Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Vierdtes Buch. 211. Der ärmste der Freyeste. Der Armuth eigenthum ist freyheit allermeist: Drumb ist kein Mensch so frey/ als der recht arm im Geist. 212. Armuth ist daß wesen aller tugenden. Die laster sind bestrickt/ die Tugenden gehn frey: Sag ob die Armuth nicht jhr aller wesen sey? 213. Der Alleredelste Mensch. Der Alleredelste den man ersinnen kan/ Jst ein gantz lauterer und wahrer armer Man. 214. Der herrliche Tod. Christ/ der ist herrlich todt/ der allem abgestorben/ Und jhm dadurch den Geist der armuth hat erworben. 215. Die zeit begreifft nicht die ewigkeit. So lange dir mein Freund im sinn liegt ort und zeit: So faßstu nicht was Gott ist und die ewigkeit. 216. Die empfängliche Seel. Die Seel die Jungfran ist/ und nichts als Gott em- pfängt/ Kan Gottes schwanger seyn/ so offt sie dran gedenckt. 217. Der aufgespannte Geist. Der Geist der allezeit in Gott steht aufgericht/ Empfängt ohn underlaß in sich das ewge licht. 218. Kennzeichen der Braut Gottes. Die Braut verliebet sich inn Bräutigam allein: Liebstu was neben Gott/ schau wie du Braut kanst seyn. 219. Daß wandelnde gezelt Gottes. Die Seel in der Gott wohnt/ die ist (O Seeligkeit!) Ein wandelndes Gezett der ewgen Herrligkeit. 220. Gott versorgt alle Creaturen. Gott der versorget alls/ und doch ohn alle müh/ Ein G 2
Vierdtes Buch. 211. Der aͤrmſte der Freyeſte. Der Armuth eigenthum iſt freyheit allermeiſt: Drumb iſt kein Menſch ſo frey/ als der recht arm im Geiſt. 212. Armuth iſt daß weſen aller tugendẽ. Die laſter ſind beſtrickt/ die Tugenden gehn frey: Sag ob die Armuth nicht jhr aller weſen ſey? 213. Der Alleredelſte Menſch. Der Alleredelſte den man erſinnen kan/ Jſt ein gantz lauterer und wahrer armer Man. 214. Der herrliche Tod. Chriſt/ der iſt herrlich todt/ der allem abgeſtorben/ Und jhm dadurch den Geiſt der armuth hat erworben. 215. Die zeit begreifft nicht die ewigkeit. So lange dir mein Freund im ſinn liegt ort und zeit: So faßſtu nicht was Gott iſt und die ewigkeit. 216. Die empfaͤngliche Seel. Die Seel die Jungfran iſt/ und nichts als Gott em- pfaͤngt/ Kan Gottes ſchwanger ſeyn/ ſo offt ſie dran gedenckt. 217. Der aufgeſpannte Geiſt. Der Geiſt der allezeit in Gott ſteht aufgericht/ Empfaͤngt ohn underlaß in ſich das ewge licht. 218. Kennzeichen der Braut Gottes. Die Braut verliebet ſich inn Braͤutigam allein: Liebſtu was neben Gott/ ſchau wie du Braut kanſt ſeyn. 219. Daß wandelnde gezelt Gottes. Die Seel in der Gott wohnt/ die iſt (O Seeligkeit!) Ein wandelndes Gezett der ewgen Herrligkeit. 220. Gott verſorgt alle Creaturen. Gott der verſorget alls/ und doch ohn alle müh/ Ein G 2
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Vierdtes Buch.
211. Der aͤrmſte der Freyeſte.
Der Armuth eigenthum iſt freyheit allermeiſt:
Drumb iſt kein Menſch ſo frey/ als der recht arm im
Geiſt.
212. Armuth iſt daß weſen aller tugendẽ.
Die laſter ſind beſtrickt/ die Tugenden gehn frey:
Sag ob die Armuth nicht jhr aller weſen ſey?
213. Der Alleredelſte Menſch.
Der Alleredelſte den man erſinnen kan/
Jſt ein gantz lauterer und wahrer armer Man.
214. Der herrliche Tod.
Chriſt/ der iſt herrlich todt/ der allem abgeſtorben/
Und jhm dadurch den Geiſt der armuth hat erworben.
215. Die zeit begreifft nicht die ewigkeit.
So lange dir mein Freund im ſinn liegt ort und zeit:
So faßſtu nicht was Gott iſt und die ewigkeit.
216. Die empfaͤngliche Seel.
Die Seel die Jungfran iſt/ und nichts als Gott em-
pfaͤngt/
Kan Gottes ſchwanger ſeyn/ ſo offt ſie dran gedenckt.
217. Der aufgeſpannte Geiſt.
Der Geiſt der allezeit in Gott ſteht aufgericht/
Empfaͤngt ohn underlaß in ſich das ewge licht.
218. Kennzeichen der Braut Gottes.
Die Braut verliebet ſich inn Braͤutigam allein:
Liebſtu was neben Gott/ ſchau wie du Braut kanſt
ſeyn.
219. Daß wandelnde gezelt Gottes.
Die Seel in der Gott wohnt/ die iſt (O Seeligkeit!)
Ein wandelndes Gezett der ewgen Herrligkeit.
220. Gott verſorgt alle Creaturen.
Gott der verſorget alls/ und doch ohn alle müh/
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 147[145]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/151>, abgerufen am 06.07.2024. |