spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen. Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben, und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf- findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.
Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab- gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen, um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.
Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe, allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne ich darin, dass -- Dank der besseren Schulbildung und der höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit macht -- die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist, sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie, die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen- schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen
spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen. Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben, und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf- findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.
Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab- gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen, um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.
Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe, allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne ich darin, dass — Dank der besseren Schulbildung und der höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit macht — die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist, sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie, die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen- schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="326"/>
spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter<lb/>
drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen.<lb/>
Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften<lb/>
Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben,<lb/>
und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf-<lb/>
findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen<lb/>
Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.</p><lb/><p>Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab-<lb/>
gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für<lb/>
würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige<lb/>
Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe<lb/>
stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch<lb/>
nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer<lb/>
Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen,<lb/>
um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe<lb/>
von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen<lb/>
Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe<lb/>
am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.</p><lb/><p>Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die<lb/>
rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe,<lb/>
allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde<lb/>
eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende<lb/>
Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne<lb/>
ich darin, dass — Dank der besseren Schulbildung und der<lb/>
höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute<lb/>
jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache<lb/>
schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit<lb/>
macht — die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht<lb/>
mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist,<lb/>
sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise<lb/>
eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie,<lb/>
die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche<lb/>
Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der<lb/>
Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar<lb/>
grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden<lb/>
Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen<lb/>
und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen-<lb/>
schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[326/0344]
spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter
drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen.
Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften
Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben,
und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf-
findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen
Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.
Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab-
gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für
würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige
Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe
stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch
nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer
Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen,
um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe
von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen
Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe
am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.
Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die
rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe,
allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde
eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende
Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne
ich darin, dass — Dank der besseren Schulbildung und der
höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute
jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache
schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit
macht — die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht
mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist,
sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise
eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie,
die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche
Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der
Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar
grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden
Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen
und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen-
schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/344>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.