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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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aus Sibirien.

Unter den Gewächsen fiel mir für dasmal nur,
jenseits des Dorfs Possolskoi, eine äußerst schöne, auf
den sumpfigen Wiesengründen Fuß hoch und drüber wach-
sende, dunkelblaue große Jris auf, die zur Saftfarbe
vortreflich seyn müßte. Die Beschreibung in Gmelins
Flora Sibirica [er]ster Theil, S. 30. n. 28. paßt ziem-
lich vollkommen dazu. Zum Grünfärben der Bratski-
schen Corduane würde sie bessere Dienste leisten, als die
dazu gewöhnlich angewendete Scutellaria, wovon Jäh-
rig
in den Schriften der ökonomischen Gesellschaft Nach-
richt ertheilt hat.

Je weiter ich in den Gegenden über den Baikal
hinaus fortrückte, desto verschiedner kamen mir alle na-
türliche Gegenstände vor. Eine äußerst heitre Luft;
gar kein stechendes Ungeziefer, das in andern Ländern
den Reisenden so beschwerlich fällt; die Einwohner ein
Gemisch aus Russen und Mongolen oder Karym, und
wahre Mongolen; daher auch Verschiedenheit in Spra-
che und Sitten. Das mir zur Wohnung dienende Land-
haus liegt auf einer großen, mit Bergen umgebnen,
kräuterreichen, länglichtrunden Steppe, welche nach dem
darinn fließenden Bach Jwolga ihren Namen hat.
Hier sahe ich mich mit Mongolischen Wohnungen um-
geben, theils beweglichen Filzjurten, theils festen, aus
Holz gebauten, die gemeiniglich von Mongolen, welche
sich bey rußischen Besitzern als Viehhirten vermiethen,
bewohnt werden. Jch widmete hier einen ganzen Tag
dazu. um die Lebensart meiner nomadischen Nachbarn
beobachten zu können. Jch begab mich in eine der be-

sten
B
aus Sibirien.

Unter den Gewaͤchſen fiel mir fuͤr dasmal nur,
jenſeits des Dorfs Poſſolskoi, eine aͤußerſt ſchoͤne, auf
den ſumpfigen Wieſengruͤnden Fuß hoch und druͤber wach-
ſende, dunkelblaue große Jris auf, die zur Saftfarbe
vortreflich ſeyn muͤßte. Die Beſchreibung in Gmelins
Flora Sibirica [er]ſter Theil, S. 30. n. 28. paßt ziem-
lich vollkommen dazu. Zum Gruͤnfaͤrben der Bratski-
ſchen Corduane wuͤrde ſie beſſere Dienſte leiſten, als die
dazu gewoͤhnlich angewendete Scutellaria, wovon Jaͤh-
rig
in den Schriften der oͤkonomiſchen Geſellſchaft Nach-
richt ertheilt hat.

Je weiter ich in den Gegenden uͤber den Baikal
hinaus fortruͤckte, deſto verſchiedner kamen mir alle na-
tuͤrliche Gegenſtaͤnde vor. Eine aͤußerſt heitre Luft;
gar kein ſtechendes Ungeziefer, das in andern Laͤndern
den Reiſenden ſo beſchwerlich faͤllt; die Einwohner ein
Gemiſch aus Ruſſen und Mongolen oder Karym, und
wahre Mongolen; daher auch Verſchiedenheit in Spra-
che und Sitten. Das mir zur Wohnung dienende Land-
haus liegt auf einer großen, mit Bergen umgebnen,
kraͤuterreichen, laͤnglichtrunden Steppe, welche nach dem
darinn fließenden Bach Jwolga ihren Namen hat.
Hier ſahe ich mich mit Mongoliſchen Wohnungen um-
geben, theils beweglichen Filzjurten, theils feſten, aus
Holz gebauten, die gemeiniglich von Mongolen, welche
ſich bey rußiſchen Beſitzern als Viehhirten vermiethen,
bewohnt werden. Jch widmete hier einen ganzen Tag
dazu. um die Lebensart meiner nomadiſchen Nachbarn
beobachten zu koͤnnen. Jch begab mich in eine der be-

ſten
B
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[17/0025] aus Sibirien. Unter den Gewaͤchſen fiel mir fuͤr dasmal nur, jenſeits des Dorfs Poſſolskoi, eine aͤußerſt ſchoͤne, auf den ſumpfigen Wieſengruͤnden Fuß hoch und druͤber wach- ſende, dunkelblaue große Jris auf, die zur Saftfarbe vortreflich ſeyn muͤßte. Die Beſchreibung in Gmelins Flora Sibirica erſter Theil, S. 30. n. 28. paßt ziem- lich vollkommen dazu. Zum Gruͤnfaͤrben der Bratski- ſchen Corduane wuͤrde ſie beſſere Dienſte leiſten, als die dazu gewoͤhnlich angewendete Scutellaria, wovon Jaͤh- rig in den Schriften der oͤkonomiſchen Geſellſchaft Nach- richt ertheilt hat. Je weiter ich in den Gegenden uͤber den Baikal hinaus fortruͤckte, deſto verſchiedner kamen mir alle na- tuͤrliche Gegenſtaͤnde vor. Eine aͤußerſt heitre Luft; gar kein ſtechendes Ungeziefer, das in andern Laͤndern den Reiſenden ſo beſchwerlich faͤllt; die Einwohner ein Gemiſch aus Ruſſen und Mongolen oder Karym, und wahre Mongolen; daher auch Verſchiedenheit in Spra- che und Sitten. Das mir zur Wohnung dienende Land- haus liegt auf einer großen, mit Bergen umgebnen, kraͤuterreichen, laͤnglichtrunden Steppe, welche nach dem darinn fließenden Bach Jwolga ihren Namen hat. Hier ſahe ich mich mit Mongoliſchen Wohnungen um- geben, theils beweglichen Filzjurten, theils feſten, aus Holz gebauten, die gemeiniglich von Mongolen, welche ſich bey rußiſchen Beſitzern als Viehhirten vermiethen, bewohnt werden. Jch widmete hier einen ganzen Tag dazu. um die Lebensart meiner nomadiſchen Nachbarn beobachten zu koͤnnen. Jch begab mich in eine der be- ſten B

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/25>, abgerufen am 23.11.2024.