ist die Unsterblichkeit des Königs, die jenseits seiner zufälligen Per- sönlichkeit, seiner einzelnen Massregeln, der wechselnden Schicksale seiner Gruppe steht und für die die relative Ewigkeit der Münze, die sein Bild trägt, sowohl als Symbol wie als Beweis wirkt. Die Ge- schäfte mit Fürsten waren es, die im 16. Jahrhundert überhaupt erst das reine Geldgeschäft grossen Stiles schufen; der Verkehr mit dem Fürsten, den es bewirkte, liess den bis dahin damit verbundenen Waren- handel als etwas Plebejisches erscheinen, über das sich der Geldkauf- mann in einer Analogie zu königlicher Würde erhob. So mag auch der Hass der Sozialisten gegen das Geldwesen nicht nur der diesem zugeschriebenen privatwirtschaftlichen Übermacht des Kapitalisten über den Arbeiter gelten, sondern auch ihren antimonarchischen Instinkten entspringen; denn so wenig die Objektivierung der Gruppengesamtheit, deren das Geld bedarf, in monarchischer Form geschehen muss, so hat doch in der neueren Geschichte grade diese Form aufs kräftigste der Einschiebung der Zentralgewalt in die wirtschaftlichen Funktionen der Gruppe gedient. Auch die festen Residenzen der Fürsten, die die Zentralisation so sehr fördern, sind erst bei Geldsteuern möglich; den nicht transportabeln Naturalsteuern entspricht das Herumziehen des Hofes, der sie überall in natura verzehrt. Es ist durchaus in diesem Sinn, wenn moderne Steuerpolitik vielfach dahin strebt, den Kommunen die Realsteuern zu überlassen, den Staat aber auf Einkommensteuer zu stellen. Indem die Steuerforderung der Zentralgewalt sich auf das reine Geldeinkommen der Einzelnen richtet, erfasst sie grade das- jenige Besitzobjekt, zu dem sie von vornherein das engste Verhältnis hat. Die Ausbildung des Beamtenwesens mit seiner engen Beziehung zum Geldwesen ist insofern nur ein Symptom dieser zentralistischen Entwicklung; das Beamtentum des Lehenswesens ist ein dezentrali- siertes, der räumlich ferne Landbesitz des Belehnten führt sein In- teresse von der Zentralstelle ab, während die immer von neuem er- folgende Geldentlohnung ihn zu dieser hinführt, seine Abhängigkeit von dieser immer von neuem eindringlich macht. Deshalb war die Pforte bei ihrer ständigen Münzverschlechterung doch Anfang des Jahrhunderts einmal genötigt, für ihre Beamten und Offiziere doppelt schwere Münzen schlagen zu lassen, weil es grade den eigentlichen Staatsfunktionären gegenüber eines wirklich gültigen Geldes bedurfte. Darum war die ungeheure Vermehrung und Verfeinerung des Be- amtentums erst bei der Geldwirtschaft möglich; sie ist aber nichts als eines der Symptome der Beziehung, die zwischen dem Geld und der Objektivierung des Gruppenzusammenhanges zu einem besonderen zen- tralen Gebilde besteht. Bei den Griechen wurde diese ursprünglich
ist die Unsterblichkeit des Königs, die jenseits seiner zufälligen Per- sönlichkeit, seiner einzelnen Maſsregeln, der wechselnden Schicksale seiner Gruppe steht und für die die relative Ewigkeit der Münze, die sein Bild trägt, sowohl als Symbol wie als Beweis wirkt. Die Ge- schäfte mit Fürsten waren es, die im 16. Jahrhundert überhaupt erst das reine Geldgeschäft groſsen Stiles schufen; der Verkehr mit dem Fürsten, den es bewirkte, lieſs den bis dahin damit verbundenen Waren- handel als etwas Plebejisches erscheinen, über das sich der Geldkauf- mann in einer Analogie zu königlicher Würde erhob. So mag auch der Haſs der Sozialisten gegen das Geldwesen nicht nur der diesem zugeschriebenen privatwirtschaftlichen Übermacht des Kapitalisten über den Arbeiter gelten, sondern auch ihren antimonarchischen Instinkten entspringen; denn so wenig die Objektivierung der Gruppengesamtheit, deren das Geld bedarf, in monarchischer Form geschehen muſs, so hat doch in der neueren Geschichte grade diese Form aufs kräftigste der Einschiebung der Zentralgewalt in die wirtschaftlichen Funktionen der Gruppe gedient. Auch die festen Residenzen der Fürsten, die die Zentralisation so sehr fördern, sind erst bei Geldsteuern möglich; den nicht transportabeln Naturalsteuern entspricht das Herumziehen des Hofes, der sie überall in natura verzehrt. Es ist durchaus in diesem Sinn, wenn moderne Steuerpolitik vielfach dahin strebt, den Kommunen die Realsteuern zu überlassen, den Staat