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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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aus Sibirien.
blasende Jnstrument gebrauchen, haben gewöhnlich ein
blasses Ansehen. Der andere Musikant accompagnirte
ihn auf einer sonderbar gemachten Geige eben so sonder-
bar: er spielte sie auf die Art, wie man eine Baßgeige
streicht. Der Resonanzboden war ohne Bedeckung; dies
zweysaytige Ding mit einem Beine hat das Ansehen ei-
nes großen hölzernen Schleifes, ist etwa eine Elle lang,
und wird Chuwuß genannt, die Schallmey hingegen
Suwusaga. Nach kirgisischer Art war der heutige
Nachmittag schon ein herrliches Fest.

Den 9ten Jul. Heute war in den benachbarten Jur-
ten ein Aß beremeß oder Gedächtnißfeyer eines Verstor-
benen. Hierbey giengs beynahe eben so her, wie oben
bey den katschinischen Tataren: die Weibsleute heulten
und die Männer soffen Kümüß, fraßen, rauchten To-
back und philosophirten.

Den 10. Jul. Jch hatte vor einigen Tagen meinen kir-
gisischen Führer Chaial, der Rhabarber wegen, über 100
Werste ausgeschickt. Dieser kam heute mit einem wohl-
habenden, nahe an der chinesischen Festung Tschigatscheck
wohnenden Kirgisen zurück, mit welchem ich mich so-
gleich in ein Gespräch einließ. Jch erfuhr durch ihn, daß
die Chinesen ohnweit der gedachten Festung ihre verkäuf-
liche Rhabarber in Plantagen ordentlich kultivirten; die
Saamen dazu erhielten sie östlich, tiefer aus dem Rei-
che. Es wäre ein Vorrath von getrockneter Rhabarber
in der Festung, die aber schon ein Kommissionär des in
Semipalatinsk wohnenden taschkinischen Kaufmanns
Bedel. Baba zu 1 Schaaf das Pfund behandelt habe,

welches

aus Sibirien.
blaſende Jnſtrument gebrauchen, haben gewoͤhnlich ein
blaſſes Anſehen. Der andere Muſikant accompagnirte
ihn auf einer ſonderbar gemachten Geige eben ſo ſonder-
bar: er ſpielte ſie auf die Art, wie man eine Baßgeige
ſtreicht. Der Reſonanzboden war ohne Bedeckung; dies
zweyſaytige Ding mit einem Beine hat das Anſehen ei-
nes großen hoͤlzernen Schleifes, iſt etwa eine Elle lang,
und wird Chuwuß genannt, die Schallmey hingegen
Suwuſagà. Nach kirgiſiſcher Art war der heutige
Nachmittag ſchon ein herrliches Feſt.

Den 9ten Jul. Heute war in den benachbarten Jur-
ten ein Aß beremeß oder Gedaͤchtnißfeyer eines Verſtor-
benen. Hierbey giengs beynahe eben ſo her, wie oben
bey den katſchiniſchen Tataren: die Weibsleute heulten
und die Maͤnner ſoffen Kuͤmuͤß, fraßen, rauchten To-
back und philoſophirten.

Den 10. Jul. Jch hatte vor einigen Tagen meinen kir-
giſiſchen Fuͤhrer Chaial, der Rhabarber wegen, uͤber 100
Werſte ausgeſchickt. Dieſer kam heute mit einem wohl-
habenden, nahe an der chineſiſchen Feſtung Tſchigatſcheck
wohnenden Kirgiſen zuruͤck, mit welchem ich mich ſo-
gleich in ein Geſpraͤch einließ. Jch erfuhr durch ihn, daß
die Chineſen ohnweit der gedachten Feſtung ihre verkaͤuf-
liche Rhabarber in Plantagen ordentlich kultivirten; die
Saamen dazu erhielten ſie oͤſtlich, tiefer aus dem Rei-
che. Es waͤre ein Vorrath von getrockneter Rhabarber
in der Feſtung, die aber ſchon ein Kommiſſionaͤr des in
Semipalatinsk wohnenden taſchkiniſchen Kaufmanns
Bedel. Babà zu 1 Schaaf das Pfund behandelt habe,

welches
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[157/0165] aus Sibirien. blaſende Jnſtrument gebrauchen, haben gewoͤhnlich ein blaſſes Anſehen. Der andere Muſikant accompagnirte ihn auf einer ſonderbar gemachten Geige eben ſo ſonder- bar: er ſpielte ſie auf die Art, wie man eine Baßgeige ſtreicht. Der Reſonanzboden war ohne Bedeckung; dies zweyſaytige Ding mit einem Beine hat das Anſehen ei- nes großen hoͤlzernen Schleifes, iſt etwa eine Elle lang, und wird Chuwuß genannt, die Schallmey hingegen Suwuſagà. Nach kirgiſiſcher Art war der heutige Nachmittag ſchon ein herrliches Feſt. Den 9ten Jul. Heute war in den benachbarten Jur- ten ein Aß beremeß oder Gedaͤchtnißfeyer eines Verſtor- benen. Hierbey giengs beynahe eben ſo her, wie oben bey den katſchiniſchen Tataren: die Weibsleute heulten und die Maͤnner ſoffen Kuͤmuͤß, fraßen, rauchten To- back und philoſophirten. Den 10. Jul. Jch hatte vor einigen Tagen meinen kir- giſiſchen Fuͤhrer Chaial, der Rhabarber wegen, uͤber 100 Werſte ausgeſchickt. Dieſer kam heute mit einem wohl- habenden, nahe an der chineſiſchen Feſtung Tſchigatſcheck wohnenden Kirgiſen zuruͤck, mit welchem ich mich ſo- gleich in ein Geſpraͤch einließ. Jch erfuhr durch ihn, daß die Chineſen ohnweit der gedachten Feſtung ihre verkaͤuf- liche Rhabarber in Plantagen ordentlich kultivirten; die Saamen dazu erhielten ſie oͤſtlich, tiefer aus dem Rei- che. Es waͤre ein Vorrath von getrockneter Rhabarber in der Feſtung, die aber ſchon ein Kommiſſionaͤr des in Semipalatinsk wohnenden taſchkiniſchen Kaufmanns Bedel. Babà zu 1 Schaaf das Pfund behandelt habe, welches

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/165>, abgerufen am 22.11.2024.