ihrem Kreise riss, mit jüngeren Kräften aus, deren reicher Ent- faltung in der Zukunft sie sich versichert hält. Nicht selten auch sind es schon gereifte und allgemein anerkannte Männer, die sie sich einverleibt: doch geschieht dies meist bei deren Uebersiedelung nach Berlin. Die Namen Siemens und Virchow dagegen waren längst eine hervorragende Zierde des gelehrten Berlins. Könnte am heutigen Vorgang etwas die Aussenstehen- den befremden, so wäre es, dass er erst heute vor sich ging. Aber die Verdienste, mit denen die Welt gewohnt ist, beide Namen zu verknüpfen, sind zum Theil einer Art, der Akademien naturgemäss fremd bleiben; und indem ihr Glanz den doch darin enthaltenen akademischen Kern blendend verdeckte, trugen sie seltsamerweise eher dazu bei, den heutigen Tag zu verspäten, als ihn rascher herbeizuführen.
Die praktische Anwendung der Wissenschaft, ihre Dienstbar- machung für technische Zwecke, in welcher Du, mein theurer Siemens, so Grosses geleistet, liegt ausserhalb des Kreises un- serer Beschäftigungen. Insofern diese Anwendung dem, der sich ihr mit Erfolg widmet, Reichthum, Macht und Ansehen sichert, wird sie ohne Schaden sich überlassen, und bedarf sie keiner ihr vom Staate bereiteten Stätte. Es wird ihr an Kräften und Mitteln, an ermunternder Theilnahme nie fehlen. Die Entwicke- lung der Industrie seit einem Jahrhundert, zu welcher die ge- lehrten Gesellschaften unmittelbar sehr wenig beitrugen, zeigt dies genugsam. Jedenfalls dürfte eine gute Patentgesetzgebung der Industrie mehr nützen, als unmittelbare Betheiligung der Akademien an der Lösung industrieller Aufgaben, ja ein nur zu nahe liegendes Beispiel lehrt, dass, um lebenskräftig zu gedeihen, die Industrie nicht einmal diese Hülfe braucht.
Benjamin Franklin, einer der ersten Apostel des Utilitaria- nismus, nannte den Menschen das werkzeugmachende Thier. Kaum ein Jahrhundert verfloss seitdem, und stolz fügen wir hinzu, er ist das Thier, das mit dem Dampfe reist, mit dem Blitze schreibt, mit dem Sonnenstrahle malt. Planmässige Aus- beutung der Naturschätze, methodische Bändigung der Natur- kräfte sind unstreitig eines der erhabensten Ziele, welche die Menschheit sich stecken kann, und wir nähern uns heute diesem Ziele mit einer Sicherheit und Stetigkeit, die fast jede Hoffnung
ihrem Kreise riss, mit jüngeren Kräften aus, deren reicher Ent- faltung in der Zukunft sie sich versichert hält. Nicht selten auch sind es schon gereifte und allgemein anerkannte Männer, die sie sich einverleibt: doch geschieht dies meist bei deren Uebersiedelung nach Berlin. Die Namen Siemens und Virchow dagegen waren längst eine hervorragende Zierde des gelehrten Berlins. Könnte am heutigen Vorgang etwas die Aussenstehen- den befremden, so wäre es, dass er erst heute vor sich ging. Aber die Verdienste, mit denen die Welt gewohnt ist, beide Namen zu verknüpfen, sind zum Theil einer Art, der Akademien naturgemäss fremd bleiben; und indem ihr Glanz den doch darin enthaltenen akademischen Kern blendend verdeckte, trugen sie seltsamerweise eher dazu bei, den heutigen Tag zu verspäten, als ihn rascher herbeizuführen.
