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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Menschen erfüllen, weil seine Freude und Genugthuung unser höchster
Lebenswert ist. Endlich aber kann uns dazu ein Gefühl für den ob-
jektiven Wert einer Weltordnung bewegen, in der der Wille des
höchsten Prinzips sich widerstandslos in dem Willen aller einzelnen
Elemente fortsetzt, das sachliche Verhältnis zwischen Gott und uns
kann diesen Gehorsam als seinen adäquaten Ausdruck oder seine
innerlich notwendige Folge von uns fordern, ohne dass irgend ein Er-
folg für uns selbst oder eine Freude und Zufriedenheit Gottes in diese
Motivation einträte. So macht in vielerlei Fällen das Zweckbewusstsein
an einer objektiven Wirklichkeit Halt und entlehnt deren Wert nicht
erst aus subjektiven Reflexen ihrer. Ich lasse jede psychologische oder
erkenntnistheoretische Deutung dieser, jenseits des Persönlichen stehenden
Motivierung hier dahingestellt; jedenfalls ist sie eine psychologische
Thatsache, die nun mit den Zweckreihen persönlicher Färbung die
mannigfaltigsten Kombinationen eingeht. Der Sammler, der seine Kost-
barkeiten Anderen verschliesst und sie selbst gar nicht geniesst, aber ihren
Besitz dennoch auf das eifersüchtigste hütet und wertet, färbt all seinen
Egoismus durch einen Beisatz jener übersubjektiven Wertungsweise.
Im ganzen ist es doch der Sinn des Besitzes, genossen zu werden,
und wir stellen ihm nicht nur die Objekte gegenüber, an denen man,
wie an den Sternen, Freude hat, ohne sie zu begehren, sondern auch
diejenigen, deren Wert man von aller subjektiven Freude prinzipiell
unabhängig macht, wie die Schönheit, Ordnung und Bedeutsamkeit des
Kosmos als etwas des Genossenwerdens unbedürftiges und dennoch in
seinem Werte beharrendes erscheint. In dem Fall jener Besitzsüchtigen
liegt nun eine mittlere oder Mischerscheinung vor: es bedarf hier schon
des Besitzes, aber dieser schreitet nicht zu seinem regulären subjektiven
Erfolge vor, sondern wird auch ohne diesen als etwas wertvolles, als
ein des Erstrebens würdiges Ziel empfunden. Nicht die Qualität der
Sache ist hier der eigentliche Träger des Wertes; sondern, so unent-
behrlich sie ist und so sehr sie das Mass des Wertes bestimmt -- das
eigentlich Motivierende ist die Thatsache ihres Besessenwerdens, die
Form des Verhältnisses, in dem das Subjekt zu ihr steht. Dass diese
Form -- die freilich nur an einem Inhalt wirklich werden kann --,
dass dieser Besitz des Subjekts als rein objektive Thatsache da ist,
das ist das Wertvolle, an dem die teleologische Reihe Halt macht.

In sehr eigentümlicher Weise zeigt sich die Verabsolutierung eines
ökonomischen Wertes, das Abbrechen der teleologischen Reihe, bevor
sie zum Subjekt zurückgekehrt ist, an einer gewissen Bedeutung des
Grundbesitzes, die sich mit seiner eigentlich ökonomischen Bedeutung
in mannigfaltiger Weise -- oft freilich nur wie ein Oberton mit-

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Menschen erfüllen, weil seine Freude und Genugthuung unser höchster
Lebenswert ist. Endlich aber kann uns dazu ein Gefühl für den ob-
jektiven Wert einer Weltordnung bewegen, in der der Wille des
höchsten Prinzips sich widerstandslos in dem Willen aller einzelnen
Elemente fortsetzt, das sachliche Verhältnis zwischen Gott und uns
kann diesen Gehorsam als seinen adäquaten Ausdruck oder seine
innerlich notwendige Folge von uns fordern, ohne daſs irgend ein Er-
folg für uns selbst oder eine Freude und Zufriedenheit Gottes in diese
Motivation einträte. So macht in vielerlei Fällen das Zweckbewuſstsein
an einer objektiven Wirklichkeit Halt und entlehnt deren Wert nicht
erst aus subjektiven Reflexen ihrer. Ich lasse jede psychologische oder
erkenntnistheoretische Deutung dieser, jenseits des Persönlichen stehenden
Motivierung hier dahingestellt; jedenfalls ist sie eine psychologische
Thatsache, die nun mit den Zweckreihen persönlicher Färbung die
mannigfaltigsten Kombinationen eingeht. Der Sammler, der seine Kost-
barkeiten Anderen verschlieſst und sie selbst gar nicht genieſst, aber ihren
Besitz dennoch auf das eifersüchtigste hütet und wertet, färbt all seinen
Egoismus durch einen Beisatz jener übersubjektiven Wertungsweise.
Im ganzen ist es doch der Sinn des Besitzes, genossen zu werden,
und wir stellen ihm nicht nur die Objekte gegenüber, an denen man,
wie an den Sternen, Freude hat, ohne sie zu begehren, sondern auch
diejenigen, deren Wert man von aller subjektiven Freude prinzipiell
unabhängig macht, wie die Schönheit, Ordnung und Bedeutsamkeit des
Kosmos als etwas des Genossenwerdens unbedürftiges und dennoch in
seinem Werte beharrendes erscheint. In dem Fall jener Besitzsüchtigen
liegt nun eine mittlere oder Mischerscheinung vor: es bedarf hier schon
des Besitzes, aber dieser schreitet nicht zu seinem regulären subjektiven
Erfolge vor, sondern wird auch ohne diesen als etwas wertvolles, als
ein des Erstrebens würdiges Ziel empfunden. Nicht die Qualität der
Sache ist hier der eigentliche Träger des Wertes; sondern, so unent-
behrlich sie ist und so sehr sie das Maſs des Wertes bestimmt — das
eigentlich Motivierende ist die Thatsache ihres Besessenwerdens, die
Form des Verhältnisses, in dem das Subjekt zu ihr steht. Daſs diese
Form — die freilich nur an einem Inhalt wirklich werden kann —,
daſs dieser Besitz des Subjekts als rein objektive Thatsache da ist,
das ist das Wertvolle, an dem die teleologische Reihe Halt macht.

