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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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mit den spezifischen Charakteren der Objekte hinwegfallen. Indem sein
Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar so
hoch, dass es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewusstsein an
ihm definitiv Halt macht.

Der Umfang, in dem dies geschieht, hängt von der grossen Wen-
dung des wirtschaftlichen Interesses von der Urproduktion zum industri-
ellen Betrieb ab. Die neuere Zeit und etwa das klassische Griechen-
tum nehmen dem Gelde gegenüber hauptsächlich daraufhin so ver-
schiedene Stellungen ein, weil es damals nur der Konsumtion, jetzt
aber wesentlich auch der Produktion dient. Dieser Unterschied ist von
der äussersten Wichtigkeit für die teleologische Rolle des Geldes, das
sich auch hier als der treue Index der Wirtschaft überhaupt zeigt:
denn auch das allgemeine ökonomische Interesse war damals viel mehr
der Konsumtion als der Produktion zugewandt; die letztere war eben
hauptsächlich agrarischer Art und deren einfache und traditionell fest-
stehende Technik fordert keine so erhebliche Aufwendung wirtschaft-
lichen Bewusstseins wie die fortwährend variierende Industrie und lässt
dieses deshalb sich mehr auf die andere Seite der Wirtschaft, die
Konsumtion, richten. Die Entwicklung der Arbeit überhaupt zeigt dies
Schema; bei den Naturvölkern ist sie fast nur eine solche, die um des
unmittelbar folgenden Verbrauches willen geschieht, nicht um des Be-
sitzes willen, der die Staffel zu weiterem Erwerbe abgäbe, weshalb
denn auch die als sozialistisch zu bezeichnenden Bestrebungen und
Ideale des Altertums wohl auf eine Organisierung der Konsumtion,
aber nicht der produktiven Arbeit gehen; so dass sich hierin Platos
Idealstaat ohne weiteres mit der athenischen Demokratie begegnet, zu
deren Bekämpfung er grade bestimmt war. Eine Stelle bei Aristoteles
beleuchtet dies besonders scharf. Sobald für die politischen Funktionen
ein Sold eingeführt wird, so bewirke dies in der Demokratie ein Über-
gewicht der Armen über die Reichen. Denn jene seien durch
Privatgeschäfte weniger in Anspruch genommen als
diese
und haben deshalb mehr Zeit, ihre öffentlichen Rechte aus-
zuüben, was sie denn auch um des Soldes willen thun. Es ist hier
also schlechthin selbstverständlich, dass die Armen die Beschäftigungs-
loseren sind. Ist dies aber, im Gegensatz zu späteren Zeiten, nichts
Zufälliges, sondern ein prinzipiell in jener Wirtschaftsform Begründetes,
so folgt, dass das Interesse der Massen eben nur darauf gehen konnte,
unmittelbar zu leben zu haben: eine soziale Struktur, die die Arbeits-
losigkeit der Armen voraussetzt, muss im wesentlichen ein konsumtives
statt ein produktives Interesse haben. Die sittlichen Vorschriften, die
sich bei den Griechen über das ökonomische Gebiet finden, betreffen

mit den spezifischen Charakteren der Objekte hinwegfallen. Indem sein
Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar so
hoch, daſs es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewuſstsein an
ihm definitiv Halt macht.

