Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite
Joh: Angeli fünfftes Buch
21. Der Sünd' und Tugend eigenschafft.
Die Busse rüchet wol/ die Sünden alle stincken:
Die Tugenden gehn recht/ die Laster aber hincken.
22. Die Keuschheit bleibt verschlossen.
Die Keuschheit ist ein Schloß das niemand auf kan-
schliessen.
Was sie im innern ist/ das mag kein fremder wissen.
23. Die zeit die ist nicht schnell.
Man sagt die Zeit ist schnell: wer hat sie sehen fliegen?
Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen!
24. GOtt sieht man nicht mit Augen.
Wann du denkst GOtt zu schaun/ bild dir nichts sinn-
lichs ein:
Das schaun wird inner uns/ nicht außerhalb uns seyn.
25. Was das beste an der Seeligkeit.
Was an der Seeligkeit mein Hertz fürs best' erkiest/
Jst daß sie wesentlich/ und nicht von aussen ist.
26. GOtt wird wie wir.
GOtt gibt dir wie du nimbst/ du selbst schenkst auß und
ein/
Er wird dir wie du wilt/ wie nach dem faß der Wein.
27. Die Wegescheide zur Ewigkeit.
Die Wegescheid' ist hier: Wo lenkstu dich nu hin?
Zur Lincken ist verlust/ zur Rechten ist gewien.
28. Was GOtt den Tag durch thut.
Des Morgens geht GOtt auß/ zu mittag schläffet er/
Deß Nachts ist er erwacht/ reist' Abends ohn beschwehr.
29. Man
Joh: Angeli fuͤnfftes Buch
21. Der Suͤnd’ und Tugend eigenſchafft.
Die Buſſe ruͤchet wol/ die Suͤnden alle ſtincken:
Die Tugenden gehn recht/ die Laſter aber hincken.
22. Die Keuſchheit bleibt verſchloſſen.
Die Keuſchheit iſt ein Schloß das niemand auf kan-
ſchlieſſen.
Was ſie im innern iſt/ das mag kein fremder wiſſen.
23. Die zeit die iſt nicht ſchnell.
Man ſagt die Zeit iſt ſchnell: wer hat ſie ſehen fliegen?
Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen!
24. GOtt ſieht man nicht mit Augen.
Wann du denkſt GOtt zu ſchaun/ bild dir nichts ſinn-
lichs ein:
Das ſchaun wird inner uns/ nicht außerhalb uns ſeyn.
25. Was das beſte an der Seeligkeit.
Was an der Seeligkeit mein Hertz fuͤrs beſt’ erkieſt/
Jſt daß ſie weſentlich/ und nicht von auſſen iſt.
26. GOtt wird wie wir.
GOtt gibt dir wie du nimbſt/ du ſelbſt ſchenkſt auß und
ein/
Er wird dir wie du wilt/ wie nach dem faß der Wein.
27. Die Wegeſcheide zur Ewigkeit.
Die Wegeſcheid’ iſt hier: Wo lenkſtu dich nu hin?
Zur Lincken iſt verluſt/ zur Rechten iſt gewien.
28. Was GOtt den Tag durch thut.
Des Morgens geht GOtt auß/ zu mittag ſchlaͤffet er/
Deß Nachts iſt er erwacht/ reiſt’ Abends ohn beſchwehr.
