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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe

21) Der mongolische Esel. (Dshiggetei. Equus
Hemionus
) an der mandshurischen Grenze. Wird durch
List von den Tungusen größtentheils gefangen, oder er-
schossen, oder auf dem Eise gejagt. Den ich zu sehen
Gelegenheit hatte, war ganz jung, bey der Festung
Dshindan-Turuk gefangen worden und seit 5 Jahren
so zahm geworden, daß er sich wie andere Pferde, mit
denen er auf die Weide gieng, fangen und satteln ließ.
Man konnte ihn reiten und für eine Weile gieng er ge-
ruhig; aber öfters kommts ihm in den Kopf stille zu ste-
hen und dann mag der Reuter nur absteigen, denn we-
der Ribbenstöße noch Peitschenhiebe bringen ihn von der
Stelle oder aber er fängt an zu springen und hinten und
vornen auszuschlagen und wenn dieses ein Weilchen ge-
währt hat, so mag sich der Reuter wieder aufsetzen und
seinen Weg ruhig fortsetzen. Er läßt sich auch in die
Deichsel spannen, aber wenn ihm seine Grillen einfallen,
so ist man in Gefahr den Wagen zu verlieren.

Für die Ornithologen ist hier wenig zu hohlen, wenn
es nicht etwa der große Bartgeier ist, den die Mongolen
Jollo nennen. Jch zweifele nicht daß er mit dem
Schweizer Lämmergeyer einerley sey, der in dem neuen
Systemate Naturae, Vultur barbatus genannt wird. Aber
da die hiesige Gegend von der Schweiz sehr verschieden
ist, so möchte dieser Adler auch wohl in etwas abweichen.
Jch halte also eine kleine Beschreibung von ihm nicht für
überflüßig, wenigstens dient sie zur Vergleichung.

Mein Vogel den ich hier beschreibe war ein Männ-
chen und ein Jahr alt; seine Höhe längst den Beinen

hinauf
Sievers Briefe

21) Der mongoliſche Eſel. (Dſhiggetei. Equus
Hemionus
) an der mandſhuriſchen Grenze. Wird durch
Liſt von den Tunguſen groͤßtentheils gefangen, oder er-
ſchoſſen, oder auf dem Eiſe gejagt. Den ich zu ſehen
Gelegenheit hatte, war ganz jung, bey der Feſtung
Dſhindan-Turuk gefangen worden und ſeit 5 Jahren
ſo zahm geworden, daß er ſich wie andere Pferde, mit
denen er auf die Weide gieng, fangen und ſatteln ließ.
Man konnte ihn reiten und fuͤr eine Weile gieng er ge-
ruhig; aber oͤfters kommts ihm in den Kopf ſtille zu ſte-
hen und dann mag der Reuter nur abſteigen, denn we-
der Ribbenſtoͤße noch Peitſchenhiebe bringen ihn von der
Stelle oder aber er faͤngt an zu ſpringen und hinten und
vornen auszuſchlagen und wenn dieſes ein Weilchen ge-
waͤhrt hat, ſo mag ſich der Reuter wieder aufſetzen und
ſeinen Weg ruhig fortſetzen. Er laͤßt ſich auch in die
Deichſel ſpannen, aber wenn ihm ſeine Grillen einfallen,
ſo iſt man in Gefahr den Wagen zu verlieren.

Fuͤr die Ornithologen iſt hier wenig zu hohlen, wenn
es nicht etwa der große Bartgeier iſt, den die Mongolen
Jóllo nennen. Jch zweifele nicht daß er mit dem
Schweizer Laͤmmergeyer einerley ſey, der in dem neuen
Syſtemate Naturae, Vultur barbatus genannt wird. Aber
da die hieſige Gegend von der Schweiz ſehr verſchieden
iſt, ſo moͤchte dieſer Adler auch wohl in etwas abweichen.
Jch halte alſo eine kleine Beſchreibung von ihm nicht fuͤr
uͤberfluͤßig, wenigſtens dient ſie zur Vergleichung.

Mein Vogel den ich hier beſchreibe war ein Maͤnn-
chen und ein Jahr alt; ſeine Hoͤhe laͤngſt den Beinen

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[70/0078] Sievers Briefe 21) Der mongoliſche Eſel. (Dſhiggetei. Equus Hemionus) an der mandſhuriſchen Grenze. Wird durch Liſt von den Tunguſen groͤßtentheils gefangen, oder er- ſchoſſen, oder auf dem Eiſe gejagt. Den ich zu ſehen Gelegenheit hatte, war ganz jung, bey der Feſtung Dſhindan-Turuk gefangen worden und ſeit 5 Jahren ſo zahm geworden, daß er ſich wie andere Pferde, mit denen er auf die Weide gieng, fangen und ſatteln ließ. Man konnte ihn reiten und fuͤr eine Weile gieng er ge- ruhig; aber oͤfters kommts ihm in den Kopf ſtille zu ſte- hen und dann mag der Reuter nur abſteigen, denn we- der Ribbenſtoͤße noch Peitſchenhiebe bringen ihn von der Stelle oder aber er faͤngt an zu ſpringen und hinten und vornen auszuſchlagen und wenn dieſes ein Weilchen ge- waͤhrt hat, ſo mag ſich der Reuter wieder aufſetzen und ſeinen Weg ruhig fortſetzen. Er laͤßt ſich auch in die Deichſel ſpannen, aber wenn ihm ſeine Grillen einfallen, ſo iſt man in Gefahr den Wagen zu verlieren. Fuͤr die Ornithologen iſt hier wenig zu hohlen, wenn es nicht etwa der große Bartgeier iſt, den die Mongolen Jóllo nennen. Jch zweifele nicht daß er mit dem Schweizer Laͤmmergeyer einerley ſey, der in dem neuen Syſtemate Naturae, Vultur barbatus genannt wird. Aber da die hieſige Gegend von der Schweiz ſehr verſchieden iſt, ſo moͤchte dieſer Adler auch wohl in etwas abweichen. Jch halte alſo eine kleine Beſchreibung von ihm nicht fuͤr uͤberfluͤßig, wenigſtens dient ſie zur Vergleichung. Mein Vogel den ich hier beſchreibe war ein Maͤnn- chen und ein Jahr alt; ſeine Hoͤhe laͤngſt den Beinen hinauf

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/78>, abgerufen am 27.11.2024.