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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
sich um desto mehr über die mißlungene Versuche der
Baumzucht wundern, da eines Theils die Natur schon
durch die hier häufig am Gebirge wild wachsende Pyrus
baccata, Prunus sibirica
und Padus, Amygdalus nana
und pedunculata, den Weg zu bahnen scheint. Auch in
Absicht der Polhöhe wäre wohl so wenig, wie von Kälte
die doch oft bis 320 steigt, oder Schnee Hinderniß zu be-
fürchten. Aber die außerordentlich hohe Lage des hiesi-
gen Landes, der mit häufigem Alcali minerali vitriolato
geschwängerte Boden und die unvermutheten starken
Nachtfröste im Maymonat, die sich eben beym Aufgang
der Sonne um zwey bis drey Grad gemeiniglich verstär-
ken, wenn die Tageshitze schon ziemlich groß ist, werden
wohl auf immer den Sibirischen Gärten jene göttliche
Früchte versagen, womit so viele europäische geschmückt
sind. Selbst die Luft scheint der Göttin Pomona hier
nicht zu behagen: Sie ist vielleicht zu dünn und zu
rein *); und sollte man hier Eudiometrische Versuche an-
stellen, so möchte sich in der hiesigen Atmosphäre viel-
leicht ein großer Antheil dephlogistisirter Luft entdecken
lassen; um so mehr, da die ungeheure Menge Nadelhöl-
zer, wie man weiß, eben diese Luftart häufig aushau-
chen.

Die hohe Lage des Landes wird wohl nicht völlig so
zu schätzen seyn, wie sie in der Vorrede zu Gmelins
Flora sibirica angenommen ist, wo bey Kiachta statt

2400
*) Wenn die hohe Lage in Betrachtung gezogen wird,
so möchte die Luft hier vielmehr zu phlogistisch zu
nenuen seyn. P.

Sievers Briefe
ſich um deſto mehr uͤber die mißlungene Verſuche der
Baumzucht wundern, da eines Theils die Natur ſchon
durch die hier haͤufig am Gebirge wild wachſende Pyrus
baccata, Prunus ſibirica
und Padus, Amygdalus nana
und pedunculata, den Weg zu bahnen ſcheint. Auch in
Abſicht der Polhoͤhe waͤre wohl ſo wenig, wie von Kaͤlte
die doch oft bis 320 ſteigt, oder Schnee Hinderniß zu be-
fuͤrchten. Aber die außerordentlich hohe Lage des hieſi-
gen Landes, der mit haͤufigem Alcali minerali vitriolato
geſchwaͤngerte Boden und die unvermutheten ſtarken
Nachtfroͤſte im Maymonat, die ſich eben beym Aufgang
der Sonne um zwey bis drey Grad gemeiniglich verſtaͤr-
ken, wenn die Tageshitze ſchon ziemlich groß iſt, werden
wohl auf immer den Sibiriſchen Gaͤrten jene goͤttliche
Fruͤchte verſagen, womit ſo viele europaͤiſche geſchmuͤckt
ſind. Selbſt die Luft ſcheint der Goͤttin Pomona hier
nicht zu behagen: Sie iſt vielleicht zu duͤnn und zu
rein *); und ſollte man hier Eudiometriſche Verſuche an-
ſtellen, ſo moͤchte ſich in der hieſigen Atmoſphaͤre viel-
leicht ein großer Antheil dephlogiſtiſirter Luft entdecken
laſſen; um ſo mehr, da die ungeheure Menge Nadelhoͤl-
zer, wie man weiß, eben dieſe Luftart haͤufig aushau-
chen.

Die hohe Lage des Landes wird wohl nicht voͤllig ſo
zu ſchaͤtzen ſeyn, wie ſie in der Vorrede zu Gmelins
Flora ſibirica angenommen iſt, wo bey Kiachta ſtatt

2400
*) Wenn die hohe Lage in Betrachtung gezogen wird,
ſo moͤchte die Luft hier vielmehr zu phlogiſtiſch zu
nenuen ſeyn. P.
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[34/0042] Sievers Briefe ſich um deſto mehr uͤber die mißlungene Verſuche der Baumzucht wundern, da eines Theils die Natur ſchon durch die hier haͤufig am Gebirge wild wachſende Pyrus baccata, Prunus ſibirica und Padus, Amygdalus nana und pedunculata, den Weg zu bahnen ſcheint. Auch in Abſicht der Polhoͤhe waͤre wohl ſo wenig, wie von Kaͤlte die doch oft bis 320 ſteigt, oder Schnee Hinderniß zu be- fuͤrchten. Aber die außerordentlich hohe Lage des hieſi- gen Landes, der mit haͤufigem Alcali minerali vitriolato geſchwaͤngerte Boden und die unvermutheten ſtarken Nachtfroͤſte im Maymonat, die ſich eben beym Aufgang der Sonne um zwey bis drey Grad gemeiniglich verſtaͤr- ken, wenn die Tageshitze ſchon ziemlich groß iſt, werden wohl auf immer den Sibiriſchen Gaͤrten jene goͤttliche Fruͤchte verſagen, womit ſo viele europaͤiſche geſchmuͤckt ſind. Selbſt die Luft ſcheint der Goͤttin Pomona hier nicht zu behagen: Sie iſt vielleicht zu duͤnn und zu rein *); und ſollte man hier Eudiometriſche Verſuche an- ſtellen, ſo moͤchte ſich in der hieſigen Atmoſphaͤre viel- leicht ein großer Antheil dephlogiſtiſirter Luft entdecken laſſen; um ſo mehr, da die ungeheure Menge Nadelhoͤl- zer, wie man weiß, eben dieſe Luftart haͤufig aushau- chen. Die hohe Lage des Landes wird wohl nicht voͤllig ſo zu ſchaͤtzen ſeyn, wie ſie in der Vorrede zu Gmelins Flora ſibirica angenommen iſt, wo bey Kiachta ſtatt 2400 *) Wenn die hohe Lage in Betrachtung gezogen wird, ſo moͤchte die Luft hier vielmehr zu phlogiſtiſch zu nenuen ſeyn. P.

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/42>, abgerufen am 24.11.2024.