Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.Erinnerungs Vorrede Tauler in der 3. Predigt am 3. Sontag Trinit.da er spricht: Die Seele wird (durch das wider er- langte Ebenbild) GOtte gleich und Göttlich: Ja alles wird sie auß genaden was GOtt ist von Natur. Jn diser Vereinigung und einsenckung in GOtt/ wird sie über sich selbst in GOtt geführt/ und GOtte so gleich/ daß wann sie sich selber sahe/ sie sich für GOtt würde schätzen: Und wer sie sähe/ der würde sie sehen/ ntcht zwar in dem Natürlichen/ sondern in dem auß Genaden jhr mit getheiltem Wesen/ Form und weise GOttes/ und würde also Seelig von dem Gesichte Sinthemal GOtt und die Seele in solcher Vereinigung eines sind; wiewol nicht von Natur/ sondern auß Genaden. Und nach wenigem: Die lautere und Göttliche Seele welche von der Creaturen Liebe so frey ist wie GOtt/ wird von andern gesehen werden/ auch sich selber in Ewigkeit an- sehen als GOtt (denn GOtt und eine solche Seele sind in der obgemeldten Vereinigung eins) und wird jhre Seeligkeit in und auß sich selbst nehmen in diser Verei- nigung. Rusbroch im dritten Buch vom Zierrath Und eben daselbst: GOtt über alle gleichnüsse/ wie ber
Erinnerungs Vorrede Tauler in der 3. Predigt am 3. Sontag Trinit.da er ſpricht: Die Seele wird (durch das wider er- langte Ebenbild) GOtte gleich und Goͤttlich: Ja alles wird ſie auß genaden was GOtt iſt von Natur. Jn diſer Vereinigung und einſenckung in GOtt/ wird ſie uͤber ſich ſelbſt in GOtt gefuͤhrt/ und GOtte ſo gleich/ daß wann ſie ſich ſelber ſahe/ ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde ſchaͤtzen: Und wer ſie ſaͤhe/ der wuͤrde ſie ſehen/ ntcht zwar in dem Natuͤrlichen/ ſondern in dem auß Genaden jhr mit getheiltem Weſen/ Form und weiſe GOttes/ und wuͤrde alſo Seelig von dem Geſichte Sinthemal GOtt und die Seele in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol nicht von Natur/ ſondern auß Genaden. Und nach wenigem: Die lautere und Goͤttliche Seele welche von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie GOtt/ wird von andern geſehen werden/ auch ſich ſelber in Ewigkeit an- ſehen als GOtt (denn GOtt und eine ſolche Seele ſind in der obgemeldten Vereinigung eins) und wird jhre Seeligkeit in und auß ſich ſelbſt nehmen in diſer Verei- nigung. Rusbroch im dritten Buch vom Zierrath Und eben daſelbſt: GOtt uͤber alle gleichnuͤſſe/ wie ber
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Erinnerungs Vorrede
Tauler in der 3. Predigt am 3. Sontag Trinit.
da er ſpricht: Die Seele wird (durch das wider er-
langte Ebenbild) GOtte gleich und Goͤttlich: Ja
alles wird ſie auß genaden was GOtt iſt von Natur.
Jn diſer Vereinigung und einſenckung in GOtt/ wird
ſie uͤber ſich ſelbſt in GOtt gefuͤhrt/ und GOtte ſo gleich/
daß wann ſie ſich ſelber ſahe/ ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde
ſchaͤtzen: Und wer ſie ſaͤhe/ der wuͤrde ſie ſehen/ ntcht
zwar in dem Natuͤrlichen/ ſondern in dem auß Genaden
jhr mit getheiltem Weſen/ Form und weiſe GOttes/ und
wuͤrde alſo Seelig von dem Geſichte Sinthemal GOtt
und die Seele in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol
nicht von Natur/ ſondern auß Genaden. Und nach
wenigem: Die lautere und Goͤttliche Seele welche
von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie GOtt/ wird von
andern geſehen werden/ auch ſich ſelber in Ewigkeit an-
ſehen als GOtt (denn GOtt und eine ſolche Seele ſind
in der obgemeldten Vereinigung eins) und wird jhre
Seeligkeit in und auß ſich ſelbſt nehmen in diſer Verei-
nigung.
Rusbroch im dritten Buch vom Zierrath
der Geiſtlichen Hochzeit c. 1. Jn der Weſent-
lichen Einheit GOttes ſind alle Andaͤchtige und jnnige
Geiſter eins mit GOtt durch jhre Liebhabende einſenck-
ung und zerſchmeltzung in jhn: Und ſind auß Gnaden
eben daſſelbige Eins das dieſelbe Weſenheit jn ſich ſel-
ber iſt.
Und eben daſelbſt: GOtt uͤber alle gleichnuͤſſe/ wie
Er in ſich ſelber iſt/ faſſen und Verſtehen/ das iſt etlicher
maſſen GOtt mit GOtt ſeyn ohne mittel/ (oder daß ich
ſo ſage) ohne eine empfindliche Anderheit. Und eben
im ſelben Buche c. 2. ſpricht Er: Wann der
Geiſt deß Menſchen durch die genießliche Liebe ſich ſel-
ber
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/14>, abgerufen am 16.07.2024. |