kann, viermal so gross werden, mithin im Verhältniss der Qua- drate der Drahtlängen stehen muss. Die ausgeführten Messungen der Geschwindigkeit der Elektricitätsverbreitung in Drähten haben nun die Summe der durch die Ladung und durch die Bewegungs- geschwindigkeit der Elektricität bedingten Zeitverluste gemessen von denen der erstgenannte im Verhältniss der Quadrate, der zweite im einfachen Verhältnisse der Länge der benutzten Drähte steht. Es erklären sich hierdurch die grossen Verschiedenheiten der Zahlenangaben für die Geschwindigkeit. Sie mussten um so grösser ausfallen, je kürzer und dünner die Drähte waren, mit denen experimentirt wurde. Ausserdem ist es klar, dass die wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität sehr viel grösser sein muss, wie die gemessenen Werthe, vorausgesetzt natürlich die Richtigkeit der Messungen. Es scheint sogar wahrscheinlich, dass die beobachteten Zeitunterschiede nur der Ladung der Drähte zuzuschreiben sind.
Da es nicht möglich ist, Leitungen herzustellen, bei welchen keine Flaschenladung stattfindet, so behandelt die Frage der Geschwindigkeit der Stromverbreitung stets nur einen ideellen Fall, dessen Bedingungen sich nie erfüllen lassen. Der einzige Fall, in welchem die elektrostatische Induction auf die Umge- bungen eines Drahtes in der That verschwindend klein ist, ist der, wenn derselbe spiralförmig aufgewunden ist; es tritt dann aber dafür die elektrostatische Induction der ungleich elektrischen Windungen auf sich selbst und ausserdem die elektrodynamische Induction auf, wodurch auch dieser Fall für Geschwindigkeits- messungen unbrauchbar wird. Messungen der Bewegungsge- schwindigkeit der Elektricität selbst würden sich daher nur so ausführen lassen, dass man die Verzögerung des Stromes in ver- schiedenen Entfernungen von der Batterie misst, und aus der so gebildeten Reihe die Werthe für die Ladungszeit und die Geschwindigkeit der Elektricität ableitet.
Es führen diese Betrachtungen zu der Frage, worin die auf der Oberfläche der Conductoren angesammelte sogenannte freie Elektricität eigentlich besteht, und worin sie von der Ladungs- oder sogenannten "gebundenen" Elektricität verschie- den ist.
Faraday hat bekanntlich die Ansicht aufgestellt, dass die
kann, viermal so gross werden, mithin im Verhältniss der Qua- drate der Drahtlängen stehen muss. Die ausgeführten Messungen der Geschwindigkeit der Elektricitätsverbreitung in Drähten haben nun die Summe der durch die Ladung und durch die Bewegungs- geschwindigkeit der Elektricität bedingten Zeitverluste gemessen von denen der erstgenannte im Verhältniss der Quadrate, der zweite im einfachen Verhältnisse der Länge der benutzten Drähte steht. Es erklären sich hierdurch die grossen Verschiedenheiten der Zahlenangaben für die Geschwindigkeit. Sie mussten um so grösser ausfallen, je kürzer und dünner die Drähte waren, mit denen experimentirt wurde. Ausserdem ist es klar, dass die wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität sehr viel grösser sein muss, wie die gemessenen Werthe, vorausgesetzt natürlich die Richtigkeit der Messungen. Es scheint sogar wahrscheinlich, dass die beobachteten Zeitunterschiede nur der Ladung der Drähte zuzuschreiben sind.
Da es nicht möglich ist, Leitungen herzustellen, bei welchen keine Flaschenladung stattfindet, so behandelt die Frage der Geschwindigkeit der Stromverbreitung stets nur einen ideellen Fall, dessen Bedingungen sich nie erfüllen lassen. Der einzige Fall, in welchem die elektrostatische Induction auf die Umge- bungen eines Drahtes in der That verschwindend klein ist, ist der, wenn derselbe spiralförmig aufgewunden ist; es tritt dann aber dafür die elektrostatische Induction der ungleich elektrischen Windungen auf sich selbst und ausserdem die elektrodynamische Induction auf, wodurch auch dieser Fall für Geschwindigkeits- messungen unbrauchbar wird. Messungen der Bewegungsge- schwindigkeit der Elektricität selbst würden sich daher nur so ausführen lassen, dass man die Verzögerung des Stromes in ver- schiedenen Entfernungen von der Batterie misst, und aus der so gebildeten Reihe die Werthe für die Ladungszeit und die Geschwindigkeit der Elektricität ableitet.
Es führen diese Betrachtungen zu der Frage, worin die auf der Oberfläche der Conductoren angesammelte sogenannte freie Elektricität eigentlich besteht, und worin sie von der Ladungs- oder sogenannten „gebundenen“ Elektricität verschie- den ist.
Faraday hat bekanntlich die Ansicht aufgestellt, dass die
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[188/0206]
kann, viermal so gross werden, mithin im Verhältniss der Qua-
drate der Drahtlängen stehen muss. Die ausgeführten Messungen
der Geschwindigkeit der Elektricitätsverbreitung in Drähten haben
nun die Summe der durch die Ladung und durch die Bewegungs-
geschwindigkeit der Elektricität bedingten Zeitverluste gemessen
von denen der erstgenannte im Verhältniss der Quadrate, der
zweite im einfachen Verhältnisse der Länge der benutzten Drähte
steht. Es erklären sich hierdurch die grossen Verschiedenheiten
der Zahlenangaben für die Geschwindigkeit. Sie mussten um so
grösser ausfallen, je kürzer und dünner die Drähte waren, mit
denen experimentirt wurde. Ausserdem ist es klar, dass die
wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität sehr viel grösser sein
muss, wie die gemessenen Werthe, vorausgesetzt natürlich die
Richtigkeit der Messungen. Es scheint sogar wahrscheinlich,
dass die beobachteten Zeitunterschiede nur der Ladung der Drähte
zuzuschreiben sind.
Da es nicht möglich ist, Leitungen herzustellen, bei welchen
keine Flaschenladung stattfindet, so behandelt die Frage der
Geschwindigkeit der Stromverbreitung stets nur einen ideellen
Fall, dessen Bedingungen sich nie erfüllen lassen. Der einzige
Fall, in welchem die elektrostatische Induction auf die Umge-
bungen eines Drahtes in der That verschwindend klein ist, ist
der, wenn derselbe spiralförmig aufgewunden ist; es tritt dann
aber dafür die elektrostatische Induction der ungleich elektrischen
Windungen auf sich selbst und ausserdem die elektrodynamische
Induction auf, wodurch auch dieser Fall für Geschwindigkeits-
messungen unbrauchbar wird. Messungen der Bewegungsge-
schwindigkeit der Elektricität selbst würden sich daher nur so
ausführen lassen, dass man die Verzögerung des Stromes in ver-
schiedenen Entfernungen von der Batterie misst, und aus der
so gebildeten Reihe die Werthe für die Ladungszeit und die
Geschwindigkeit der Elektricität ableitet.
Es führen diese Betrachtungen zu der Frage, worin die
auf der Oberfläche der Conductoren angesammelte sogenannte
freie Elektricität eigentlich besteht, und worin sie von der
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den ist.
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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