in der Vergoldungszelle vor ihren Augen ein gemeines Metall in wenigen Augenblicken mit einer festen Hülle glänzenden Goldes bedeckte! Unsere Jugend betrachtet Telegraphie und Galvano- plastik wie Dampfmaschine und Eisenbahn schon als so selbst- verständliche Dinge, wie unsere ältere Generation, welche alle diese Wunderdinge hat mitentstehen sehen oder selbstthätig bei ihrer Erschaffung mitgewirkt hat, in ihrer Jugendzeit etwa das Schiesspulver und die Buchdruckerkunst! Man könnte sich wirk- lich versucht fühlen, die Jugend zu bedauern, dass es ihr nicht vergönnt war, diesen schöpferischen Entwicklungsprocess mitzu- erleben -- wenn man sie nicht vielmehr darum beneiden müsste, dass sie Aussicht hat, die Wunder der Zukunft mitzuerschaffen, die aus der Saat erspriessen müssen, die wir gelegt haben!
Schon bald nachdem Volta die Grundlage unserer heutigen Kenntniss des elektrischen Stromes aufgedeckt und durch die Construction der nach ihm benannten Volta'schen Säule das Mittel gefunden hatte, einen andauernden elektrischen Strom herzustellen, begannen erfindungsreiche Köpfe auch über die Nutzbarkeit die- ser neuen wunderbaren Kraft zu grübeln. Schon 1808 schlug Dr. Sömmering vor, sie zur Telegraphie zu benutzen, und stellte auch ein Modell her, welches den Zweck zu erfüllen im Stande war. Um seinen Plan ins Leben einzuführen, bedurfte es frei- lich noch langer Jahre ernster Gelehrtenarbeit. Erst nachdem neben den physiologischen, chemischen und thermischen Wir- kungen des Stromes auch noch die Fernewirkungen desselben durch Oersted entdeckt und ihre Gesetze durch Männer wie Ampere, Schweigger, Arago, Faraday, Gauss und Weber, Wheat- stone, Lenz und Jacobi, Poggendorf, Dove und viele Andere näher ergründet waren, konnte der kühne Plan Sömmering's in Erfül- lung gehen. Aber obschon die Telegraphen, welche Gauss und Weber in Göttingen, Steinheil bei München Anfangs der dreissiger Jahre wirklich herstellten, gut arbeiteten, verging doch noch ein Decennium, bis der praktische Sinn der Amerikaner und der Eng- länder die Telegraphie thatsächlich ins Leben rief. Von dieser Zeit an, seit etwa 30 Jahren, beginnt nun die Telegraphie ihre schnelle Entwickelung bis zu ihrer jetzigen hohen Bedeutung im Culturleben der Menschen. Alle Völker nehmen an diesem Wettlaufe Theil und unser deutsches Vaterland mit in erster
in der Vergoldungszelle vor ihren Augen ein gemeines Metall in wenigen Augenblicken mit einer festen Hülle glänzenden Goldes bedeckte! Unsere Jugend betrachtet Telegraphie und Galvano- plastik wie Dampfmaschine und Eisenbahn schon als so selbst- verständliche Dinge, wie unsere ältere Generation, welche alle diese Wunderdinge hat mitentstehen sehen oder selbstthätig bei ihrer Erschaffung mitgewirkt hat, in ihrer Jugendzeit etwa das Schiesspulver und die Buchdruckerkunst! Man könnte sich wirk- lich versucht fühlen, die Jugend zu bedauern, dass es ihr nicht vergönnt war, diesen schöpferischen Entwicklungsprocess mitzu- erleben — wenn man sie nicht vielmehr darum beneiden müsste, dass sie Aussicht hat, die Wunder der Zukunft mitzuerschaffen, die aus der Saat erspriessen müssen, die wir gelegt haben!
