Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe sirniß lakirten Hut auf dem Kopf, entgegen. Manchevon den gemeinen Mongolen näherten sich ihm in einer gebückten Stellung, die zusammengelegten Hände vor der Stirn haltend, und empfiengen so seinen Segen, indem er sie mit einem zusammengebundnen, aus losen Blättern bestehenden Buch auf den Kopf schlug. Alle Priester sind auf dem Kopfe rein abgeschoren: Bey unserm alten Lama wurde ich, nach mongoli- der
Sievers Briefe ſirniß lakirten Hut auf dem Kopf, entgegen. Manchevon den gemeinen Mongolen naͤherten ſich ihm in einer gebuͤckten Stellung, die zuſammengelegten Haͤnde vor der Stirn haltend, und empfiengen ſo ſeinen Segen, indem er ſie mit einem zuſammengebundnen, aus loſen Blaͤttern beſtehenden Buch auf den Kopf ſchlug. Alle Prieſter ſind auf dem Kopfe rein abgeſchoren: Bey unſerm alten Lama wurde ich, nach mongoli- der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/> ſirniß lakirten Hut auf dem Kopf, entgegen. Manche<lb/> von den gemeinen Mongolen naͤherten ſich ihm in einer<lb/> gebuͤckten Stellung, die zuſammengelegten Haͤnde vor<lb/> der Stirn haltend, und empfiengen ſo ſeinen Segen,<lb/> indem er ſie mit einem zuſammengebundnen, aus loſen<lb/> Blaͤttern beſtehenden Buch auf den Kopf ſchlug.</p><lb/> <p>Alle Prieſter ſind auf dem Kopfe rein abgeſchoren:<lb/> dieſes und die rothe oder gelbe Kleidung unterſcheidet ſie<lb/> von den weltlichen Mongolen welche zwar auch den<lb/> Kopf ſcheeren, aber auf dem Wirbel einen Haarſchopf ſte-<lb/> hen laſſen, der, als eine lange Haarflechte auf dem Ruͤ-<lb/> cken herunterhaͤngt. Auch Weibsleute widmen ſich dem<lb/> geiſtlichen Stand, die ſich aber nur dadurch, in ihrer<lb/> Kleidung, von andern unterſcheiden, daß ſie ein rothes<lb/> Band ſchraͤg uͤber die linke Schulter tragen. — Wol-<lb/> len Sie uͤbrigens einen genauen Begriff von der Lamai-<lb/> ſchen Geiſtlichkeit, ihrer Goͤtzenlehre und Goͤtzendienſt<lb/> haben, ſo muͤſſen Sie daruͤber die ausfuͤhrlichen Nach-<lb/> richten des Hrn. Staatsrath <hi rendition="#fr">Pallas, im zweyten<lb/> Theil</hi> ſeiner <hi rendition="#fr">Mongoliſchen Sammlungen</hi> leſen.</p><lb/> <p>Bey unſerm alten Lama wurde ich, nach mongoli-<lb/> ſcher Art, mit einem ſchoͤnen Mittagsmahl bewirthet.<lb/> Zuerſt wurde uns ein wohlbereiteter Trank von Ziegel-<lb/> thee vorgeſetzt; dann folgten einige Schalen doppelt ab-<lb/> gezognen Milchbrantwein; und endlich wurde ein friſch<lb/> geſchlachtetes und an einem hoͤlzernen Spieß gebratnes<lb/> Lamm aufgetragen. Nach der Mahlzeit wurde, ſtatt<lb/> des Coffees, ſaure Kuhmilch und darauf nochmals Zie-<lb/> gelthee ausgetheilt. Dieſer Lama, ſo wie noch mehrere<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0036]
Sievers Briefe
ſirniß lakirten Hut auf dem Kopf, entgegen. Manche
von den gemeinen Mongolen naͤherten ſich ihm in einer
gebuͤckten Stellung, die zuſammengelegten Haͤnde vor
der Stirn haltend, und empfiengen ſo ſeinen Segen,
indem er ſie mit einem zuſammengebundnen, aus loſen
Blaͤttern beſtehenden Buch auf den Kopf ſchlug.
Alle Prieſter ſind auf dem Kopfe rein abgeſchoren:
dieſes und die rothe oder gelbe Kleidung unterſcheidet ſie
von den weltlichen Mongolen welche zwar auch den
Kopf ſcheeren, aber auf dem Wirbel einen Haarſchopf ſte-
hen laſſen, der, als eine lange Haarflechte auf dem Ruͤ-
cken herunterhaͤngt. Auch Weibsleute widmen ſich dem
geiſtlichen Stand, die ſich aber nur dadurch, in ihrer
Kleidung, von andern unterſcheiden, daß ſie ein rothes
Band ſchraͤg uͤber die linke Schulter tragen. — Wol-
len Sie uͤbrigens einen genauen Begriff von der Lamai-
ſchen Geiſtlichkeit, ihrer Goͤtzenlehre und Goͤtzendienſt
haben, ſo muͤſſen Sie daruͤber die ausfuͤhrlichen Nach-
richten des Hrn. Staatsrath Pallas, im zweyten
Theil ſeiner Mongoliſchen Sammlungen leſen.
Bey unſerm alten Lama wurde ich, nach mongoli-
ſcher Art, mit einem ſchoͤnen Mittagsmahl bewirthet.
Zuerſt wurde uns ein wohlbereiteter Trank von Ziegel-
thee vorgeſetzt; dann folgten einige Schalen doppelt ab-
gezognen Milchbrantwein; und endlich wurde ein friſch
geſchlachtetes und an einem hoͤlzernen Spieß gebratnes
Lamm aufgetragen. Nach der Mahlzeit wurde, ſtatt
des Coffees, ſaure Kuhmilch und darauf nochmals Zie-
gelthee ausgetheilt. Dieſer Lama, ſo wie noch mehrere
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |