Copiren eines Widerstandsmasses nach anderen Copien -- wie es doch bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre -- die Abweichungen vom Normalmass stets grösser. Für Un- tersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in grösserer Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Copien unbrauchbar, die mit geringerer Schärfe bestimmt sind. Endlich ist es sehr wünschenswerth und bequem einen bestimmten geometrischen Begriff mit dem Widerstandsmass verbinden zu können, was bei einem Metalldraht nie der Fall sein kann, da der Widerstand der festen Körper von der Molecularbeschaffenheit derselben, so wie von nicht leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des Metalls in hohem Grade abhängig ist.
Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien mir das absolute Widerstandsmass. Man kann es nur mittels sehr vollkommener Instrumente in besonders dazu eingerichte- ten Localen und bei grosser experimenteller Gewandtheit dar- stellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi so wichtige kör- perliche Vorstellung. Endlich sind seine Zahlen durch ihre Grösse höchst unbequem.
Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen An- forderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit Leichtig- keit und in den nöthigen Genauigkeit darstellbaren Widerstands- masses, schien mir der zu sein, den Widerstand des Quecksil- bers als Einheit zu benutzen. Quecksilber ist mit grosser Leich- tigkeit in ausreichender, fast vollkommener Reinheit zu beziehen oder herzustellen. Es hat, so lange es flüssig ist, keine ver- schiedene, seine Leitungsfähigkeit modificirende Molecularbe- schaffenheit; sein Widerstand ist weniger als der der anderen einfachen Metalle von Temperaturänderungen abhängig, endlich ist sein specifischer Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungs- zahlen werden daher klein und bequem.
Ich entschloss mich also zu versuchen, ob es möglich sei, mittels gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glasröhren und gereinigten Quecksilbers durch eine geeignete Methode bestimmte Widerstandsmasse mit ausreichender Genauigkeit herzustellen. Die grösste Schwierigkeit schien darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, sich genau cylindrische Glasröhren zu verschaffen. Die käuflichen Glasröhren haben in der Regel eine grössere nebst
Copiren eines Widerstandsmasses nach anderen Copien — wie es doch bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre — die Abweichungen vom Normalmass stets grösser. Für Un- tersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in grösserer Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Copien unbrauchbar, die mit geringerer Schärfe bestimmt sind. Endlich ist es sehr wünschenswerth und bequem einen bestimmten geometrischen Begriff mit dem Widerstandsmass verbinden zu können, was bei einem Metalldraht nie der Fall sein kann, da der Widerstand der festen Körper von der Molecularbeschaffenheit derselben, so wie von nicht leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des Metalls in hohem Grade abhängig ist.
Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien mir das absolute Widerstandsmass. Man kann es nur mittels sehr vollkommener Instrumente in besonders dazu eingerichte- ten Localen und bei grosser experimenteller Gewandtheit dar- stellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi so wichtige kör- perliche Vorstellung. Endlich sind seine Zahlen durch ihre Grösse höchst unbequem.
Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen An- forderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit Leichtig- keit und in den nöthigen Genauigkeit darstellbaren Widerstands- masses, schien mir der zu sein, den Widerstand des Quecksil- bers als Einheit zu benutzen. Quecksilber ist mit grosser Leich- tigkeit in ausreichender, fast vollkommener Reinheit zu beziehen oder herzustellen. Es hat, so lange es flüssig ist, keine ver- schiedene, seine Leitungsfähigkeit modificirende Molecularbe- schaffenheit; sein Widerstand ist weniger als der der anderen einfachen Metalle von Temperaturänderungen abhängig, endlich ist sein specifischer Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungs- zahlen werden daher klein und bequem.
Ich entschloss mich also zu versuchen, ob es möglich sei, mittels gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glasröhren und gereinigten Quecksilbers durch eine geeignete Methode bestimmte Widerstandsmasse mit ausreichender Genauigkeit herzustellen. Die grösste Schwierigkeit schien darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, sich genau cylindrische Glasröhren zu verschaffen. Die käuflichen Glasröhren haben in der Regel eine grössere nebst
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Copiren eines Widerstandsmasses nach anderen Copien — wie
es doch bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre
— die Abweichungen vom Normalmass stets grösser. Für Un-
tersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in grösserer
Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Copien unbrauchbar,
die mit geringerer Schärfe bestimmt sind. Endlich ist es sehr
wünschenswerth und bequem einen bestimmten geometrischen
Begriff mit dem Widerstandsmass verbinden zu können, was bei
einem Metalldraht nie der Fall sein kann, da der Widerstand
der festen Körper von der Molecularbeschaffenheit derselben, so
wie von nicht leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des
Metalls in hohem Grade abhängig ist.
Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien
mir das absolute Widerstandsmass. Man kann es nur mittels
sehr vollkommener Instrumente in besonders dazu eingerichte-
ten Localen und bei grosser experimenteller Gewandtheit dar-
stellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi so wichtige kör-
perliche Vorstellung. Endlich sind seine Zahlen durch ihre
Grösse höchst unbequem.
Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen An-
forderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit Leichtig-
keit und in den nöthigen Genauigkeit darstellbaren Widerstands-
masses, schien mir der zu sein, den Widerstand des Quecksil-
bers als Einheit zu benutzen. Quecksilber ist mit grosser Leich-
tigkeit in ausreichender, fast vollkommener Reinheit zu beziehen
oder herzustellen. Es hat, so lange es flüssig ist, keine ver-
schiedene, seine Leitungsfähigkeit modificirende Molecularbe-
schaffenheit; sein Widerstand ist weniger als der der anderen
einfachen Metalle von Temperaturänderungen abhängig, endlich
ist sein specifischer Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungs-
zahlen werden daher klein und bequem.
Ich entschloss mich also zu versuchen, ob es möglich sei,
mittels gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glasröhren und
gereinigten Quecksilbers durch eine geeignete Methode bestimmte
Widerstandsmasse mit ausreichender Genauigkeit herzustellen.
Die grösste Schwierigkeit schien darin zu liegen, dass es nicht
möglich ist, sich genau cylindrische Glasröhren zu verschaffen.
Die käuflichen Glasröhren haben in der Regel eine grössere nebst
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/248>, abgerufen am 23.11.2024.
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