Schon bald nachdem Volta die Grundlage unserer heutigen Kenntniss des elektrischen Stromes aufgedeckt und durch die Construction der nach ihm benannten Volta’schen Säule das Mittel gefunden hatte, einen andauernden elektrischen Strom herzustellen, begannen erfindungsreiche Köpfe auch über die Nutzbarkeit die- ser neuen wunderbaren Kraft zu grübeln. Schon 1808 schlug Dr. Sömmering vor, sie zur Telegraphie zu benutzen, und stellte auch ein Modell her, welches den Zweck zu erfüllen im Stande war. Um seinen Plan ins Leben einzuführen, bedurfte es frei- lich noch langer Jahre ernster Gelehrtenarbeit. Erst nachdem neben den physiologischen, chemischen und thermischen Wir- kungen des Stromes auch noch die Fernewirkungen desselben durch Oersted entdeckt und ihre Gesetze durch Männer wie Ampère, Schweigger, Arago, Faraday, Gauss und Weber, Wheat- stone, Lenz und Jacobi, Poggendorf, Dove und viele Andere näher ergründet waren, konnte der kühne Plan Sömmering’s in Erfül- lung gehen. Aber obschon die Telegraphen, welche Gauss und Weber in Göttingen, Steinheil bei München Anfangs der dreissiger Jahre wirklich herstellten, gut arbeiteten, verging doch noch ein Decennium, bis der praktische Sinn der Amerikaner und der Eng- länder die Telegraphie thatsächlich ins Leben rief. Von dieser Zeit an, seit etwa 30 Jahren, beginnt nun die Telegraphie ihre schnelle Entwickelung bis zu ihrer jetzigen hohen Bedeutung im Culturleben der Menschen. Alle Völker nehmen an diesem Wettlaufe Theil und unser deutsches Vaterland mit in erster
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[471/0493]
in der Vergoldungszelle vor ihren Augen ein gemeines Metall in
wenigen Augenblicken mit einer festen Hülle glänzenden Goldes
bedeckte! Unsere Jugend betrachtet Telegraphie und Galvano-
plastik wie Dampfmaschine und Eisenbahn schon als so selbst-
verständliche Dinge, wie unsere ältere Generation, welche alle
diese Wunderdinge hat mitentstehen sehen oder selbstthätig bei
ihrer Erschaffung mitgewirkt hat, in ihrer Jugendzeit etwa das
Schiesspulver und die Buchdruckerkunst! Man könnte sich wirk-
lich versucht fühlen, die Jugend zu bedauern, dass es ihr nicht
vergönnt war, diesen schöpferischen Entwicklungsprocess mitzu-
erleben — wenn man sie nicht vielmehr darum beneiden müsste,
dass sie Aussicht hat, die Wunder der Zukunft mitzuerschaffen,
die aus der Saat erspriessen müssen, die wir gelegt haben!
Schon bald nachdem Volta die Grundlage unserer heutigen
Kenntniss des elektrischen Stromes aufgedeckt und durch die
Construction der nach ihm benannten Volta’schen Säule das Mittel
gefunden hatte, einen andauernden elektrischen Strom herzustellen,
begannen erfindungsreiche Köpfe auch über die Nutzbarkeit die-
ser neuen wunderbaren Kraft zu grübeln. Schon 1808 schlug
Dr. Sömmering vor, sie zur Telegraphie zu benutzen, und stellte
auch ein Modell her, welches den Zweck zu erfüllen im Stande
war. Um seinen Plan ins Leben einzuführen, bedurfte es frei-
lich noch langer Jahre ernster Gelehrtenarbeit. Erst nachdem
neben den physiologischen, chemischen und thermischen Wir-
kungen des Stromes auch noch die Fernewirkungen desselben
durch Oersted entdeckt und ihre Gesetze durch Männer wie
Ampère, Schweigger, Arago, Faraday, Gauss und Weber, Wheat-
stone, Lenz und Jacobi, Poggendorf, Dove und viele Andere näher
ergründet waren, konnte der kühne Plan Sömmering’s in Erfül-
lung gehen. Aber obschon die Telegraphen, welche Gauss und
Weber in Göttingen, Steinheil bei München Anfangs der dreissiger
Jahre wirklich herstellten, gut arbeiteten, verging doch noch ein
Decennium, bis der praktische Sinn der Amerikaner und der Eng-
länder die Telegraphie thatsächlich ins Leben rief. Von dieser
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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