Der Umfang, in dem dies geschieht, hängt von der groſsen Wen-
dung des wirtschaftlichen Interesses von der Urproduktion zum industri-
ellen Betrieb ab. Die neuere Zeit und etwa das klassische Griechen-
tum nehmen dem Gelde gegenüber hauptsächlich daraufhin so ver-
schiedene Stellungen ein, weil es damals nur der Konsumtion, jetzt
aber wesentlich auch der Produktion dient. Dieser Unterschied ist von
der äuſsersten Wichtigkeit für die teleologische Rolle des Geldes, das
sich auch hier als der treue Index der Wirtschaft überhaupt zeigt:
denn auch das allgemeine ökonomische Interesse war damals viel mehr
der Konsumtion als der Produktion zugewandt; die letztere war eben
hauptsächlich agrarischer Art und deren einfache und traditionell fest-
stehende Technik fordert keine so erhebliche Aufwendung wirtschaft-
lichen Bewuſstseins wie die fortwährend variierende Industrie und läſst
dieses deshalb sich mehr auf die andere Seite der Wirtschaft, die
Konsumtion, richten. Die Entwicklung der Arbeit überhaupt zeigt dies
Schema; bei den Naturvölkern ist sie fast nur eine solche, die um des
unmittelbar folgenden Verbrauches willen geschieht, nicht um des Be-
sitzes willen, der die Staffel zu weiterem Erwerbe abgäbe, weshalb
denn auch die als sozialistisch zu bezeichnenden Bestrebungen und
Ideale des Altertums wohl auf eine Organisierung der Konsumtion,
aber nicht der produktiven Arbeit gehen; so daſs sich hierin Platos
Idealstaat ohne weiteres mit der athenischen Demokratie begegnet, zu
deren Bekämpfung er grade bestimmt war. Eine Stelle bei Aristoteles
beleuchtet dies besonders scharf. Sobald für die politischen Funktionen
ein Sold eingeführt wird, so bewirke dies in der Demokratie ein Über-
gewicht der Armen über die Reichen. Denn jene seien durch
Privatgeschäfte weniger in Anspruch genommen als
diese
und haben deshalb mehr Zeit, ihre öffentlichen Rechte aus-
zuüben, was sie denn auch um des Soldes willen thun. Es ist hier
also schlechthin selbstverständlich, daſs die Armen die Beschäftigungs-
loseren sind. Ist dies aber, im Gegensatz zu späteren Zeiten, nichts
Zufälliges, sondern ein prinzipiell in jener Wirtschaftsform Begründetes,
so folgt, daſs das Interesse der Massen eben nur darauf gehen konnte,
unmittelbar zu leben zu haben: eine soziale Struktur, die die Arbeits-
losigkeit der Armen voraussetzt, muſs im wesentlichen ein konsumtives
statt ein produktives Interesse haben. Die sittlichen Vorschriften, die
sich bei den Griechen über das ökonomische Gebiet finden, betreffen

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[218/0242] mit den spezifischen Charakteren der Objekte hinwegfallen. Indem sein Wert als Mittel steigt, steigt sein Wert als Mittel, und zwar so hoch, daſs es als Wert schlechthin gilt und das Zweckbewuſstsein an ihm definitiv Halt macht. Der Umfang, in dem dies geschieht, hängt von der groſsen Wen- dung des wirtschaftlichen Interesses von der Urproduktion zum industri- ellen Betrieb ab. Die neuere Zeit und etwa das klassische Griechen- tum nehmen dem Gelde gegenüber hauptsächlich daraufhin so ver- schiedene Stellungen ein, weil es damals nur der Konsumtion, jetzt aber wesentlich auch der Produktion dient. Dieser Unterschied ist von der äuſsersten Wichtigkeit für die teleologische Rolle des Geldes, das sich auch hier als der treue Index der Wirtschaft überhaupt zeigt: denn auch das allgemeine ökonomische Interesse war damals viel mehr der Konsumtion als der Produktion zugewandt; die letztere war eben hauptsächlich agrarischer Art und deren einfache und traditionell fest- stehende Technik fordert keine so erhebliche Aufwendung wirtschaft- lichen Bewuſstseins wie die fortwährend variierende Industrie und läſst dieses deshalb sich mehr auf die andere Seite der Wirtschaft, die Konsumtion, richten. Die Entwicklung der Arbeit überhaupt zeigt dies Schema; bei den Naturvölkern ist sie fast nur eine solche, die um des unmittelbar folgenden Verbrauches willen geschieht, nicht um des Be- sitzes willen, der die Staffel zu weiterem Erwerbe abgäbe, weshalb denn auch die als sozialistisch zu bezeichnenden Bestrebungen und Ideale des Altertums wohl auf eine Organisierung der Konsumtion, aber nicht der produktiven Arbeit gehen; so daſs sich hierin Platos Idealstaat ohne weiteres mit der athenischen Demokratie begegnet, zu deren Bekämpfung er grade bestimmt war. Eine Stelle bei Aristoteles beleuchtet dies besonders scharf. Sobald für die politischen Funktionen ein Sold eingeführt wird, so bewirke dies in der Demokratie ein Über- gewicht der Armen über die Reichen. Denn jene seien durch Privatgeschäfte weniger in Anspruch genommen als diese und haben deshalb mehr Zeit, ihre öffentlichen Rechte aus- zuüben, was sie denn auch um des Soldes willen thun. Es ist hier also schlechthin selbstverständlich, daſs die Armen die Beschäftigungs- loseren sind. Ist dies aber, im Gegensatz zu späteren Zeiten, nichts Zufälliges, sondern ein prinzipiell in jener Wirtschaftsform Begründetes, so folgt, daſs das Interesse der Massen eben nur darauf gehen konnte, unmittelbar zu leben zu haben: eine soziale Struktur, die die Arbeits- losigkeit der Armen voraussetzt, muſs im wesentlichen ein konsumtives statt ein produktives Interesse haben. Die sittlichen Vorschriften, die sich bei den Griechen über das ökonomische Gebiet finden, betreffen

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/242>, abgerufen am 23.11.2024.