Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese
Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem-
peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir
nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen-
des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden,
aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th.
noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten,
deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc.
in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser
nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit
eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi-
gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die
specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen,
die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen-
seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren
in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig-
keiten sich abstossen.

Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr
langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei
zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt,
musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig-
keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe-
gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch
von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere
und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende
Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht
gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren.

Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin-
nern, oder dieser "Schlierenbildung", wie Reyer es ausdrückt,
muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste,
so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er-
scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein-
gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht
ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die
Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der
ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt.

Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr-
heit als eine massive Glas- oder selbst Stahlkugel haben müsse,

29*

als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese
Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem-
peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir
nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen-
des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden,
aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th.
noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten,
deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc.
in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser
nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit
eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi-
gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die
specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen,
die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen-
seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren
in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig-
keiten sich abstossen.

Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr
langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei
zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt,
musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig-
keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe-
gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch
von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere
und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende
Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht
gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren.

Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin-
nern, oder dieser „Schlierenbildung“, wie Reyer es ausdrückt,
muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste,
so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er-
scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein-
gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht
ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die
Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der
ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt.

Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr-
heit als eine massive Glas- oder selbst Stahlkugel haben müsse,

29*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0473" n="451"/>
als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese<lb/>
Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem-<lb/>
peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir<lb/>
nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen-<lb/>
des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden,<lb/>
aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th.<lb/>
noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten,<lb/>
deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc.<lb/>
in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser<lb/>
nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit<lb/>
eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi-<lb/>
gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die<lb/>
specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen,<lb/>
die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen-<lb/>
seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren<lb/>
in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig-<lb/>
keiten sich abstossen.</p><lb/>
        <p>Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr<lb/>
langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei<lb/>
zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt,<lb/>
musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig-<lb/>
keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe-<lb/>
gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch<lb/>
von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere<lb/>
und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende<lb/>
Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht<lb/>
gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren.</p><lb/>
        <p>Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin-<lb/>
nern, oder dieser &#x201E;Schlierenbildung&#x201C;, wie Reyer es ausdrückt,<lb/>
muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste,<lb/>
so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er-<lb/>
scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein-<lb/>
gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht<lb/>
ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die<lb/>
Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der<lb/>
ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt.</p><lb/>
        <p>Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr-<lb/>
heit als eine massive Glas- oder selbst Stahlkugel haben müsse,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">29*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[451/0473] als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem- peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen- des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden, aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th. noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten, deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc. in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi- gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen, die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen- seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig- keiten sich abstossen. Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt, musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig- keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe- gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren. Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin- nern, oder dieser „Schlierenbildung“, wie Reyer es ausdrückt, muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste, so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er- scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein- gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt. Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr- heit als eine massive Glas- oder selbst Stahlkugel haben müsse, 29*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/473
Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/473>, abgerufen am 22.11.2024.