Die praktische Anwendung der Wissenschaft, ihre Dienstbar- machung für technische Zwecke, in welcher Du, mein theurer Siemens, so Grosses geleistet, liegt ausserhalb des Kreises un- serer Beschäftigungen. Insofern diese Anwendung dem, der sich ihr mit Erfolg widmet, Reichthum, Macht und Ansehen sichert, wird sie ohne Schaden sich überlassen, und bedarf sie keiner ihr vom Staate bereiteten Stätte. Es wird ihr an Kräften und Mitteln, an ermunternder Theilnahme nie fehlen. Die Entwicke- lung der Industrie seit einem Jahrhundert, zu welcher die ge- lehrten Gesellschaften unmittelbar sehr wenig beitrugen, zeigt dies genugsam. Jedenfalls dürfte eine gute Patentgesetzgebung der Industrie mehr nützen, als unmittelbare Betheiligung der Akademien an der Lösung industrieller Aufgaben, ja ein nur zu nahe liegendes Beispiel lehrt, dass, um lebenskräftig zu gedeihen, die Industrie nicht einmal diese Hülfe braucht.
Benjamin Franklin, einer der ersten Apostel des Utilitaria- nismus, nannte den Menschen das werkzeugmachende Thier. Kaum ein Jahrhundert verfloss seitdem, und stolz fügen wir hinzu, er ist das Thier, das mit dem Dampfe reist, mit dem Blitze schreibt, mit dem Sonnenstrahle malt. Planmässige Aus- beutung der Naturschätze, methodische Bändigung der Natur- kräfte sind unstreitig eines der erhabensten Ziele, welche die Menschheit sich stecken kann, und wir nähern uns heute diesem Ziele mit einer Sicherheit und Stetigkeit, die fast jede Hoffnung
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ihrem Kreise riss, mit jüngeren Kräften aus, deren reicher Ent-
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auch sind es schon gereifte und allgemein anerkannte Männer,
die sie sich einverleibt: doch geschieht dies meist bei deren
Uebersiedelung nach Berlin. Die Namen Siemens und Virchow
dagegen waren längst eine hervorragende Zierde des gelehrten
Berlins. Könnte am heutigen Vorgang etwas die Aussenstehen-
den befremden, so wäre es, dass er erst heute vor sich ging.
Aber die Verdienste, mit denen die Welt gewohnt ist, beide
Namen zu verknüpfen, sind zum Theil einer Art, der Akademien
naturgemäss fremd bleiben; und indem ihr Glanz den doch darin
enthaltenen akademischen Kern blendend verdeckte, trugen sie
seltsamerweise eher dazu bei, den heutigen Tag zu verspäten,
als ihn rascher herbeizuführen.
Die praktische Anwendung der Wissenschaft, ihre Dienstbar-
machung für technische Zwecke, in welcher Du, mein theurer
Siemens, so Grosses geleistet, liegt ausserhalb des Kreises un-
serer Beschäftigungen. Insofern diese Anwendung dem, der sich
ihr mit Erfolg widmet, Reichthum, Macht und Ansehen sichert,
wird sie ohne Schaden sich überlassen, und bedarf sie keiner
ihr vom Staate bereiteten Stätte. Es wird ihr an Kräften und
Mitteln, an ermunternder Theilnahme nie fehlen. Die Entwicke-
lung der Industrie seit einem Jahrhundert, zu welcher die ge-
lehrten Gesellschaften unmittelbar sehr wenig beitrugen, zeigt
dies genugsam. Jedenfalls dürfte eine gute Patentgesetzgebung
der Industrie mehr nützen, als unmittelbare Betheiligung der
Akademien an der Lösung industrieller Aufgaben, ja ein nur zu
nahe liegendes Beispiel lehrt, dass, um lebenskräftig zu gedeihen,
die Industrie nicht einmal diese Hülfe braucht.
Benjamin Franklin, einer der ersten Apostel des Utilitaria-
nismus, nannte den Menschen das werkzeugmachende Thier.
Kaum ein Jahrhundert verfloss seitdem, und stolz fügen wir
hinzu, er ist das Thier, das mit dem Dampfe reist, mit dem
Blitze schreibt, mit dem Sonnenstrahle malt. Planmässige Aus-
beutung der Naturschätze, methodische Bändigung der Natur-
kräfte sind unstreitig eines der erhabensten Ziele, welche die
Menschheit sich stecken kann, und wir nähern uns heute diesem
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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