selbst völlig indifferent sein. Auch hier stellt sich das Geld nur als die höchste Entwicklungsstufe innerhalb einer kontinuierlichen Reihe dar, eine der logisch difficilen, für unser Weltbild aber äusserst be- deutsamen, in denen ein Glied, obgleich durchaus nach der Formel der Reihe und als Äusserung ihrer inneren Kräfte gebildet, dennoch zugleich aus ihr heraustritt, als ergänzende oder beherrschende oder ihr gegen- über parteibildende Potenz. Den Ausgangspunkt der Reihe bilden die ganz unersetzlichen Werte, deren Eigenart freilich grade durch eine Analogie zu der Geldausgleichung leicht verwischt wird. Für das Meiste, was wir besitzen, gäbe es einen Ersatz, wenigstens im weitesten Sinne, so dass der Gesamtwert unserer Existenz derselbe bliebe, wenn wir das eine verlören und dafür das andere gewönnen: die eudämo- nistische Summe lässt sich durch sehr verschiedene Elemente auf der gleichen Höhe halten. Allein diese Austauschbarkeit versagt gewissen Dingen gegenüber, und zwar -- worauf es hier ankommt -- nicht nur wegen des Glücksmasses, das uns kein anderer Besitz in gleicher Höhe gewähren könnte, sondern weil das Wertgefühl sich grade an diese individuelle Gestaltung, nicht aber an das Glücksgefühl, das ihr mit anderen gemeinsam ist, geheftet hat. Nur ein irriger Begriffsrealismus, der mit dem allgemeinen Begriff als mit dem vollgültigen Vertreter der einzelnen Wirklichkeit operiert, lässt uns glauben, dass wir die Werte der Dinge durch Reduktion auf einen allgemeinen Wertnenner empfinden, durch Hinleitung auf ein Wertzentrum, in dem sie sich nur als quantitativ höhere oder niedere, in letzter Instanz aber gleichartige darstellten. Wir werten vielmehr das Individuelle oft genug, weil wir eben gerade dies wollen und nichts anderes, dem wir vielleicht das- selbe oder ein höheres Quantum von Glückswert für uns zugeben. Feinere Empfindungsweisen unterscheiden sehr genau das Mass von Glücksgefühl, das der bestimmte Besitz uns bereitet, durch das er aber mit anderen vergleichbar und vertauschbar wird, von seinen spezifischen, jenseits seiner eudämonistischen Folgen liegenden Bestimmtheiten, durch die er uns gleichfalls wertvoll und insofern nun völlig unersetzlich sein kann. Dies tritt mit einer leichten Modifikation, aber doch sehr be- zeichnend hervor, wenn persönliche Affektionen oder Erlebnisse einen an sich häufigen und fungibeln Gegenstand für uns mit Unersetzlichkeit ausgestattet haben. Über den Verlust eines solchen kann uns unter keinen Umständen ein ganz gleiches Exemplar derselben Gattung trösten -- sondern viel eher vermag dies ein Gut, das völlig anderen Qualitäts- und Gefühlskomplexen angehört, das an jenes überhaupt nicht erinnert und jede Vergleichung mit ihm ablehnt! Diese Indivi- dualform des Wertes wird in demselben Masse negiert, in dem die
selbst völlig indifferent sein. Auch hier stellt sich das Geld nur als die höchste Entwicklungsstufe innerhalb einer kontinuierlichen Reihe dar, eine der logisch difficilen, für unser Weltbild aber äuſserst be- deutsamen, in denen ein Glied, obgleich durchaus nach der Formel der Reihe und als Äuſserung ihrer inneren Kräfte gebildet, dennoch zugleich aus ihr heraustritt, als ergänzende oder beherrschende oder ihr gegen- über parteibildende Potenz. Den Ausgangspunkt der Reihe bilden die ganz unersetzlichen Werte, deren Eigenart freilich grade durch eine Analogie zu der Geldausgleichung leicht verwischt wird. Für das Meiste, was wir besitzen, gäbe es einen Ersatz, wenigstens im weitesten Sinne, so daſs der Gesamtwert unserer Existenz derselbe bliebe, wenn wir das eine verlören und dafür das andere gewönnen: die eudämo- nistische Summe läſst sich durch sehr verschiedene Elemente auf der gleichen Höhe halten. Allein diese Austauschbarkeit versagt gewissen Dingen gegenüber, und zwar — worauf es hier ankommt — nicht nur wegen des Glücksmaſses, das uns kein anderer Besitz in gleicher Höhe gewähren könnte, sondern weil das Wertgefühl sich grade an diese individuelle Gestaltung, nicht aber an das Glücksgefühl, das ihr mit anderen gemeinsam ist, geheftet hat. Nur ein irriger Begriffsrealismus, der mit dem allgemeinen Begriff als mit dem vollgültigen Vertreter der einzelnen Wirklichkeit operiert, läſst uns glauben, daſs wir die Werte der Dinge durch Reduktion auf einen allgemeinen