haben wir eine sehr deutliche Stufenfolge. Der fragliche Wert ist durch den individuell bestimmten Schuldschein sozusagen zwischen Gläubiger und Schuldner festgeklemmt; er gewinnt seine erste Beweg- lichkeit, indem er wenigstens von einem Anderen eingezogen werden kann, wenngleich für Rechnung des ursprünglichen Gläubigers; dies erweitert sich, indem das Blankopapier die personale Bestimmtheit des Gläubigers zwar nicht aufhebt, aber doch beliebig hinausschiebt, bis schliesslich in dem reinen Inhaberpapier, das wie eine Münze von Hand zu Hand gehen kann, der Wert völlig mobilisiert ist. Dies er- scheint als der Revers oder die gleichsam subjektive Wendung der oben an den staatlichen Schatzassignationen beobachteten Entwicklung. Indem dieselben statt auf einzelne bestimmte Kroneinkünfte schliesslich auf die Staatseinkünfte überhaupt lauteten, verloren sie nach der Seite des Schuldners hin ihre individuelle Fixiertheit, gingen aus ihrer sub- stanziellen Eingeschränktheit in die Bewegungen der allgemeinen Staats- wirtschaft über und wurden, schon weil die Prüfung ihrer besonderen Qualität jetzt wegfiel, unendlich viel beweglichere Träger des Wertes, den sie darstellten.
Die Mobilisierung der Werte ist eine der Bedingungen oder Seiten der allgemeinen Zirkulationsbeschleunigung derselben, an der sich nun auch unmittelbar das Verhältnis von Substanz und Funktion des Geldes entwickelt. Gegenüber einer einseitigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld und Geldsurrogaten hat man hervorgehoben, dass diese letzteren -- Checks, Wechsel, Warrants, Giro -- das Geld nicht verdrängen, sondern nur zu schnellerer Umsetzung veranlassen. Diese Funktionen grade der Vertretungen des Geldes zeigt sich recht daran, dass die Noten von ihren grossen und also schwerer beweglichen Werten zu immer geringeren herabsteigen: bis 1759 gab die eng- lische Bank keine kleineren Noten aus als zu 20 Pfund, die Bank von Frankreich bis 1848 nur solche von 500 frcs. Indem jene Surrogate an die Stelle der Barzahlung treten, ersparen sie es dem Einzelnen zwar, einen grösseren Geldbestand in seiner Kasse zu halten; allein der Vorteil davon liegt doch nur darin, dass das so frei werdende Geld anderwärts bezw. bei der Checkbank arbeiten kann. Was er- spart wird, ist also nicht eigentlich das Geld, sondern nur sein passives Daliegen als Kassenbestand. So ist auch sonst zu beobachten, dass Kredit- und Bargeld sich keineswegs nur einfach gegenseitig ersetzen, sondern dass eines das andere grade in lebhaftere Bewegung bringt. Wenn das meiste bare Geld am Markte ist, steigt auch oft die Kreditwirtschaft ins Taumelhafte und bis zu pathologischen Erschei- nungen: so im 16. Jahrhundert, das an die grossen Metallimporte die
haben wir eine sehr deutliche Stufenfolge. Der fragliche Wert ist durch den individuell bestimmten Schuldschein sozusagen zwischen Gläubiger und Schuldner festgeklemmt; er gewinnt seine erste Beweg- lichkeit, indem er wenigstens von einem Anderen eingezogen werden kann, wenngleich für Rechnung des ursprünglichen Gläubigers; dies erweitert sich, indem das Blankopapier die personale Bestimmtheit des Gläubigers zwar nicht aufhebt, aber doch beliebig hinausschiebt, bis schlieſslich in dem reinen Inhaberpapier, das wie eine Münze von Hand zu Hand gehen kann, der Wert völlig mobilisiert ist. Dies er- scheint als der Revers oder die gleichsam subjektive Wendung der oben an den staatlichen Schatzassignationen beobachteten Entwicklung. Indem dieselben statt auf einzelne bestimmte Kroneinkünfte schlieſslich auf die Staatseinkünfte überhaupt lauteten, verloren sie nach der Seite des Schuldners hin ihre individuelle Fixiertheit, gingen aus ihrer sub- stanziellen Eingeschränktheit in die Bewegungen der allgemeinen Staats- wirtschaft über und wurden, schon weil die Prüfung ihrer besonderen Qualität jetzt wegfiel, unendlich viel beweglichere Träger des Wertes, den sie darstellten.
