das Problem begrenzt und klein zu nehmen, um ihm durch seine Er- weiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten ge- recht zu werden.
Ich weiss, dass hiermit nur einer der grossen Richtungen des Wertempfindens genügt ist, der, die man nach ihrer absoluten Aus- gestaltung die pantheistische nennen kann, und dass es vielleicht nicht weniger gerechtfertigt ist, das Ungeistige, Äusserliche, Gestaltlose des Lebens einfach zur Seite zu lassen, um dessen Gipfel von all jenem unberührt und in dem reinen Beisichsein des Geistes und der Werte zu halten. Ich würdige die Differenzierungstendenz, die grade nur durch die Absolutheit der Distanz zwischen den höheren und den tieferen Lebensinhalten beiden ihr Recht zu geben meint. Das Lebens- gefühl, das sich hierin ausspricht, ist von Grund aus ein anderes, als es den -- sozusagen -- empirischen Pantheismus dieser Untersuchungen beherrscht, die mit dem Niedrigen und Materiellen des Daseins nicht durch Zurückweisung von dessen höheren Stufen, sondern durch Auf- nehmen in dieselben fertig zu werden suchen. Sicher ist es die schliess- liche Aufgabe, die Forderung der Unterschiedsempfindlichkeit -- die das Bewusstsein jeder Höhe durch eine Tiefe, jedes Lebensinhaltes durch Abstände und Gegensätze bedingt sein lässt -- mit der der Ein- heit des Daseins zu versöhnen, der überall fühlbaren Schönheit, der überall möglichen Vergeistigung der Dinge. Allein auch auf dem geistigen Globus dürfte es dem Weg am ehesten durch entschiedene Wendung nach der einen und entschiedene Abwendung von der an- deren Himmelsrichtung gelingen, auch die letztere zu umfassen.
In methodischer Hinsicht kann man diese Grundabsicht so aus- drücken: dem historischen Materialismus (der genauer als historischer Sensualismus zu bezeichnen wäre) ein Stockwerk unterzubauen, derart, dass der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strö- mungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden. Für die Praxis des Erkennens muss sich dies in endloser Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes durch ein ökonomisches muss sich die Forderung schliessen, dieses seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wie- derum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort ins unbestimmte. In solcher Alternierung und Verschlingung der be-
das Problem begrenzt und klein zu nehmen, um ihm durch seine Er- weiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten ge- recht zu werden.
Ich weiſs, daſs hiermit nur einer der groſsen Richtungen des Wertempfindens genügt ist, der, die man nach ihrer absoluten Aus- gestaltung die pantheistische nennen kann, und daſs es vielleicht nicht weniger gerechtfertigt ist, das Ungeistige, Äuſserliche, Gestaltlose des Lebens einfach zur Seite zu lassen, um dessen Gipfel von all jenem unberührt und in dem reinen Beisichsein des Geistes und der Werte zu halten. Ich würdige die Differenzierungstendenz, die grade nur durch die Absolutheit der Distanz zwischen den höheren und den tieferen Lebensinhalten beiden ihr Recht zu geben meint. Das Lebens- gefühl, das sich hierin ausspricht, ist von Grund aus ein anderes, als es den — sozusagen — empirischen Pantheismus dieser Untersuchungen beherrscht, die mit dem Niedrigen und Materiellen des Daseins nicht durch Zurückweisung von dessen höheren Stufen, sondern durch Auf- nehmen in dieselben fertig zu werden suchen. Sicher ist es die schlieſs- liche Aufgabe, die Forderung der Unterschiedsempfindlichkeit — die das Bewuſstsein jeder Höhe durch eine Tiefe, jedes Lebensinhaltes durch Abstände und Gegensätze bedingt sein läſst — mit der der Ein- heit des Daseins zu versöhnen, der überall fühlbaren Schönheit, der überall möglichen Vergeistigung der Dinge. Allein auch auf dem geistigen Globus dürfte es dem Weg am ehesten durch entschiedene Wendung nach der einen und entschiedene Abwendung von der an- deren Himmelsrichtung gelingen, auch die letztere zu umfassen.
In methodischer Hinsicht kann man diese Grundabsicht so aus- drücken: dem historischen Materialismus (der genauer als historischer Sensualismus zu bezeichnen wäre) ein Stockwerk unterzubauen, derart, daſs der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strö- mungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden. Für die Praxis des Erkennens muſs sich dies in endloser Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes durch ein ökonomisches muſs sich die Forderung schlieſsen, dieses seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wie- derum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort ins unbestimmte. In solcher Alternierung und Verschlingung der be-
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[X/0018]
das Problem begrenzt und klein zu nehmen, um ihm durch seine Er-
weiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten ge-
recht zu werden.
Ich weiſs, daſs hiermit nur einer der groſsen Richtungen des
Wertempfindens genügt ist, der, die man nach ihrer absoluten Aus-
gestaltung die pantheistische nennen kann, und daſs es vielleicht nicht
weniger gerechtfertigt ist, das Ungeistige, Äuſserliche, Gestaltlose des
Lebens einfach zur Seite zu lassen, um dessen Gipfel von all jenem
unberührt und in dem reinen Beisichsein des Geistes und der Werte
zu halten. Ich würdige die Differenzierungstendenz, die grade nur
durch die Absolutheit der Distanz zwischen den höheren und den
tieferen Lebensinhalten beiden ihr Recht zu geben meint. Das Lebens-
gefühl, das sich hierin ausspricht, ist von Grund aus ein anderes, als
es den — sozusagen — empirischen Pantheismus dieser Untersuchungen
beherrscht, die mit dem Niedrigen und Materiellen des Daseins nicht
durch Zurückweisung von dessen höheren Stufen, sondern durch Auf-
nehmen in dieselben fertig zu werden suchen. Sicher ist es die schlieſs-
liche Aufgabe, die Forderung der Unterschiedsempfindlichkeit — die
das Bewuſstsein jeder Höhe durch eine Tiefe, jedes Lebensinhaltes
durch Abstände und Gegensätze bedingt sein läſst — mit der der Ein-
heit des Daseins zu versöhnen, der überall fühlbaren Schönheit, der
überall möglichen Vergeistigung der Dinge. Allein auch auf dem
geistigen Globus dürfte es dem Weg am ehesten durch entschiedene
Wendung nach der einen und entschiedene Abwendung von der an-
deren Himmelsrichtung gelingen, auch die letztere zu umfassen.
In methodischer Hinsicht kann man diese Grundabsicht so aus-
drücken: dem historischen Materialismus (der genauer als historischer
Sensualismus zu bezeichnen wäre) ein Stockwerk unterzubauen, derart,
daſs der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der
geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene
wirtschaftlichen Formen als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strö-
mungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt
werden. Für die Praxis des Erkennens muſs sich dies in endloser
Gegenseitigkeit entwickeln: an jede Deutung eines ideellen Gebildes
durch ein ökonomisches muſs sich die Forderung schlieſsen, dieses
seinerseits aus ideelleren Tiefen zu begreifen, während für diese wie-
derum der allgemeine ökonomische Unterbau zu finden ist, und so fort
ins unbestimmte. In solcher Alternierung und Verschlingung der be-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/18>, abgerufen am 22.11.2024.
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