In sehr eigentümlicher Weise zeigt sich die Verabsolutierung eines
ökonomischen Wertes, das Abbrechen der teleologischen Reihe, bevor
sie zum Subjekt zurückgekehrt ist, an einer gewissen Bedeutung des
Grundbesitzes, die sich mit seiner eigentlich ökonomischen Bedeutung
in mannigfaltiger Weise — oft freilich nur wie ein Oberton mit-

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[227/0251] Menschen erfüllen, weil seine Freude und Genugthuung unser höchster Lebenswert ist. Endlich aber kann uns dazu ein Gefühl für den ob- jektiven Wert einer Weltordnung bewegen, in der der Wille des höchsten Prinzips sich widerstandslos in dem Willen aller einzelnen Elemente fortsetzt, das sachliche Verhältnis zwischen Gott und uns kann diesen Gehorsam als seinen adäquaten Ausdruck oder seine innerlich notwendige Folge von uns fordern, ohne daſs irgend ein Er- folg für uns selbst oder eine Freude und Zufriedenheit Gottes in diese Motivation einträte. So macht in vielerlei Fällen das Zweckbewuſstsein an einer objektiven Wirklichkeit Halt und entlehnt deren Wert nicht erst aus subjektiven Reflexen ihrer. Ich lasse jede psychologische oder erkenntnistheoretische Deutung dieser, jenseits des Persönlichen stehenden Motivierung hier dahingestellt; jedenfalls ist sie eine psychologische Thatsache, die nun mit den Zweckreihen persönlicher Färbung die mannigfaltigsten Kombinationen eingeht. Der Sammler, der seine Kost- barkeiten Anderen verschlieſst und sie selbst gar nicht genieſst, aber ihren Besitz dennoch auf das eifersüchtigste hütet und wertet, färbt all seinen Egoismus durch einen Beisatz jener übersubjektiven Wertungsweise. Im ganzen ist es doch der Sinn des Besitzes, genossen zu werden, und wir stellen ihm nicht nur die Objekte gegenüber, an denen man, wie an den Sternen, Freude hat, ohne sie zu begehren, sondern auch diejenigen, deren Wert man von aller subjektiven Freude prinzipiell unabhängig macht, wie die Schönheit, Ordnung und Bedeutsamkeit des Kosmos als etwas des Genossenwerdens unbedürftiges und dennoch in seinem Werte beharrendes erscheint. In dem Fall jener Besitzsüchtigen liegt nun eine mittlere oder Mischerscheinung vor: es bedarf hier schon des Besitzes, aber dieser schreitet nicht zu seinem regulären subjektiven Erfolge vor, sondern wird auch ohne diesen als etwas wertvolles, als ein des Erstrebens würdiges Ziel empfunden. Nicht die Qualität der Sache ist hier der eigentliche Träger des Wertes; sondern, so unent- behrlich sie ist und so sehr sie das Maſs des Wertes bestimmt — das eigentlich Motivierende ist die Thatsache ihres Besessenwerdens, die Form des Verhältnisses, in dem das Subjekt zu ihr steht. Daſs diese Form — die freilich nur an einem Inhalt wirklich werden kann —, daſs dieser Besitz des Subjekts als rein objektive Thatsache da ist, das ist das Wertvolle, an dem die teleologische Reihe Halt macht. In sehr eigentümlicher Weise zeigt sich die Verabsolutierung eines ökonomischen Wertes, das Abbrechen der teleologischen Reihe, bevor sie zum Subjekt zurückgekehrt ist, an einer gewissen Bedeutung des Grundbesitzes, die sich mit seiner eigentlich ökonomischen Bedeutung in mannigfaltiger Weise — oft freilich nur wie ein Oberton mit- 15*

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/251>, abgerufen am 23.11.2024.