Wertnenner empfinden, durch Hinleitung auf ein Wertzentrum, in dem sie sich nur als quantitativ höhere oder niedere, in letzter Instanz aber gleichartige darstellten. Wir werten vielmehr das Individuelle oft genug, weil wir eben gerade dies wollen und nichts anderes, dem wir vielleicht das- selbe oder ein höheres Quantum von Glückswert für uns zugeben. Feinere Empfindungsweisen unterscheiden sehr genau das Maſs von Glücksgefühl, das der bestimmte Besitz uns bereitet, durch das er aber mit anderen vergleichbar und vertauschbar wird, von seinen spezifischen, jenseits seiner eudämonistischen Folgen liegenden Bestimmtheiten, durch die er uns gleichfalls wertvoll und insofern nun völlig unersetzlich sein kann. Dies tritt mit einer leichten Modifikation, aber doch sehr be- zeichnend hervor, wenn persönliche Affektionen oder Erlebnisse einen an sich häufigen und fungibeln Gegenstand für uns mit Unersetzlichkeit ausgestattet haben. Über den Verlust eines solchen kann uns unter keinen Umständen ein ganz gleiches Exemplar derselben Gattung trösten — sondern viel eher vermag dies ein Gut, das völlig anderen Qualitäts- und Gefühlskomplexen angehört, das an jenes überhaupt nicht erinnert und jede Vergleichung mit ihm ablehnt! Diese Indivi- dualform des Wertes wird in demselben Maſse negiert, in dem die
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selbst völlig indifferent sein. Auch hier stellt sich das Geld nur als
die höchste Entwicklungsstufe innerhalb einer kontinuierlichen Reihe
dar, eine der logisch difficilen, für unser Weltbild aber äuſserst be-
deutsamen, in denen ein Glied, obgleich durchaus nach der Formel der
Reihe und als Äuſserung ihrer inneren Kräfte gebildet, dennoch zugleich
aus ihr heraustritt, als ergänzende oder beherrschende oder ihr gegen-
über parteibildende Potenz. Den Ausgangspunkt der Reihe bilden die
ganz unersetzlichen Werte, deren Eigenart freilich grade durch eine
Analogie zu der Geldausgleichung leicht verwischt wird. Für das
Meiste, was wir besitzen, gäbe es einen Ersatz, wenigstens im weitesten
Sinne, so daſs der Gesamtwert unserer Existenz derselbe bliebe, wenn
wir das eine verlören und dafür das andere gewönnen: die eudämo-
nistische Summe läſst sich durch sehr verschiedene Elemente auf der
gleichen Höhe halten. Allein diese Austauschbarkeit versagt gewissen
Dingen gegenüber, und zwar — worauf es hier ankommt — nicht nur
wegen des Glücksmaſses, das uns kein anderer Besitz in gleicher Höhe
gewähren könnte, sondern weil das Wertgefühl sich grade an diese
individuelle Gestaltung, nicht aber an das Glücksgefühl, das ihr mit
anderen gemeinsam ist, geheftet hat. Nur ein irriger Begriffsrealismus,
der mit dem allgemeinen Begriff als mit dem vollgültigen Vertreter
der einzelnen Wirklichkeit operiert, läſst uns glauben, daſs wir die
Werte der Dinge durch Reduktion auf einen allgemeinen Wertnenner
empfinden, durch Hinleitung auf ein Wertzentrum, in dem sie sich nur
als quantitativ höhere oder niedere, in letzter Instanz aber gleichartige
darstellten. Wir werten vielmehr das Individuelle oft genug, weil wir
eben gerade dies wollen und nichts anderes, dem wir vielleicht das-
selbe oder ein höheres Quantum von Glückswert für uns zugeben.
Feinere Empfindungsweisen unterscheiden sehr genau das Maſs von
Glücksgefühl, das der bestimmte Besitz uns bereitet, durch das er aber
mit anderen vergleichbar und vertauschbar wird, von seinen spezifischen,
jenseits seiner eudämonistischen Folgen liegenden Bestimmtheiten, durch
die er uns gleichfalls wertvoll und insofern nun völlig unersetzlich sein
kann. Dies tritt mit einer leichten Modifikation, aber doch sehr be-
zeichnend hervor, wenn persönliche Affektionen oder Erlebnisse einen an
sich häufigen und fungibeln Gegenstand für uns mit Unersetzlichkeit
ausgestattet haben. Über den Verlust eines solchen kann uns unter
keinen Umständen ein ganz gleiches Exemplar derselben Gattung
trösten — sondern viel eher vermag dies ein Gut, das völlig anderen
Qualitäts- und Gefühlskomplexen angehört, das an jenes überhaupt
nicht erinnert und jede Vergleichung mit ihm ablehnt! Diese Indivi-
dualform des Wertes wird in demselben Maſse negiert, in dem die
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/103>, abgerufen am 23.11.2024.
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