Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe höckerige, kahle Berge, denen die Kirgisen den NamenBeß-Tschocho (fünf Berge) gegeben haben. Linker Hand wurde die Steppe von dem ziemlich hohen Gebir- ge Lawa begränzt. Die erste chinesische Gränzwache Börö Taßtagan blieb uns etwa 25 Werste rechter Hand; sie ist am Fuß eines kleinen isolirten Hügels am Bugaß ins runde wie ein Städtchen gebauet. Nicht weit davon ist an dem vorbey fließenden Flüßchen Ba- sar Ackerbau. Auf unserer dürren Steppe, deren Bo- den bald ein rother eisenschüssiger, mit vielen Scherben von eisenhaltigem Schiefer vermischter, bald ein gelbli- cher oder schmutzig weißer, vom Regen und Hitze ganz fest gewordener und voller Risse seyender Lehm, mit gro- bem Granitgrieß hin und wieder überstreut war, bemerk- te ich, außer einer ungeheuren Menge Artemisia Santoni- cum, Nitraria Schoberi, einigen Salsolis, Agrostis arun- dinacea und Robinia argentea, einem schönen neuen Strauch, der sehr hoch und ästig wuchs, der Spiraea mit dem Spatelförmigen Blatte, noch die Atripiex pe- dunculata, und einen neuen kriechenden Sträuchlein, wel- ches ich für einen neuen Tamarix halte. Die ganze Steppe scheint wohl so wenig zum Ackerbau, als zur Viehzucht zu taugen. Sie muß auch zuweilen Ueber- schwemmungen ausgesetzt seyn, welches ein häufiges, fi[t]- ziges, dünn aufgeschwemmtes Gewebe bewieß. Durch diese Steppe streichen hin und wieder Schiefer in nie- drigen scharfen Kämmen oder Rücken. Tschudische Grä- ber fiengen sich auch an wieder zu zeigen. Jn der Nä- he von einem sehr großen derselben, dessen Gewölbe ein- gefal-
Sievers Briefe hoͤckerige, kahle Berge, denen die Kirgiſen den NamenBeß-Tſchocho (fuͤnf Berge) gegeben haben. Linker Hand wurde die Steppe von dem ziemlich hohen Gebir- ge Lawa begraͤnzt. Die erſte chineſiſche Graͤnzwache Boͤroͤ Taßtagan blieb uns etwa 25 Werſte rechter Hand; ſie iſt am Fuß eines kleinen iſolirten Huͤgels am Bugaß ins runde wie ein Staͤdtchen gebauet. Nicht weit davon iſt an dem vorbey fließenden Fluͤßchen Ba- ſar Ackerbau. Auf unſerer duͤrren Steppe, deren Bo- den bald ein rother eiſenſchuͤſſiger, mit vielen Scherben von eiſenhaltigem Schiefer vermiſchter, bald ein gelbli- cher oder ſchmutzig weißer, vom Regen und Hitze ganz feſt gewordener und voller Riſſe ſeyender Lehm, mit gro- bem Granitgrieß hin und wieder uͤberſtreut war, bemerk- te ich, außer einer ungeheuren Menge Artemiſia Santoni- cum, Nitraria Schoberi, einigen Salſolis, Agroſtis arun- dinacea und Robinia argentea, einem ſchoͤnen neuen Strauch, der ſehr hoch und aͤſtig wuchs, der Spiraea mit dem Spatelfoͤrmigen Blatte, noch die Atripiex pe- dunculata, und einen neuen kriechenden Straͤuchlein, wel- ches ich fuͤr einen neuen Tamarix halte. Die ganze Steppe ſcheint wohl ſo wenig zum Ackerbau, als zur Viehzucht zu taugen. Sie muß auch zuweilen Ueber- ſchwemmungen ausgeſetzt ſeyn, welches ein haͤufiges, fi[t]- ziges, duͤnn aufgeſchwemmtes Gewebe bewieß. Durch dieſe Steppe ſtreichen hin und wieder Schiefer in nie- drigen ſcharfen Kaͤmmen oder Ruͤcken. Tſchudiſche Graͤ- ber fiengen ſich auch an wieder zu zeigen. Jn der Naͤ- he von einem ſehr großen derſelben, deſſen Gewoͤlbe ein- gefal-
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Sievers Briefe
hoͤckerige, kahle Berge, denen die Kirgiſen den Namen
Beß-Tſchocho (fuͤnf Berge) gegeben haben. Linker
Hand wurde die Steppe von dem ziemlich hohen Gebir-
ge Lawa begraͤnzt. Die erſte chineſiſche Graͤnzwache
Boͤroͤ Taßtagan blieb uns etwa 25 Werſte rechter
Hand; ſie iſt am Fuß eines kleinen iſolirten Huͤgels am
Bugaß ins runde wie ein Staͤdtchen gebauet. Nicht
weit davon iſt an dem vorbey fließenden Fluͤßchen Ba-
ſar Ackerbau. Auf unſerer duͤrren Steppe, deren Bo-
den bald ein rother eiſenſchuͤſſiger, mit vielen Scherben
von eiſenhaltigem Schiefer vermiſchter, bald ein gelbli-
cher oder ſchmutzig weißer, vom Regen und Hitze ganz
feſt gewordener und voller Riſſe ſeyender Lehm, mit gro-
bem Granitgrieß hin und wieder uͤberſtreut war, bemerk-
te ich, außer einer ungeheuren Menge Artemiſia Santoni-
cum, Nitraria Schoberi, einigen Salſolis, Agroſtis arun-
dinacea und Robinia argentea, einem ſchoͤnen neuen
Strauch, der ſehr hoch und aͤſtig wuchs, der Spiraea
mit dem Spatelfoͤrmigen Blatte, noch die Atripiex pe-
dunculata, und einen neuen kriechenden Straͤuchlein, wel-
ches ich fuͤr einen neuen Tamarix halte. Die ganze
Steppe ſcheint wohl ſo wenig zum Ackerbau, als zur
Viehzucht zu taugen. Sie muß auch zuweilen Ueber-
ſchwemmungen ausgeſetzt ſeyn, welches ein haͤufiges, fit-
ziges, duͤnn aufgeſchwemmtes Gewebe bewieß. Durch
dieſe Steppe ſtreichen hin und wieder Schiefer in nie-
drigen ſcharfen Kaͤmmen oder Ruͤcken. Tſchudiſche Graͤ-
ber fiengen ſich auch an wieder zu zeigen. Jn der Naͤ-
he von einem ſehr großen derſelben, deſſen Gewoͤlbe ein-
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Zitationshilfe: | Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/190>, abgerufen am 26.07.2024. |