Die Mobilisierung der Werte ist eine der Bedingungen oder Seiten der allgemeinen Zirkulationsbeschleunigung derselben, an der sich nun auch unmittelbar das Verhältnis von Substanz und Funktion des Geldes entwickelt. Gegenüber einer einseitigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld und Geldsurrogaten hat man hervorgehoben, daſs diese letzteren — Checks, Wechsel, Warrants, Giro — das Geld nicht verdrängen, sondern nur zu schnellerer Umsetzung veranlassen. Diese Funktionen grade der Vertretungen des Geldes zeigt sich recht daran, daſs die Noten von ihren groſsen und also schwerer beweglichen Werten zu immer geringeren herabsteigen: bis 1759 gab die eng- lische Bank keine kleineren Noten aus als zu 20 Pfund, die Bank von Frankreich bis 1848 nur solche von 500 frcs. Indem jene Surrogate an die Stelle der Barzahlung treten, ersparen sie es dem Einzelnen zwar, einen gröſseren Geldbestand in seiner Kasse zu halten; allein der Vorteil davon liegt doch nur darin, daſs das so frei werdende Geld anderwärts bezw. bei der Checkbank arbeiten kann. Was er- spart wird, ist also nicht eigentlich das Geld, sondern nur sein passives Daliegen als Kassenbestand. So ist auch sonst zu beobachten, daſs Kredit- und Bargeld sich keineswegs nur einfach gegenseitig ersetzen, sondern daſs eines das andere grade in lebhaftere Bewegung bringt. Wenn das meiste bare Geld am Markte ist, steigt auch oft die Kreditwirtschaft ins Taumelhafte und bis zu pathologischen Erschei- nungen: so im 16. Jahrhundert, das an die groſsen Metallimporte die
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haben wir eine sehr deutliche Stufenfolge. Der fragliche Wert ist
durch den individuell bestimmten Schuldschein sozusagen zwischen
Gläubiger und Schuldner festgeklemmt; er gewinnt seine erste Beweg-
lichkeit, indem er wenigstens von einem Anderen eingezogen werden
kann, wenngleich für Rechnung des ursprünglichen Gläubigers; dies
erweitert sich, indem das Blankopapier die personale Bestimmtheit
des Gläubigers zwar nicht aufhebt, aber doch beliebig hinausschiebt,
bis schlieſslich in dem reinen Inhaberpapier, das wie eine Münze von
Hand zu Hand gehen kann, der Wert völlig mobilisiert ist. Dies er-
scheint als der Revers oder die gleichsam subjektive Wendung der
oben an den staatlichen Schatzassignationen beobachteten Entwicklung.
Indem dieselben statt auf einzelne bestimmte Kroneinkünfte schlieſslich
auf die Staatseinkünfte überhaupt lauteten, verloren sie nach der Seite
des Schuldners hin ihre individuelle Fixiertheit, gingen aus ihrer sub-
stanziellen Eingeschränktheit in die Bewegungen der allgemeinen Staats-
wirtschaft über und wurden, schon weil die Prüfung ihrer besonderen
Qualität jetzt wegfiel, unendlich viel beweglichere Träger des Wertes,
den sie darstellten.
Die Mobilisierung der Werte ist eine der Bedingungen oder
Seiten der allgemeinen Zirkulationsbeschleunigung derselben, an der
sich nun auch unmittelbar das Verhältnis von Substanz und Funktion
des Geldes entwickelt. Gegenüber einer einseitigen Auffassung des
Verhältnisses zwischen Geld und Geldsurrogaten hat man hervorgehoben,
daſs diese letzteren — Checks, Wechsel, Warrants, Giro — das Geld
nicht verdrängen, sondern nur zu schnellerer Umsetzung veranlassen.
Diese Funktionen grade der Vertretungen des Geldes zeigt sich recht
daran, daſs die Noten von ihren groſsen und also schwerer beweglichen
Werten zu immer geringeren herabsteigen: bis 1759 gab die eng-
lische Bank keine kleineren Noten aus als zu 20 Pfund, die Bank von
Frankreich bis 1848 nur solche von 500 frcs. Indem jene Surrogate
an die Stelle der Barzahlung treten, ersparen sie es dem Einzelnen
zwar, einen gröſseren Geldbestand in seiner Kasse zu halten; allein
der Vorteil davon liegt doch nur darin, daſs das so frei werdende
Geld anderwärts bezw. bei der Checkbank arbeiten kann. Was er-
spart wird, ist also nicht eigentlich das Geld, sondern nur sein passives
Daliegen als Kassenbestand. So ist auch sonst zu beobachten, daſs
Kredit- und Bargeld sich keineswegs nur einfach gegenseitig ersetzen,
sondern daſs eines das andere grade in lebhaftere Bewegung bringt.
Wenn das meiste bare Geld am Markte ist, steigt auch oft die
Kreditwirtschaft ins Taumelhafte und bis zu pathologischen Erschei-
nungen: so im 16. Jahrhundert, das an die groſsen Metallimporte die
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/193>, abgerufen am 25.11.2024.
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