Notwendigen stellten. -- Es liegt auf der Hand, dass diese Metem- psychose des Endzwecks um so häufiger und gründlicher stattfinden muss, je komplizierter die Technik des Lebens wird. Mit steigendem Wettbewerbe und steigender Arbeitsteilung werden die Zwecke des Lebens immer schwerer zu erreichen, d. h. es bedarf für sie eines immer höheren Unterbaues von Mitteln. Ein ungeheurer Prozentsatz der Kulturmenschen bleibt ihr Leben lang in dem Interesse an der Technik, in jedem Sinne des Wortes, befangen; die Bedingungen, die die Verwirklichung ihrer Endabsichten tragen, beanspruchen ihre Auf- merksamkeit, konzentrieren ihre Kräfte derart auf sich, dass jene wirklichen Ziele dem Bewusstsein völlig entschwinden, ja, oft genug schliesslich in Abrede gestellt werden. Das wird durch den Umstand begünstigt, dass in kulturell ausgebildeten Verhältnissen das Individuum schon in ein sehr vielgliedriges teleologisches System hineingeboren wird (z. B. in Hinsicht äusserer Sitten, nach deren Ursprung als Be- dingungen sozialer Zwecke niemand mehr fragt, die vielmehr als kate- gorische Imperative gelten), dass er in die Mitarbeit an längst fest- stehenden Zwecken hineinwächst, dass sogar seine individuellen Ziele ihm vielfach als selbstverständliche aus der umgebenden Atmosphäre entgegenkommen und mehr in seinem thatsächlichen Sein und Sich- Entwickeln als in deutlichem Bewusstsein zur Geltung gelangen. Alle diese Umstände helfen dazu, die Endziele nicht nur des Lebens über- haupt, sondern auch innerhalb des Lebens nur unvollständig über die Schwelle des Bewusstseins steigen zu lassen und die ganze Zuspitzung desselben auf die praktische Aufgabe, die Realisierung der Mittel, zu richten.
Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, dass diese Vor- datierung des Endzwecks an keiner Mittelinstanz des Lebens in solchem Umfange und so radikal stattfindet als am Geld. Niemals ist ein Ob- jekt, das seinen Wert ausschliesslich seiner Mittlerqualität, seiner Um- setzbarkeit in definitive Werte verdankt, so gründlich und rückhaltlos zu einer psychologischen Absolutheit des Wertes, einem das praktische Bewusstsein ganz ausfüllenden Endzweck aufgewachsen. Auch wird diese abschliessende Begehrtheit des Geldes grade in dem Masse steigen müssen, in dem es immer reineren Mittelscharakter annimmt. Denn dieser bedeutet, dass der Kreis der für Geld beschaffbaren Gegenstände sich immer weiter ausdehnt, dass die Dinge sich immer widerstands- loser der Macht des Geldes ergeben, dass es selbst immer qualitätloser, aber eben deshalb jeder Qualität der Dinge gegenüber gleich mächtig wird. Seine wachsende Bedeutung hängt daran, dass alles, was nicht bloss Mittel ist, aus ihm herausgeläutert wird, weil erst so die Reibungen
Notwendigen stellten. — Es liegt auf der Hand, daſs diese Metem- psychose des Endzwecks um so häufiger und gründlicher stattfinden muſs, je komplizierter die Technik des Lebens wird. Mit steigendem Wettbewerbe und steigender Arbeitsteilung werden die Zwecke des Lebens immer schwerer zu erreichen, d. h. es bedarf für sie eines immer höheren Unterbaues von Mitteln. Ein ungeheurer Prozentsatz der Kulturmenschen bleibt ihr Leben lang in dem Interesse an der Technik, in jedem Sinne des Wortes, befangen; die Bedingungen, die die Verwirklichung ihrer Endabsichten tragen, beanspruchen ihre Auf- merksamkeit, konzentrieren ihre Kräfte derart auf sich, daſs jene wirklichen Ziele dem Bewuſstsein völlig entschwinden, ja, oft genug schlieſslich in Abrede gestellt werden. Das wird durch den Umstand begünstigt, daſs in kulturell ausgebildeten Verhältnissen das Individuum schon in ein sehr vielgliedriges teleologisches System hineingeboren wird (z. B. in Hinsicht äuſserer Sitten, nach deren Ursprung als Be- dingungen sozialer Zwecke niemand mehr fragt, die vielmehr als kate- gorische Imperative gelten), daſs er in die Mitarbeit an längst fest- stehenden Zwecken hineinwächst, daſs sogar seine individuellen Ziele ihm vielfach als selbstverständliche aus der umgebenden Atmosphäre entgegenkommen und mehr in seinem thatsächlichen Sein und Sich- Entwickeln als in deutlichem Bewuſstsein zur Geltung gelangen. Alle diese Umstände helfen dazu, die Endziele nicht nur des Lebens über- haupt, sondern auch innerhalb des Lebens nur unvollständig über die Schwelle des Bewuſstseins steigen zu lassen und die ganze Zuspitzung desselben auf die praktische Aufgabe, die Realisierung der Mittel, zu richten.
Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daſs diese Vor- datierung des Endzwecks an keiner Mittelinstanz des Lebens in solchem Umfange und so radikal stattfindet als am Geld. Niemals ist ein Ob- jekt, das seinen Wert ausschlieſslich seiner Mittlerqualität, seiner Um- setzbarkeit in definitive Werte verdankt, so gründlich und rückhaltlos zu einer psychologischen Absolutheit des Wertes, einem das praktische Bewuſstsein ganz ausfüllenden Endzweck aufgewachsen. Auch wird diese abschlieſsende Begehrtheit des Geldes grade in dem Maſse steigen müssen, in dem es immer reineren Mittelscharakter annimmt. Denn dieser bedeutet, daſs der Kreis der für Geld beschaffbaren Gegenstände sich immer weiter ausdehnt, daſs die Dinge sich immer widerstands- loser der Macht des Geldes ergeben, daſs es selbst immer qualitätloser, aber eben deshalb jeder Qualität der Dinge gegenüber gleich mächtig wird. Seine wachsende Bedeutung hängt daran, daſs alles, was nicht bloſs Mittel ist, aus ihm herausgeläutert wird, weil erst so die Reibungen
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Notwendigen stellten. — Es liegt auf der Hand, daſs diese Metem-
psychose des Endzwecks um so häufiger und gründlicher stattfinden
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Wettbewerbe und steigender Arbeitsteilung werden die Zwecke des
Lebens immer schwerer zu erreichen, d. h. es bedarf für sie eines
immer höheren Unterbaues von Mitteln. Ein ungeheurer Prozentsatz
der Kulturmenschen bleibt ihr Leben lang in dem Interesse an der
Technik, in jedem Sinne des Wortes, befangen; die Bedingungen, die
die Verwirklichung ihrer Endabsichten tragen, beanspruchen ihre Auf-
merksamkeit, konzentrieren ihre Kräfte derart auf sich, daſs jene
wirklichen Ziele dem Bewuſstsein völlig entschwinden, ja, oft genug
schlieſslich in Abrede gestellt werden. Das wird durch den Umstand
begünstigt, daſs in kulturell ausgebildeten Verhältnissen das Individuum
schon in ein sehr vielgliedriges teleologisches System hineingeboren
wird (z. B. in Hinsicht äuſserer Sitten, nach deren Ursprung als Be-
dingungen sozialer Zwecke niemand mehr fragt, die vielmehr als kate-
gorische Imperative gelten), daſs er in die Mitarbeit an längst fest-
stehenden Zwecken hineinwächst, daſs sogar seine individuellen Ziele
ihm vielfach als selbstverständliche aus der umgebenden Atmosphäre
entgegenkommen und mehr in seinem thatsächlichen Sein und Sich-
Entwickeln als in deutlichem Bewuſstsein zur Geltung gelangen. Alle
diese Umstände helfen dazu, die Endziele nicht nur des Lebens über-
haupt, sondern auch innerhalb des Lebens nur unvollständig über die
Schwelle des Bewuſstseins steigen zu lassen und die ganze Zuspitzung
desselben auf die praktische Aufgabe, die Realisierung der Mittel, zu
richten.
Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daſs diese Vor-
datierung des Endzwecks an keiner Mittelinstanz des Lebens in solchem
Umfange und so radikal stattfindet als am Geld. Niemals ist ein Ob-
jekt, das seinen Wert ausschlieſslich seiner Mittlerqualität, seiner Um-
setzbarkeit in definitive Werte verdankt, so gründlich und rückhaltlos
zu einer psychologischen Absolutheit des Wertes, einem das praktische
Bewuſstsein ganz ausfüllenden Endzweck aufgewachsen. Auch wird
diese abschlieſsende Begehrtheit des Geldes grade in dem Maſse steigen
müssen, in dem es immer reineren Mittelscharakter annimmt. Denn
dieser bedeutet, daſs der Kreis der für Geld beschaffbaren Gegenstände
sich immer weiter ausdehnt, daſs die Dinge sich immer widerstands-
loser der Macht des Geldes ergeben, daſs es selbst immer qualitätloser,
aber eben deshalb jeder Qualität der Dinge gegenüber gleich mächtig
wird. Seine wachsende Bedeutung hängt daran, daſs alles, was nicht
bloſs Mittel ist, aus ihm herausgeläutert wird, weil erst so die Reibungen
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/241>, abgerufen am 27.11.2024.
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