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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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III.

Es handelt sich jetzt um die historische Ausgestaltung des prin-
zipiell Konstruierten. Wesen und Bedeutung des Geldes treten nach
ihren grossen kulturphilosophischen Zusammenhängen an den Bewegungen
hervor, die es auf seinen reinen Begriff zu und von seiner Fesselung
an bestimmte Substanzen abführen -- so wenig dieser Weg das Ziel
erreichen kann, das ihm die Richtung giebt. Hiermit erst schliesst sich
das Geld der allgemeinen Entwicklung an, die auf jedem Gebiet und in
jedem Sinn das Substanzielle in freischwebende Prozesse aufzulösen
strebt; und zwar gewinnt das Geld diesen Anschluss in jeder überhaupt
möglichen Form: einerseits als ein Bestandteil jener umfassenden Ent-
wicklung, andrerseits, wegen seines eigentümlichen Verhältnisses zu
den konkreten Werten, als Symbol derselben; einerseits ferner als
Wirkung der von jener Entwicklung regulierten Kulturströmungen,
andrerseits als von sich aus wirksame Ursache derselben. Dieser
Zusammenhang interessiert uns hier in derjenigen Richtung, in der er
die Gestaltung des Geldes als die Folge der Verfassungen und der
Bedürfnisse menschlichen Zusammenlebens bewirkt. Jene Einschränkung
also, dass es sich um einen nicht zu vollendenden Weg handelt, ein
für allemal vorbehalten, behandle ich nun die Funktionsbedeutung des
Geldes und ihr Steigen bis zur Verdeckung seiner Substanzbedeutung.

Auf die letzten Grundlagen hin angesehen, ist die so bezeichnete
Auflösung des Geldbegriffes viel weniger radikal, als es scheint. Denn
genau genommen ist auch der Substanzwert des Geldes nichts als ein
Funktionswert. So sehr man die Edelmetalle als blosse Substanzen
schätzen mag, so schätzt man sie doch etwa nur, weil sie schmücken,
auszeichnen, technisch verwendbar sind, ästhetische Freude gewähren
u. ähnl. -- also, weil sie gewisse Funktionen ausüben; niemals kann ihr
Wert in ihrem in sich ruhenden Sein bestehen, sondern immer nur in dem,
was sie leisten; ihre Substanz, wie die aller praktischen Dinge, ist uns
rein als solche und abgesehen von dem, was sie leistet, das gleichgültigste
von der Welt. Von der Mehrzahl der Objekte kann man sagen: sie

III.

Es handelt sich jetzt um die historische Ausgestaltung des prin-
zipiell Konstruierten. Wesen und Bedeutung des Geldes treten nach
ihren groſsen kulturphilosophischen Zusammenhängen an den Bewegungen
hervor, die es auf seinen reinen Begriff zu und von seiner Fesselung
an bestimmte Substanzen abführen — so wenig dieser Weg das Ziel
erreichen kann, das ihm die Richtung giebt. Hiermit erst schlieſst sich
das Geld der allgemeinen Entwicklung an, die auf jedem Gebiet und in
jedem Sinn das Substanzielle in freischwebende Prozesse aufzulösen
strebt; und zwar gewinnt das Geld diesen Anschluſs in jeder überhaupt
möglichen Form: einerseits als ein Bestandteil jener umfassenden Ent-
wicklung, andrerseits, wegen seines eigentümlichen Verhältnisses zu
den konkreten Werten, als Symbol derselben; einerseits ferner als
Wirkung der von jener Entwicklung regulierten Kulturströmungen,
andrerseits als von sich aus wirksame Ursache derselben. Dieser
Zusammenhang interessiert uns hier in derjenigen Richtung, in der er
die Gestaltung des Geldes als die Folge der Verfassungen und der
Bedürfnisse menschlichen Zusammenlebens bewirkt. Jene Einschränkung
also, daſs es sich um einen nicht zu vollendenden Weg handelt, ein
für allemal vorbehalten, behandle ich nun die Funktionsbedeutung des
Geldes und ihr Steigen bis zur Verdeckung seiner Substanzbedeutung.

Auf die letzten Grundlagen hin angesehen, ist die so bezeichnete
Auflösung des Geldbegriffes viel weniger radikal, als es scheint. Denn
genau genommen ist auch der Substanzwert des Geldes nichts als ein
Funktionswert. So sehr man die Edelmetalle als bloſse Substanzen
schätzen mag, so schätzt man sie doch etwa nur, weil sie schmücken,
auszeichnen, technisch verwendbar sind, ästhetische Freude gewähren
u. ähnl. — also, weil sie gewisse Funktionen ausüben; niemals kann ihr
Wert in ihrem in sich ruhenden Sein bestehen, sondern immer nur in dem,
was sie leisten; ihre Substanz, wie die aller praktischen Dinge, ist uns
rein als solche und abgesehen von dem, was sie leistet, das gleichgültigste
von der Welt. Von der Mehrzahl der Objekte kann man sagen: sie

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[[136]/0160] III. Es handelt sich jetzt um die historische Ausgestaltung des prin- zipiell Konstruierten. Wesen und Bedeutung des Geldes treten nach ihren groſsen kulturphilosophischen Zusammenhängen an den Bewegungen hervor, die es auf seinen reinen Begriff zu und von seiner Fesselung an bestimmte Substanzen abführen — so wenig dieser Weg das Ziel erreichen kann, das ihm die Richtung giebt. Hiermit erst schlieſst sich das Geld der allgemeinen Entwicklung an, die auf jedem Gebiet und in jedem Sinn das Substanzielle in freischwebende Prozesse aufzulösen strebt; und zwar gewinnt das Geld diesen Anschluſs in jeder überhaupt möglichen Form: einerseits als ein Bestandteil jener umfassenden Ent- wicklung, andrerseits, wegen seines eigentümlichen Verhältnisses zu den konkreten Werten, als Symbol derselben; einerseits ferner als Wirkung der von jener Entwicklung regulierten Kulturströmungen, andrerseits als von sich aus wirksame Ursache derselben. Dieser Zusammenhang interessiert uns hier in derjenigen Richtung, in der er die Gestaltung des Geldes als die Folge der Verfassungen und der Bedürfnisse menschlichen Zusammenlebens bewirkt. Jene Einschränkung also, daſs es sich um einen nicht zu vollendenden Weg handelt, ein für allemal vorbehalten, behandle ich nun die Funktionsbedeutung des Geldes und ihr Steigen bis zur Verdeckung seiner Substanzbedeutung. Auf die letzten Grundlagen hin angesehen, ist die so bezeichnete Auflösung des Geldbegriffes viel weniger radikal, als es scheint. Denn genau genommen ist auch der Substanzwert des Geldes nichts als ein Funktionswert. So sehr man die Edelmetalle als bloſse Substanzen schätzen mag, so schätzt man sie doch etwa nur, weil sie schmücken, auszeichnen, technisch verwendbar sind, ästhetische Freude gewähren u. ähnl. — also, weil sie gewisse Funktionen ausüben; niemals kann ihr Wert in ihrem in sich ruhenden Sein bestehen, sondern immer nur in dem, was sie leisten; ihre Substanz, wie die aller praktischen Dinge, ist uns rein als solche und abgesehen von dem, was sie leistet, das gleichgültigste von der Welt. Von der Mehrzahl der Objekte kann man sagen: sie

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. [136]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/160>, abgerufen am 23.11.2024.