listischer Behandlung ihrer Interessen aufweist; oder dass gerade diese Proportion im Ganzen beharrt und nur die Gegenstände, an denen sie sich darstellt, dem Wechsel unterliegen. Vielleicht aber kann man sogar etwas spezieller bestimmen, dass ein besonders augenfälliges Hervortreten von Symbolik ebenso sehr primitiven und naiven, wie sehr hochentwickelten und komplizierten Kulturzuständen eigen ist; und dass, auf die Objekte hin angesehen, die aufwärtsschreitende Ent- wicklung uns auf dem Gebiete des Erkennens immer mehr von Sym- bolen befreit, sie uns aber auf praktischen Gebieten immer notwendiger macht. Gegenüber der nebelhaften Symbolistik mythologischer Welt- anschauungen zeigt die moderne eine gar nicht vergleichliche Un- mittelbarkeit im Ergreifen der Objekte; dagegen bringt die extensive und intensive Häufung der Lebensmomente es mit sich, dass wir viel mehr mit Zusammenfassungen, Verdichtungen und Vertretungen ihrer in symbolischer Form operieren müssen, als es in einfacheren und engeren Verhältnissen nötig war: die Symbolik, die auf den niederen Lebensstufen so oft Umweg und Kraftvergeudung ist, dient auf den höheren grade einer die Dinge beherrschenden Zweckmässigkeit und Kraftersparnis. Man mag hier etwa an die diplomatische Technik denken, sowohl im internationalen wie im parteipolitischen Sinne. Sicher ist es das Verhältnis der realen Machtquanten, das über den Ausgang des Interessengegensatzes entscheidet. Aber diese messen sich eben nicht mehr unmittelbar, d. h. in physischem Kampfe, aneinander, sondern werden durch blosse Vorstellungen vertreten. Hinter dem Repräsentanten jeder Kollektivmacht steht in verdichteter potenzieller Form die reale Kraft seiner Partei, und genau nach dem Masse dieser ist seine Stimme wirksam und kann sein Interesse sich durchsetzen. Er selbst ist gleichsam das Symbol dieser Macht; die intellektuellen Bewegungen zwischen den Repräsentanten der verschiedenen Macht- gruppen symbolisieren den Verlauf, den der reale Kampf genommen hätte, derart, dass der Unterlegne sich in das Resultat jener genau so fügt, als wäre er in diesem besiegt. Ich erinnere z. B. an die Ver- handlungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zur Vermeidung eines drohenden Streikes. Hier pflegt jede Partei genau nur bis zu dem Punkte nachzugeben, bis zu dem, ihrer Abschätzung der Kräfte nach, auch der wirklich ausbrechende Streik sie zwingen würde. Man ver- meidet die ultima ratio, indem man ihr Ergebnis in zusammenfassenden Vorstellungen antizipiert. Wäre diese Vertretung und Messung der realen Kräfte durch blosse Vorstellungen immer mit Sicherheit möglich, so könnte überhaupt jeder Kampf erspart werden. Jener utopische Vorschlag: künftige Kriege durch eine Partie Schach zwischen den
listischer Behandlung ihrer Interessen aufweist; oder daſs gerade diese Proportion im Ganzen beharrt und nur die Gegenstände, an denen sie sich darstellt, dem Wechsel unterliegen. Vielleicht aber kann man sogar etwas spezieller bestimmen, daſs ein besonders augenfälliges Hervortreten von Symbolik ebenso sehr primitiven und naiven, wie sehr hochentwickelten und komplizierten Kulturzuständen eigen ist; und daſs, auf die Objekte hin angesehen, die aufwärtsschreitende Ent- wicklung uns auf dem Gebiete des Erkennens immer mehr von Sym- bolen befreit, sie uns aber auf praktischen Gebieten immer notwendiger macht. Gegenüber der nebelhaften Symbolistik mythologischer Welt- anschauungen zeigt die moderne eine gar nicht vergleichliche Un- mittelbarkeit im Ergreifen der Objekte; dagegen bringt die extensive und intensive Häufung der Lebensmomente es mit sich, daſs wir viel mehr mit Zusammenfassungen, Verdichtungen und Vertretungen ihrer in symbolischer Form operieren müssen, als es in einfacheren und engeren Verhältnissen nötig war: die Symbolik, die auf den niederen Lebensstufen so oft Umweg und Kraftvergeudung ist, dient auf den höheren grade einer die Dinge beherrschenden Zweckmäſsigkeit und Kraftersparnis. Man mag hier etwa an die diplomatische Technik denken, sowohl im internationalen wie im parteipolitischen Sinne. Sicher ist es das Verhältnis der realen Machtquanten, das über den Ausgang des Interessengegensatzes entscheidet. Aber diese messen sich eben nicht mehr unmittelbar, d. h. in physischem Kampfe, aneinander, sondern werden durch bloſse Vorstellungen vertreten. Hinter dem Repräsentanten jeder Kollektivmacht steht in verdichteter potenzieller Form die reale Kraft seiner Partei, und genau nach dem Maſse dieser ist seine Stimme wirksam und kann sein Interesse sich durchsetzen. Er selbst ist gleichsam das Symbol dieser Macht; die intellektuellen Bewegungen zwischen den Repräsentanten der verschiedenen Macht- gruppen symbolisieren den Verlauf, den der reale Kampf genommen hätte, derart, daſs der Unterlegne sich in das Resultat jener genau so fügt, als wäre er in diesem besiegt. Ich erinnere z. B. an die Ver- handlungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zur Vermeidung eines drohenden Streikes. Hier pflegt jede Partei genau nur bis zu dem Punkte nachzugeben, bis zu dem, ihrer Abschätzung der Kräfte nach, auch der wirklich ausbrechende Streik sie zwingen würde. Man ver- meidet die ultima ratio, indem man ihr Ergebnis in zusammenfassenden Vorstellungen antizipiert. Wäre diese Vertretung und Messung der realen Kräfte durch bloſse Vorstellungen immer mit Sicherheit möglich, so könnte überhaupt jeder Kampf erspart werden. Jener utopische Vorschlag: künftige Kriege durch eine Partie Schach zwischen den
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listischer Behandlung ihrer Interessen aufweist; oder daſs gerade diese
Proportion im Ganzen beharrt und nur die Gegenstände, an denen sie
sich darstellt, dem Wechsel unterliegen. Vielleicht aber kann man
sogar etwas spezieller bestimmen, daſs ein besonders augenfälliges
Hervortreten von Symbolik ebenso sehr primitiven und naiven, wie
sehr hochentwickelten und komplizierten Kulturzuständen eigen ist;
und daſs, auf die Objekte hin angesehen, die aufwärtsschreitende Ent-
wicklung uns auf dem Gebiete des Erkennens immer mehr von Sym-
bolen befreit, sie uns aber auf praktischen Gebieten immer notwendiger
macht. Gegenüber der nebelhaften Symbolistik mythologischer Welt-
anschauungen zeigt die moderne eine gar nicht vergleichliche Un-
mittelbarkeit im Ergreifen der Objekte; dagegen bringt die extensive
und intensive Häufung der Lebensmomente es mit sich, daſs wir viel
mehr mit Zusammenfassungen, Verdichtungen und Vertretungen ihrer
in symbolischer Form operieren müssen, als es in einfacheren und
engeren Verhältnissen nötig war: die Symbolik, die auf den niederen
Lebensstufen so oft Umweg und Kraftvergeudung ist, dient auf den
höheren grade einer die Dinge beherrschenden Zweckmäſsigkeit und
Kraftersparnis. Man mag hier etwa an die diplomatische Technik
denken, sowohl im internationalen wie im parteipolitischen Sinne.
Sicher ist es das Verhältnis der realen Machtquanten, das über den
Ausgang des Interessengegensatzes entscheidet. Aber diese messen sich
eben nicht mehr unmittelbar, d. h. in physischem Kampfe, aneinander,
sondern werden durch bloſse Vorstellungen vertreten. Hinter dem
Repräsentanten jeder Kollektivmacht steht in verdichteter potenzieller
Form die reale Kraft seiner Partei, und genau nach dem Maſse dieser
ist seine Stimme wirksam und kann sein Interesse sich durchsetzen.
Er selbst ist gleichsam das Symbol dieser Macht; die intellektuellen
Bewegungen zwischen den Repräsentanten der verschiedenen Macht-
gruppen symbolisieren den Verlauf, den der reale Kampf genommen
hätte, derart, daſs der Unterlegne sich in das Resultat jener genau so
fügt, als wäre er in diesem besiegt. Ich erinnere z. B. an die Ver-
handlungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zur Vermeidung eines
drohenden Streikes. Hier pflegt jede Partei genau nur bis zu dem
Punkte nachzugeben, bis zu dem, ihrer Abschätzung der Kräfte nach,
auch der wirklich ausbrechende Streik sie zwingen würde. Man ver-
meidet die ultima ratio, indem man ihr Ergebnis in zusammenfassenden
Vorstellungen antizipiert. Wäre diese Vertretung und Messung der
realen Kräfte durch bloſse Vorstellungen immer mit Sicherheit möglich,
so könnte überhaupt jeder Kampf erspart werden. Jener utopische
Vorschlag: künftige Kriege durch eine Partie Schach zwischen den
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/135>, abgerufen am 23.11.2024.
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