Gegenwert auf eine unmittelbar äusserliche Gleichheit zu gründen. Ebenso verhält es sich mit der Thatsache, dass das Geld am Anfang seiner Entwicklung aus Stücken von grosser und schwerer Quantität zu bestehen pflegte: Felle, Vieh, Kupfer, Bronze; oder aus sehr massen- haften, wie das Kaurigeld. Es wirkt hier noch die Tendenz der Bauern- regel: viel hilft viel -- für die ein natürliches und erst durch eine feinere und reflektierende Empirie widerlegbares Gefühl spricht. Auch von Edelmetallgeld finden wir die grössten Münzen fast ausschliesslich bei Völkern von unausgebildeter oder naturalwirtschaftlicher Kultur: als die grössten Goldstücke gelten der Lool der Anamiten, der 880 Mk. wert ist, der japanische Obang (220 Mk.), der Benta der Aschantis; auch hat Anam eine Silbermünze im Werte von 60 Mk. Aus dem- selben Gefühl von der Bedeutung des Quantums heraus bleibt das Prägerecht der grössten Münzen oft den obersten Machthabern vor- behalten, während die kleineren (auch von dem gleichen Metall!) von niederen Instanzen geschlagen werden: so prägte der Grosskönig von Persien das Grossgeld, die Satrapen aber die goldene Kleinmünze, vom Viertel abwärts. Der Charakter erheblicher Quantität ist sogar nicht nur primitiven Metallgeldformen, sondern auch den Geldarten, die diesen vorangehen, manchmal eigen: die Slaven, welche in dem 1. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung zwischen Saale und Elbe sassen und ein ausserordentlich rohes Naturvolk waren, bedienten sich als Geldes leinener Tücher; die Kaufkraft eines solchen betrug 100 Hühner, oder Weizen für 10 Mann auf 1 Monat! Und selbst innerhalb des aus- gebildeteren Geldwesens ist bemerkbar, wie die Geldbegriffe von immer geringeren Metallwerten erfüllt werden. Der mittelalterliche Gulden war eine Goldmünze im Wert eines Dukaten -- der heutige zählt 100 Kupfer- kreuzer; der ehemalige Groschen war eine dicke (grossus) Silbermünze; die ehemalige Mark betrug ein Pfund Silber, das Pfund Sterling war 70 Mk. wert. In primitiven, naturalwirtschaftlichen Verhältnissen wird der Geld- verkehr überhaupt nicht die kleinen Bedürfnisse des Tages, sondern nur relativ grössere und wertvollere Objekte betroffen haben, und ihnen gegenüber wird die Neigung zur Symmetrie, die allen unausgebildeten Kulturen eigen ist, auch den Geldtausch beherrscht und für äusserlich Grosses auch ein äusserlich grosses Wertzeichen gefordert haben: dass die äusserste quantitative Ungleichheit der Erscheinungen den- noch eine Gleichheit der Kraft, der Bedeutung, des Wertes gestattet, pflegt erst von höheren Bildungsstufen eingesehen zu werden. Wo eine Praxis auf das Vollziehen von Gleichungen gestellt ist, da wird zuerst eine möglichst anschauliche Unmittelbarkeit des Gleichseins verlangt, wie die quantitative Mächtigkeit des primitiven Geldes es im Verhältnis
Gegenwert auf eine unmittelbar äuſserliche Gleichheit zu gründen. Ebenso verhält es sich mit der Thatsache, daſs das Geld am Anfang seiner Entwicklung aus Stücken von groſser und schwerer Quantität zu bestehen pflegte: Felle, Vieh, Kupfer, Bronze; oder aus sehr massen- haften, wie das Kaurigeld. Es wirkt hier noch die Tendenz der Bauern- regel: viel hilft viel — für die ein natürliches und erst durch eine feinere und reflektierende Empirie widerlegbares Gefühl spricht. Auch von Edelmetallgeld finden wir die gröſsten Münzen fast ausschlieſslich bei Völkern von unausgebildeter oder naturalwirtschaftlicher Kultur: als die gröſsten Goldstücke gelten der Lool der Anamiten, der 880 Mk. wert ist, der japanische Obang (220 Mk.), der Benta der Aschantis; auch hat Anam eine Silbermünze im Werte von 60 Mk. Aus dem- selben Gefühl von der Bedeutung des Quantums heraus bleibt das Prägerecht der gröſsten Münzen oft den obersten Machthabern vor- behalten, während die kleineren (auch von dem gleichen Metall!) von niederen Instanzen geschlagen werden: so prägte der Groſskönig von Persien das Groſsgeld, die Satrapen aber die goldene Kleinmünze, vom Viertel abwärts. Der Charakter erheblicher Quantität ist sogar nicht nur primitiven Metallgeldformen, sondern auch den Geldarten, die diesen vorangehen, manchmal eigen: die Slaven, welche in dem 1. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung zwischen Saale und Elbe saſsen und ein auſserordentlich rohes Naturvolk waren, bedienten sich als Geldes leinener Tücher; die Kaufkraft eines solchen betrug 100 Hühner, oder Weizen für 10 Mann auf 1 Monat! Und selbst innerhalb des aus- gebildeteren Geldwesens ist bemerkbar, wie die Geldbegriffe von immer geringeren Metallwerten erfüllt werden. Der mittelalterliche Gulden war eine Goldmünze im Wert eines Dukaten — der heutige zählt 100 Kupfer- kreuzer; der ehemalige Groschen war eine dicke (grossus) Silbermünze; die ehemalige Mark betrug ein Pfund Silber, das Pfund Sterling war 70 Mk. wert. In primitiven, naturalwirtschaftlichen Verhältnissen wird der Geld- verkehr überhaupt nicht die kleinen Bedürfnisse des Tages, sondern nur relativ gröſsere und wertvollere Objekte betroffen haben, und ihnen gegenüber wird die Neigung zur Symmetrie, die allen unausgebildeten Kulturen eigen ist, auch den Geldtausch beherrscht und für äuſserlich Groſses auch ein äuſserlich groſses Wertzeichen gefordert haben: daſs die äuſserste quantitative Ungleichheit der Erscheinungen den- noch eine Gleichheit der Kraft, der Bedeutung, des Wertes gestattet, pflegt erst von höheren Bildungsstufen eingesehen zu werden. Wo eine Praxis auf das Vollziehen von Gleichungen gestellt ist, da wird zuerst eine möglichst anschauliche Unmittelbarkeit des Gleichseins verlangt, wie die quantitative Mächtigkeit des primitiven Geldes es im Verhältnis
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[106/0130]
Gegenwert auf eine unmittelbar äuſserliche Gleichheit zu gründen.
Ebenso verhält es sich mit der Thatsache, daſs das Geld am Anfang
seiner Entwicklung aus Stücken von groſser und schwerer Quantität
zu bestehen pflegte: Felle, Vieh, Kupfer, Bronze; oder aus sehr massen-
haften, wie das Kaurigeld. Es wirkt hier noch die Tendenz der Bauern-
regel: viel hilft viel — für die ein natürliches und erst durch eine
feinere und reflektierende Empirie widerlegbares Gefühl spricht. Auch
von Edelmetallgeld finden wir die gröſsten Münzen fast ausschlieſslich
bei Völkern von unausgebildeter oder naturalwirtschaftlicher Kultur:
als die gröſsten Goldstücke gelten der Lool der Anamiten, der 880 Mk.
wert ist, der japanische Obang (220 Mk.), der Benta der Aschantis;
auch hat Anam eine Silbermünze im Werte von 60 Mk. Aus dem-
selben Gefühl von der Bedeutung des Quantums heraus bleibt das
Prägerecht der gröſsten Münzen oft den obersten Machthabern vor-
behalten, während die kleineren (auch von dem gleichen Metall!) von
niederen Instanzen geschlagen werden: so prägte der Groſskönig von
Persien das Groſsgeld, die Satrapen aber die goldene Kleinmünze, vom
Viertel abwärts. Der Charakter erheblicher Quantität ist sogar nicht
nur primitiven Metallgeldformen, sondern auch den Geldarten, die diesen
vorangehen, manchmal eigen: die Slaven, welche in dem 1. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung zwischen Saale und Elbe saſsen und ein
auſserordentlich rohes Naturvolk waren, bedienten sich als Geldes
leinener Tücher; die Kaufkraft eines solchen betrug 100 Hühner, oder
Weizen für 10 Mann auf 1 Monat! Und selbst innerhalb des aus-
gebildeteren Geldwesens ist bemerkbar, wie die Geldbegriffe von immer
geringeren Metallwerten erfüllt werden. Der mittelalterliche Gulden war
eine Goldmünze im Wert eines Dukaten — der heutige zählt 100 Kupfer-
kreuzer; der ehemalige Groschen war eine dicke (grossus) Silbermünze;
die ehemalige Mark betrug ein Pfund Silber, das Pfund Sterling war 70 Mk.
wert. In primitiven, naturalwirtschaftlichen Verhältnissen wird der Geld-
verkehr überhaupt nicht die kleinen Bedürfnisse des Tages, sondern
nur relativ gröſsere und wertvollere Objekte betroffen haben, und ihnen
gegenüber wird die Neigung zur Symmetrie, die allen unausgebildeten
Kulturen eigen ist, auch den Geldtausch beherrscht und für äuſserlich
Groſses auch ein äuſserlich groſses Wertzeichen gefordert haben:
daſs die äuſserste quantitative Ungleichheit der Erscheinungen den-
noch eine Gleichheit der Kraft, der Bedeutung, des Wertes gestattet,
pflegt erst von höheren Bildungsstufen eingesehen zu werden. Wo eine
Praxis auf das Vollziehen von Gleichungen gestellt ist, da wird zuerst
eine möglichst anschauliche Unmittelbarkeit des Gleichseins verlangt,
wie die quantitative Mächtigkeit des primitiven Geldes es im Verhältnis
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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