aber auf Einkommensteuer zu stellen. Indem die Steuerforderung der Zentralgewalt sich auf das reine Geldeinkommen der Einzelnen richtet, erfaſst sie grade das- jenige Besitzobjekt, zu dem sie von vornherein das engste Verhältnis hat. Die Ausbildung des Beamtenwesens mit seiner engen Beziehung zum Geldwesen ist insofern nur ein Symptom dieser zentralistischen Entwicklung; das Beamtentum des Lehenswesens ist ein dezentrali- siertes, der räumlich ferne Landbesitz des Belehnten führt sein In- teresse von der Zentralstelle ab, während die immer von neuem er- folgende Geldentlohnung ihn zu dieser hinführt, seine Abhängigkeit von dieser immer von neuem eindringlich macht. Deshalb war die Pforte bei ihrer ständigen Münzverschlechterung doch Anfang des Jahrhunderts einmal genötigt, für ihre Beamten und Offiziere doppelt schwere Münzen schlagen zu lassen, weil es grade den eigentlichen Staatsfunktionären gegenüber eines wirklich gültigen Geldes bedurfte. Darum war die ungeheure Vermehrung und Verfeinerung des Be- amtentums erst bei der Geldwirtschaft möglich; sie ist aber nichts als eines der Symptome der Beziehung, die zwischen dem Geld und der Objektivierung des Gruppenzusammenhanges zu einem besonderen zen- tralen Gebilde besteht. Bei den Griechen wurde diese ursprünglich
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ist die Unsterblichkeit des Königs, die jenseits seiner zufälligen Per-
sönlichkeit, seiner einzelnen Maſsregeln, der wechselnden Schicksale
seiner Gruppe steht und für die die relative Ewigkeit der Münze, die
sein Bild trägt, sowohl als Symbol wie als Beweis wirkt. Die Ge-
schäfte mit Fürsten waren es, die im 16. Jahrhundert überhaupt erst
das reine Geldgeschäft groſsen Stiles schufen; der Verkehr mit dem
Fürsten, den es bewirkte, lieſs den bis dahin damit verbundenen Waren-
handel als etwas Plebejisches erscheinen, über das sich der Geldkauf-
mann in einer Analogie zu königlicher Würde erhob. So mag auch
der Haſs der Sozialisten gegen das Geldwesen nicht nur der diesem
zugeschriebenen privatwirtschaftlichen Übermacht des Kapitalisten über
den Arbeiter gelten, sondern auch ihren antimonarchischen Instinkten
entspringen; denn so wenig die Objektivierung der Gruppengesamtheit,
deren das Geld bedarf, in monarchischer Form geschehen muſs, so hat
doch in der neueren Geschichte grade diese Form aufs kräftigste der
Einschiebung der Zentralgewalt in die wirtschaftlichen Funktionen der
Gruppe gedient. Auch die festen Residenzen der Fürsten, die die
Zentralisation so sehr fördern, sind erst bei Geldsteuern möglich; den
nicht transportabeln Naturalsteuern entspricht das Herumziehen des
Hofes, der sie überall in natura verzehrt. Es ist durchaus in diesem
Sinn, wenn moderne Steuerpolitik vielfach dahin strebt, den Kommunen
die Realsteuern zu überlassen, den Staat aber auf Einkommensteuer
zu stellen. Indem die Steuerforderung der Zentralgewalt sich auf das
reine Geldeinkommen der Einzelnen richtet, erfaſst sie grade das-
jenige Besitzobjekt, zu dem sie von vornherein das engste Verhältnis
hat. Die Ausbildung des Beamtenwesens mit seiner engen Beziehung
zum Geldwesen ist insofern nur ein Symptom dieser zentralistischen
Entwicklung; das Beamtentum des Lehenswesens ist ein dezentrali-
siertes, der räumlich ferne Landbesitz des Belehnten führt sein In-
teresse von der Zentralstelle ab, während die immer von neuem er-
folgende Geldentlohnung ihn zu dieser hinführt, seine Abhängigkeit
von dieser immer von neuem eindringlich macht. Deshalb war die
Pforte bei ihrer ständigen Münzverschlechterung doch Anfang des
Jahrhunderts einmal genötigt, für ihre Beamten und Offiziere doppelt
schwere Münzen schlagen zu lassen, weil es grade den eigentlichen
Staatsfunktionären gegenüber eines wirklich gültigen Geldes bedurfte.
Darum war die ungeheure Vermehrung und Verfeinerung des Be-
amtentums erst bei der Geldwirtschaft möglich; sie ist aber nichts als
eines der Symptome der Beziehung, die zwischen dem Geld und der
Objektivierung des Gruppenzusammenhanges zu einem besonderen zen-
tralen Gebilde besteht. Bei den Griechen wurde diese ursprünglich
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/184>, abgerufen am 24.11.2024.
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