Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Erstes Buch. 156. GOtt selbst ist unßre Weide. Schaut doch daß Wunder an! GOtt macht sich so gemein/ Daß Er auch selber wil der Lämmer Weide sein. 157. Die Wunderliche verwandnuß GOttes. Sag an O grosser GOtt/ wie bin ich dir verwandt? Daß du mich Mutter/ Braut/ Gemahl/ und Kind genandt. 158. Wer trinkt den Lebensbrunn? Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens dänkt zusitzen: Der muß zuvor allhier den eignen Durst außschwitzen. 159. Die ledigkeit ist wie GOtt. Mensch wo du ledig bist/ daß Wasser quillt auß dir/ Sowol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfür. 160. GOtt dürstet/ tränk Jhn doch. Gott selber klaget durst: Ach daß du Jhn so Kränkest! Und nicht wie jenes Weib die Samaritin Tränkest. 161 Daß Ewge Liecht. Jch bin ein Ewig Liecht/ Jch brenn ohn unterlaß: Mein todt und öl ist Gott/ Mein Geist der ist das Faß. 162. Du must die Kindschafft haben. So du den höchsten Gott wilt deinen Vatter nennen/ So mustu dich zuvor sein Kind zu seyn/ bekennen. 163. Die Menschheit sol man lieben. Daß du nicht Menschen liebst/ daß thustu recht und wol/ Die Menschheit ists die man im Menschen lieben sol. 164. Gott schaut man mit gelassenheit. Der Engel schauet GOtt mit heitern Augen an: Jch aber noch vil mehr/ so ich GOtt lassen kan. 165. Die
Erſtes Buch. 156. GOtt ſelbſt iſt unßre Weide. Schaut doch daß Wunder an! GOtt macht ſich ſo gemein/ Daß Er auch ſelber wil der Laͤmmer Weide ſein. 157. Die Wunderliche verwandnuß GOttes. Sag an O groſſer GOtt/ wie bin ich dir verwandt? Daß du mich Mutter/ Braut/ Gemahl/ und Kind genandt. 158. Wer trinkt den Lebensbrunn? Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens daͤnkt zuſitzen: Der muß zuvor allhier den eignen Durſt außſchwitzen. 159. Die ledigkeit iſt wie GOtt. Menſch wo du ledig biſt/ daß Waſſer quillt auß dir/ Sowol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfuͤr. 160. GOtt duͤrſtet/ traͤnk Jhn doch. Gott ſelber klaget durſt: Ach daß du Jhn ſo Kraͤnkeſt! Uñ nicht wie jenes Weib die Samaritin Traͤnkeſt. 161 Daß Ewge Liecht. Jch bin ein Ewig Liecht/ Jch brenn ohn unterlaß: Mein todt uñ oͤl iſt Gott/ Mein Geiſt der iſt das Faß. 162. Du muſt die Kindſchafft haben. So du den hoͤchſten Gott wilt deinen Vatter nennen/ So muſtu dich zuvor ſein Kind zu ſeyn/ bekennen. 163. Die Menſchheit ſol man lieben. Daß du nicht Menſchen liebſt/ daß thuſtu recht uñ wol/ Die Menſchheit iſts die man im Menſchen lieben ſol. 164. Gott ſchaut man mit gelaſſenheit. Der Engel ſchauet GOtt mit heitern Augen an: Jch aber noch vil mehr/ ſo ich GOtt laſſen kan. 165. Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0045" n="41[39]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">156. GOtt ſelbſt iſt unßre Weide.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Schaut doch daß Wunder an! GOtt macht ſich ſo</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gemein/</hi> </l><lb/> <l>Daß Er auch ſelber wil der Laͤmmer Weide ſein.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">157. Die Wunderliche verwandnuß<lb/> GOttes.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Sag an O groſſer GOtt/ wie bin ich dir verwandt?</l><lb/> <l>Daß du mich Mutter/ Braut/ Gemahl/ und Kind</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">genandt.</hi> </l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">158. Wer trinkt den Lebensbrunn?</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens daͤnkt zuſitzen:</l><lb/> <l>Der muß zuvor allhier den eignen Durſt außſchwitzen.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">159. Die ledigkeit iſt wie GOtt.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Menſch wo du ledig biſt/ daß Waſſer quillt auß dir/</l><lb/> <l>Sowol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfuͤr.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">160. GOtt duͤrſtet/ traͤnk Jhn doch.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Gott ſelber klaget durſt: Ach daß du Jhn ſo Kraͤnkeſt!</l><lb/> <l>Uñ nicht wie jenes Weib die <hi rendition="#fr">Samaritin</hi> Traͤnkeſt.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">161 Daß Ewge Liecht.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Jch bin ein Ewig Liecht/ Jch brenn ohn unterlaß:</l><lb/> <l>Mein todt uñ oͤl iſt Gott/ Mein Geiſt der iſt das Faß.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">162. Du muſt die Kindſchafft haben.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>So du den hoͤchſten Gott wilt deinen Vatter nennen/</l><lb/> <l>So muſtu dich zuvor ſein Kind zu ſeyn/ bekennen.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">163. Die Menſchheit ſol man lieben.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Daß du nicht Menſchen liebſt/ daß thuſtu recht uñ wol/</l><lb/> <l>Die Menſchheit iſts die man im Menſchen lieben ſol.</l> </lg> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">164. Gott ſchaut man mit gelaſſenheit.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Engel ſchauet GOtt mit heitern Augen an:</l><lb/> <l>Jch aber noch vil mehr/ ſo ich GOtt laſſen kan.</l> </lg> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">165. Die</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [41[39]/0045]
Erſtes Buch.
156. GOtt ſelbſt iſt unßre Weide.
Schaut doch daß Wunder an! GOtt macht ſich ſo
gemein/
Daß Er auch ſelber wil der Laͤmmer Weide ſein.
157. Die Wunderliche verwandnuß
GOttes.
Sag an O groſſer GOtt/ wie bin ich dir verwandt?
Daß du mich Mutter/ Braut/ Gemahl/ und Kind
genandt.
158. Wer trinkt den Lebensbrunn?
Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens daͤnkt zuſitzen:
Der muß zuvor allhier den eignen Durſt außſchwitzen.
159. Die ledigkeit iſt wie GOtt.
Menſch wo du ledig biſt/ daß Waſſer quillt auß dir/
Sowol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfuͤr.
160. GOtt duͤrſtet/ traͤnk Jhn doch.
Gott ſelber klaget durſt: Ach daß du Jhn ſo Kraͤnkeſt!
Uñ nicht wie jenes Weib die Samaritin Traͤnkeſt.
161 Daß Ewge Liecht.
Jch bin ein Ewig Liecht/ Jch brenn ohn unterlaß:
Mein todt uñ oͤl iſt Gott/ Mein Geiſt der iſt das Faß.
162. Du muſt die Kindſchafft haben.
So du den hoͤchſten Gott wilt deinen Vatter nennen/
So muſtu dich zuvor ſein Kind zu ſeyn/ bekennen.
163. Die Menſchheit ſol man lieben.
Daß du nicht Menſchen liebſt/ daß thuſtu recht uñ wol/
Die Menſchheit iſts die man im Menſchen lieben ſol.
164. Gott ſchaut man mit gelaſſenheit.
Der Engel ſchauet GOtt mit heitern Augen an:
Jch aber noch vil mehr/ ſo ich GOtt laſſen kan.
165. Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/45 |
Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 41[39]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/45>, abgerufen am 16.02.2025. |