmittelbaren konkreten Quantum nach in Frage kommt, findet die Idee seiner Steigerung eher eine besonnene Grenze, während die Möglichkeit und Antizipation des Geldwertes ins unendliche geht. Hierauf gründet sich das Wesen von Geiz und Ver- schwendung, weil sie beide prinzipiell die Wertbemessung ablehnen, die allein der Zweckreihe Halt und Grenze gewähren kann, nämlich die an dem abschlieſsenden Genusse der Objekte. Indem der eigent- liche Verschwender — der nicht mit dem Epikureer und dem bloſs Leichtsinnigen zu verwechseln ist, so sehr in der individuellen Er- scheinung all diese Elemente sich mischen mögen — gegen das Ob- jekt, wenn es einmal in seinem Besitz ist, gleichgültig wird, ist sein Genieſsen mit dem Fluche behaftet, nie Rast und Dauer zu finden; der Augenblick seines Eintritts enthält zugleich seine Aufhebung in sich, sein Leben hat dieselbe dämonische Formel wie das des Geizigen: daſs jeder erreichte Moment den Durst nach seiner Steigerung weckt, der aber nie gelöscht werden kann; denn die ganze Bewegung sucht die Befriedigung, wie sie aus einem Endzweck flieſst, innerhalb einer Kategorie, die sich ja von vornherein den Zweck versagt und sich auf das Mittel und den vordefinitiven Moment beschränkt hat. Der Geizige ist der abstraktere von beiden; sein Zweckbewuſstsein macht in noch gröſserer Distanz vor dem Endzweck Halt; der Verschwender geht immerhin noch näher an die Dinge heran, er verläſst die auf das rationelle Ziel gerichtete Bewegung an einer späteren Station, um sich
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die Outsiders, fast ausnahmslos à la hausse gehen. Ich glaube, daſs
die logisch zwar unleugbare, für die Praxis aber ganz irrelevante That-
sache: daſs der Gewinn bei der Baissespekulation überhaupt eine Grenze
hat, bei der Hausse aber nicht — den psychologischen Anreiz für diese
Seite bewirkt. Während die groſsen Getreidespekulanten, für die die
wirkliche Lieferung des Objekts in Frage kommt, die Chancen nach
beiden Seiten hin berechnen, ist der reinen Geldspekulation, wie das
Differenzgeschäft sie darstellt, die Richtung adäquat, die formell ins
Grenzenlose geht. Eben diese Richtung, die die innere Bewegungs-
form des Geldinteresses ausmacht, liegt als das Schema der folgenden
Thatsache noch näher. Die deutsche Landwirtschaft hat in der Periode
von 1830—80 dauernd steigende Erträge geliefert. Dadurch entstand
die Vorstellung, dies sei ein ins unendliche gehender Prozeſs; so daſs
die Güter nicht mehr nach dem Preise gekauft wurden, der dem momen-
tanen Ertrage, sondern der dem künftig zu erwartenden, nach der bisher
beobachteten Proportion gesteigerten entsprach — der Grund der jetzigen
Notlage der Landwirtschaft. Es ist die Geldform des Ertrages, die die
Wertvorstellung so auf die schiefe Ebene lockt; wo er nur als „Ge-
brauchswert“, nur seinem unmittelbaren konkreten Quantum nach in
Frage kommt, findet die Idee seiner Steigerung eher eine besonnene
Grenze, während die Möglichkeit und Antizipation des Geldwertes ins
unendliche geht. Hierauf gründet sich das Wesen von Geiz und Ver-
schwendung, weil sie beide prinzipiell die Wertbemessung ablehnen,
die allein der Zweckreihe Halt und Grenze gewähren kann, nämlich
die an dem abschlieſsenden Genusse der Objekte. Indem der eigent-
liche Verschwender — der nicht mit dem Epikureer und dem bloſs
Leichtsinnigen zu verwechseln ist, so sehr in der individuellen Er-
scheinung all diese Elemente sich mischen mögen — gegen das Ob-
jekt, wenn es einmal in seinem Besitz ist, gleichgültig wird, ist sein
Genieſsen mit dem Fluche behaftet, nie Rast und Dauer zu finden;
der Augenblick seines Eintritts enthält zugleich seine Aufhebung in
sich, sein Leben hat dieselbe dämonische Formel wie das des Geizigen:
daſs jeder erreichte Moment den Durst nach seiner Steigerung weckt,
der aber nie gelöscht werden kann; denn die ganze Bewegung sucht
die Befriedigung, wie sie aus einem Endzweck flieſst, innerhalb einer
Kategorie, die sich ja von vornherein den Zweck versagt und sich auf
das Mittel und den vordefinitiven Moment beschränkt hat. Der Geizige
ist der abstraktere von beiden; sein Zweckbewuſstsein macht in noch
gröſserer Distanz vor dem Endzweck Halt; der Verschwender geht
immerhin noch näher an die Dinge heran, er verläſst die auf das
rationelle Ziel gerichtete Bewegung an einer späteren Station, um sich
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/264>, abgerufen am 28.11.2024.
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