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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
ter, und nachteten in einem angenehmen graßreichen
Thale. Vor Schlafengehen lief ich noch ein wenig bo-
tanisiren, und fand in der Dämmerung Scorzonera to-
mentosa, -- Spiraea triloba
und Tragopogon croci-
folium.

Den 22. Jun. Unser Weg gieng allmälig bergan,
bis zum Ursprung des Ulan- balaka, wo es allenthaben
schöne Weide gab: eine Menge Allii altaiei foliis planis
nahmen wir mit, um das Mittagsessen dadurch schmack-
hafter zu machen. Dann verließ ich die Quellen des
Ulan, und überstieg ein ziemlich hohes Schiefergebirge,
das oben einige sehr große, graßreiche Ebenen macht,
weswegen sich auch im Sommer hier öfters Kirgisen auf-
halten. Das Herabsteigen wurde beschwerlich genug,
indem der Weg durch ein enges und steiles Thal gieng,
welches mit Schieferbrocken angefüllt war. Zu beiden
Seiten war die schöne Robinia tragacanthoides, (eine
neue Gattung) Ferula resinosa, welche die Russen Pich-
townik
nennen, Hyssopus officinarum, u. s. w. in gros-
ser Menge.

Am Flüßchen Kysyl, der in die Schulba, ohn-
weit Semipalatna fällt, und den wir sogleich erreichten,
hielten wir Mittagsruhe. Der Kysyl ist sehr fischreich;
ich ließ das mitgenommene Netz auswerfen, und man
fieng in etwa einer halben Stunde bis 15 Pfund Hechte
und Tschebakken, welche mit unserm Allio gekocht, ein
recht wohlschmeckendes Gericht gaben. Nachmittages
wurde die Hitze durch 2 starke Donnerwetter abgekühlet,
worauf wir dann um 4 Uhr weiter zogen. Das Nacht-

lager

Sievers Briefe
ter, und nachteten in einem angenehmen graßreichen
Thale. Vor Schlafengehen lief ich noch ein wenig bo-
taniſiren, und fand in der Daͤmmerung Scorzonera to-
mentoſa, — Spiraea triloba
und Tragopogon croci-
folium.

Den 22. Jun. Unſer Weg gieng allmaͤlig bergan,
bis zum Urſprung des Ulan- balaka, wo es allenthaben
ſchoͤne Weide gab: eine Menge Allii altaiei foliis planis
nahmen wir mit, um das Mittagseſſen dadurch ſchmack-
hafter zu machen. Dann verließ ich die Quellen des
Ulan, und uͤberſtieg ein ziemlich hohes Schiefergebirge,
das oben einige ſehr große, graßreiche Ebenen macht,
weswegen ſich auch im Sommer hier oͤfters Kirgiſen auf-
halten. Das Herabſteigen wurde beſchwerlich genug,
indem der Weg durch ein enges und ſteiles Thal gieng,
welches mit Schieferbrocken angefuͤllt war. Zu beiden
Seiten war die ſchoͤne Robinia tragacanthoides, (eine
neue Gattung) Ferula reſinoſa, welche die Ruſſen Pich-
townik
nennen, Hyſſopus officinarum, u. ſ. w. in groſ-
ſer Menge.

Am Fluͤßchen Kyſyl, der in die Schulba, ohn-
weit Semipalatna faͤllt, und den wir ſogleich erreichten,
hielten wir Mittagsruhe. Der Kyſyl iſt ſehr fiſchreich;
ich ließ das mitgenommene Netz auswerfen, und man
fieng in etwa einer halben Stunde bis 15 Pfund Hechte
und Tſchebakken, welche mit unſerm Allio gekocht, ein
recht wohlſchmeckendes Gericht gaben. Nachmittages
wurde die Hitze durch 2 ſtarke Donnerwetter abgekuͤhlet,
worauf wir dann um 4 Uhr weiter zogen. Das Nacht-

lager
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[116/0124] Sievers Briefe ter, und nachteten in einem angenehmen graßreichen Thale. Vor Schlafengehen lief ich noch ein wenig bo- taniſiren, und fand in der Daͤmmerung Scorzonera to- mentoſa, — Spiraea triloba und Tragopogon croci- folium. Den 22. Jun. Unſer Weg gieng allmaͤlig bergan, bis zum Urſprung des Ulan- balaka, wo es allenthaben ſchoͤne Weide gab: eine Menge Allii altaiei foliis planis nahmen wir mit, um das Mittagseſſen dadurch ſchmack- hafter zu machen. Dann verließ ich die Quellen des Ulan, und uͤberſtieg ein ziemlich hohes Schiefergebirge, das oben einige ſehr große, graßreiche Ebenen macht, weswegen ſich auch im Sommer hier oͤfters Kirgiſen auf- halten. Das Herabſteigen wurde beſchwerlich genug, indem der Weg durch ein enges und ſteiles Thal gieng, welches mit Schieferbrocken angefuͤllt war. Zu beiden Seiten war die ſchoͤne Robinia tragacanthoides, (eine neue Gattung) Ferula reſinoſa, welche die Ruſſen Pich- townik nennen, Hyſſopus officinarum, u. ſ. w. in groſ- ſer Menge. Am Fluͤßchen Kyſyl, der in die Schulba, ohn- weit Semipalatna faͤllt, und den wir ſogleich erreichten, hielten wir Mittagsruhe. Der Kyſyl iſt ſehr fiſchreich; ich ließ das mitgenommene Netz auswerfen, und man fieng in etwa einer halben Stunde bis 15 Pfund Hechte und Tſchebakken, welche mit unſerm Allio gekocht, ein recht wohlſchmeckendes Gericht gaben. Nachmittages wurde die Hitze durch 2 ſtarke Donnerwetter abgekuͤhlet, worauf wir dann um 4 Uhr weiter zogen. Das Nacht- lager

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/124>, abgerufen am 27.11.2024.