29. Man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0172" n="163[166]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Joh: Angeli fu&#x0364;nfftes Buch</hi> </fw><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>21. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Der Su&#x0364;nd&#x2019; und Tugend eigen&#x017F;chafft.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Die Bu&#x017F;&#x017F;e ru&#x0364;chet wol/ die Su&#x0364;nden alle &#x017F;tincken:</l><lb/>
          <l>Die Tugenden gehn recht/ die La&#x017F;ter aber hincken.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>22. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die Keu&#x017F;chheit bleibt ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Die Keu&#x017F;chheit i&#x017F;t ein Schloß das niemand auf kan-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en.</hi> </l><lb/>
          <l>Was &#x017F;ie im innern i&#x017F;t/ das mag kein fremder wi&#x017F;&#x017F;en.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>23. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die zeit die i&#x017F;t nicht &#x017F;chnell.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Man &#x017F;agt die Zeit i&#x017F;t &#x017F;chnell: wer hat &#x017F;ie &#x017F;ehen fliegen?</l><lb/>
          <l>Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen!</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>24. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">GOtt &#x017F;ieht man nicht mit Augen.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Wann du denk&#x017F;t GOtt zu &#x017F;chaun/ bild dir nichts &#x017F;inn-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">lichs ein:</hi> </l><lb/>
          <l>Das &#x017F;chaun wird inner uns/ nicht außerhalb uns &#x017F;eyn.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>25. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Was das be&#x017F;te an der Seeligkeit.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Was an der Seeligkeit mein Hertz fu&#x0364;rs be&#x017F;t&#x2019; erkie&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t daß &#x017F;ie we&#x017F;entlich/ und nicht von au&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>26. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">GOtt wird wie wir.</hi></hi></head><lb/>
          <l>GOtt gibt dir wie du nimb&#x017F;t/ du &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chenk&#x017F;t auß und</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ein/</hi> </l><lb/>
          <l>Er wird dir wie du wilt/ wie nach dem faß der Wein.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>27. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die Wege&#x017F;cheide zur Ewigkeit.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Die Wege&#x017F;cheid&#x2019; i&#x017F;t hier: Wo lenk&#x017F;tu dich nu hin?</l><lb/>
          <l>Zur Lincken i&#x017F;t verlu&#x017F;t/ zur Rechten i&#x017F;t gewien.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>28. <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Was GOtt den Tag durch thut.</hi></hi></head><lb/>
          <l>Des Morgens geht GOtt auß/ zu mittag &#x017F;chla&#x0364;ffet er/</l><lb/>
          <l>Deß Nachts i&#x017F;t er erwacht/ rei&#x017F;t&#x2019; Abends ohn be&#x017F;chwehr.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">29. <hi rendition="#fr">Man</hi></fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163[166]/0172] Joh: Angeli fuͤnfftes Buch 21. Der Suͤnd’ und Tugend eigenſchafft. Die Buſſe ruͤchet wol/ die Suͤnden alle ſtincken: Die Tugenden gehn recht/ die Laſter aber hincken. 22. Die Keuſchheit bleibt verſchloſſen. Die Keuſchheit iſt ein Schloß das niemand auf kan- ſchlieſſen. Was ſie im innern iſt/ das mag kein fremder wiſſen. 23. Die zeit die iſt nicht ſchnell. Man ſagt die Zeit iſt ſchnell: wer hat ſie ſehen fliegen? Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen! 24. GOtt ſieht man nicht mit Augen. Wann du denkſt GOtt zu ſchaun/ bild dir nichts ſinn- lichs ein: Das ſchaun wird inner uns/ nicht außerhalb uns ſeyn. 25. Was das beſte an der Seeligkeit. Was an der Seeligkeit mein Hertz fuͤrs beſt’ erkieſt/ Jſt daß ſie weſentlich/ und nicht von auſſen iſt. 26. GOtt wird wie wir. GOtt gibt dir wie du nimbſt/ du ſelbſt ſchenkſt auß und ein/ Er wird dir wie du wilt/ wie nach dem faß der Wein. 27. Die Wegeſcheide zur Ewigkeit. Die Wegeſcheid’ iſt hier: Wo lenkſtu dich nu hin? Zur Lincken iſt verluſt/ zur Rechten iſt gewien. 28. Was GOtt den Tag durch thut. Des Morgens geht GOtt auß/ zu mittag ſchlaͤffet er/ Deß Nachts iſt er erwacht/ reiſt’ Abends ohn beſchwehr. 29. Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstauflage dieses Werkes erschien 1657 unter… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

GREPECT GmbH: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T14:19:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Deutsches Textarchiv: Konvertierung in das DTA-Basisformat. (2013-08-21T14:19:32Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/172
Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 163[166]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/172>, abgerufen am 23.11.2024.