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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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aus Sibirien.
noch da. Zu jenen Zeiten war das Salz noch so häufig,
daß es nur vom Boden des Sees losgebrochen und so
ins Magazin aufgeschüttet wurde; nunmehro aber sind
einige süße Wasserquellen im Grunde entstanden, die die
Salzlauge so verdünnen, daß sie nicht mehr kristallisirt.
Und daher hat der Salzgewinn aufgehört. Die Sohle
ist aber noch so reich, daß wenn man sie versieden würde,
man ohne Verlust das reinste Salz gewinnen könnte.
Am Rande des Sees lagen große bis 3 Zoll dicke blen-
dend weisse Kuchen vom schönsten Sale mirabili Glauberi.
Zur Bewachung des Ganzen werden hier 6 Kasaken ge-
halten. -- Von hieraus zog ich weiter durch die Step-
pe bis zum kleinen russischen Dorfe Jerba, sodann 15
Werst ferner zum Dorfe Tös. Dann setzte ich 22
Werst von hier in kleinen Böten über den fünf Werste
breiten Jenisei, welche Breite durch einige Jnseln ver-
ursacht wird, und gelangte in der Festung, oder Ostrog
Abakansk an. Auf der ganzen tatarischen Steppe und
hier herum ist alles voll von uralten Grabmälern von
einer bis jetzt unbekannten Nation, die nur schlechthin
in Sibirien Tschudi genannt werden. An den vielen
aufgerichteten Steinen sah ich nirgends Jnschriften. Der
größte Theil der Einwohner vorhergenannter Dörfer sind
von der Stadt Jeniseisk etwa vor 30 bis 60 Jahren
hergenommen.

Abakansk liegt sehr angenehm situirt, hart am Je-
nisei. Man hat diesen Ort zu einer Stadt machen wol-
len, welches aber, wegen verschiedener Unbequemlichkei-
ten, nicht in Erfüllung gekommen ist. Er wurde im

vorigen
G 3

aus Sibirien.
noch da. Zu jenen Zeiten war das Salz noch ſo haͤufig,
daß es nur vom Boden des Sees losgebrochen und ſo
ins Magazin aufgeſchuͤttet wurde; nunmehro aber ſind
einige ſuͤße Waſſerquellen im Grunde entſtanden, die die
Salzlauge ſo verduͤnnen, daß ſie nicht mehr kriſtalliſirt.
Und daher hat der Salzgewinn aufgehoͤrt. Die Sohle
iſt aber noch ſo reich, daß wenn man ſie verſieden wuͤrde,
man ohne Verluſt das reinſte Salz gewinnen koͤnnte.
Am Rande des Sees lagen große bis 3 Zoll dicke blen-
dend weiſſe Kuchen vom ſchoͤnſten Sale mirabili Glauberi.
Zur Bewachung des Ganzen werden hier 6 Kaſaken ge-
halten. ‒‒ Von hieraus zog ich weiter durch die Step-
pe bis zum kleinen ruſſiſchen Dorfe Jerba, ſodann 15
Werſt ferner zum Dorfe Toͤs. Dann ſetzte ich 22
Werſt von hier in kleinen Boͤten uͤber den fuͤnf Werſte
breiten Jeniſei, welche Breite durch einige Jnſeln ver-
urſacht wird, und gelangte in der Feſtung, oder Oſtrog
Abakansk an. Auf der ganzen tatariſchen Steppe und
hier herum iſt alles voll von uralten Grabmaͤlern von
einer bis jetzt unbekannten Nation, die nur ſchlechthin
in Sibirien Tſchudi genannt werden. An den vielen
aufgerichteten Steinen ſah ich nirgends Jnſchriften. Der
groͤßte Theil der Einwohner vorhergenannter Doͤrfer ſind
von der Stadt Jeniſeisk etwa vor 30 bis 60 Jahren
hergenommen.

Abakansk liegt ſehr angenehm ſituirt, hart am Je-
niſei. Man hat dieſen Ort zu einer Stadt machen wol-
len, welches aber, wegen verſchiedener Unbequemlichkei-
ten, nicht in Erfuͤllung gekommen iſt. Er wurde im

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[101/0109] aus Sibirien. noch da. Zu jenen Zeiten war das Salz noch ſo haͤufig, daß es nur vom Boden des Sees losgebrochen und ſo ins Magazin aufgeſchuͤttet wurde; nunmehro aber ſind einige ſuͤße Waſſerquellen im Grunde entſtanden, die die Salzlauge ſo verduͤnnen, daß ſie nicht mehr kriſtalliſirt. Und daher hat der Salzgewinn aufgehoͤrt. Die Sohle iſt aber noch ſo reich, daß wenn man ſie verſieden wuͤrde, man ohne Verluſt das reinſte Salz gewinnen koͤnnte. Am Rande des Sees lagen große bis 3 Zoll dicke blen- dend weiſſe Kuchen vom ſchoͤnſten Sale mirabili Glauberi. Zur Bewachung des Ganzen werden hier 6 Kaſaken ge- halten. ‒‒ Von hieraus zog ich weiter durch die Step- pe bis zum kleinen ruſſiſchen Dorfe Jerba, ſodann 15 Werſt ferner zum Dorfe Toͤs. Dann ſetzte ich 22 Werſt von hier in kleinen Boͤten uͤber den fuͤnf Werſte breiten Jeniſei, welche Breite durch einige Jnſeln ver- urſacht wird, und gelangte in der Feſtung, oder Oſtrog Abakansk an. Auf der ganzen tatariſchen Steppe und hier herum iſt alles voll von uralten Grabmaͤlern von einer bis jetzt unbekannten Nation, die nur ſchlechthin in Sibirien Tſchudi genannt werden. An den vielen aufgerichteten Steinen ſah ich nirgends Jnſchriften. Der groͤßte Theil der Einwohner vorhergenannter Doͤrfer ſind von der Stadt Jeniſeisk etwa vor 30 bis 60 Jahren hergenommen. Abakansk liegt ſehr angenehm ſituirt, hart am Je- niſei. Man hat dieſen Ort zu einer Stadt machen wol- len, welches aber, wegen verſchiedener Unbequemlichkei- ten, nicht in Erfuͤllung gekommen iſt. Er wurde im vorigen G 3

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/109>, abgerufen am 23.11.2024.