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Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822.

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contrapunktische Sätze enthält, die mit ihren Regeln eine besondere Gattung von
Musik bilden, während der Contrapunkt nur die besondern Arten der Setzkunst
betrifft.

Die Fuge wird entweder als eine besondere Gattung betrachtet oder ihre Sätze wer-
den nur einzeln in jedem andern Musikstücke angewandt. Sie ist ein aus 2 und meh-
rern Stimmen bestehendes Tonstück, in welchem die Stimmen den Vorsatz, (Thema,
Hauptsatz, Führer
, Lat. Dux,) und den Nachsatz, (Antwort, Lat. Comes,)
wechselsweise durch mehrere abwechselte Accorde und Tonarten, gleichsam absingen oder
sich durch Nachahmung verfolgen. Der Name Fuge ist daher wahrscheinlich von
dem lateinischen Worte fugare entstanden.

Da in derselben keine Stimmen wegbleiben und auch weiter keine mehr hinzutreten
können als zu Anfange bestimmt sind, so muß es auch bei den einmal festgesetzten ver-
bleiben. Es ist indeßen selten eine Regel ohne Ausnahme, und so ist es auch in die-
sem Falle. Es können nämlich, wenn es der Zweck erfordert, Stimmen eintreten und
abtreten.

Es giebt zwei-, drei-, vier- und mehrstimmige Fugen. Wenn mehr als vier
Stimmen in denselben vorkommen, so kann nicht jede eine Haupt-Stimme genannt
werden, weil es nur viere derselben giebt, als: Baß, Tenor, Alt und Diskant. Von
diesen 4 Stimmen müßen mithin welche verdoppelt werden. Wenn z. B. der Diskant
verdoppelt wird, so wird die Haupt-Stimme erster Diskant und die Nebenstimme
zweiter Diskant etc. genannt. Eine eigentliche Verdoppelung ist es nicht, weil jede
Stimme andre Töne hören läßt, nur werden sie unter eine Klasse deßhalb gebracht, weil
sie in Ansehung der Höhe und Tiefe, kurz des Ton-Umfangs immer den menschli-
chen Stimmen, einander gleichen. Sie müssen daher auch einerlei Schlüssel und Vor-
zeichnung erhalten.

Wie vorher erwähnt worden, ist die Fuge ein Satz und Gegensatz, die in ver-
schiedenen Stimmen nach einander wiederholt, nachgeahmt oder versetzt
werden, und diese Art und Weise der technischen Behandlung eines Satzes erzeugt den
Haupt-Charakter einer Fuge.

1) Die Wiederholung nennt man einen Satz, der in den nämlichen Tönen und
der nämlichen rhythmischen Figur noch einmal wiederholt wird.

2) Eine Wiederbolung in den nämlichen Tönen aber in einer andern Stimme
wird auch Nachahmung genannt. Wird ein Satz noch einmal in der nämlichen
rhythmischen Figur
, aber in einer andern Stimme und in andern Tönen
wiederholt, so heißt es ebenfalls eine Nachahmung.

Die Nachahmung ist ein wesentlicher Theil des Charakters der Fuge, und ge-
schieht entweder 1) in der Prime, 2) Secunde, 3) Terz, 4) Quarte, 5) Quinte, 6) Sex-

te,

contrapunktiſche Saͤtze enthaͤlt, die mit ihren Regeln eine beſondere Gattung von
Muſik bilden, waͤhrend der Contrapunkt nur die beſondern Arten der Setzkunſt
betrifft.

Die Fuge wird entweder als eine beſondere Gattung betrachtet oder ihre Saͤtze wer-
den nur einzeln in jedem andern Muſikſtuͤcke angewandt. Sie iſt ein aus 2 und meh-
rern Stimmen beſtehendes Tonſtuͤck, in welchem die Stimmen den Vorſatz, (Thema,
Hauptſatz, Fuͤhrer
, Lat. Dux,) und den Nachſatz, (Antwort, Lat. Comes,)
wechſelsweiſe durch mehrere abwechſelte Accorde und Tonarten, gleichſam abſingen oder
ſich durch Nachahmung verfolgen. Der Name Fuge iſt daher wahrſcheinlich von
dem lateiniſchen Worte fugare entſtanden.

Da in derſelben keine Stimmen wegbleiben und auch weiter keine mehr hinzutreten
koͤnnen als zu Anfange beſtimmt ſind, ſo muß es auch bei den einmal feſtgeſetzten ver-
bleiben. Es iſt indeßen ſelten eine Regel ohne Ausnahme, und ſo iſt es auch in die-
ſem Falle. Es koͤnnen naͤmlich, wenn es der Zweck erfordert, Stimmen eintreten und
abtreten.

Es giebt zwei-, drei-, vier- und mehrſtimmige Fugen. Wenn mehr als vier
Stimmen in denſelben vorkommen, ſo kann nicht jede eine Haupt-Stimme genannt
werden, weil es nur viere derſelben giebt, als: Baß, Tenor, Alt und Diskant. Von
dieſen 4 Stimmen muͤßen mithin welche verdoppelt werden. Wenn z. B. der Diskant
verdoppelt wird, ſo wird die Haupt-Stimme erſter Diskant und die Nebenſtimme
zweiter Diskant ꝛc. genannt. Eine eigentliche Verdoppelung iſt es nicht, weil jede
Stimme andre Toͤne hoͤren laͤßt, nur werden ſie unter eine Klaſſe deßhalb gebracht, weil
ſie in Anſehung der Hoͤhe und Tiefe, kurz des Ton-Umfangs immer den menſchli-
chen Stimmen, einander gleichen. Sie muͤſſen daher auch einerlei Schluͤſſel und Vor-
zeichnung erhalten.

Wie vorher erwaͤhnt worden, iſt die Fuge ein Satz und Gegenſatz, die in ver-
ſchiedenen Stimmen nach einander wiederholt, nachgeahmt oder verſetzt
werden, und dieſe Art und Weiſe der techniſchen Behandlung eines Satzes erzeugt den
Haupt-Charakter einer Fuge.

1) Die Wiederholung nennt man einen Satz, der in den naͤmlichen Toͤnen und
der naͤmlichen rhythmiſchen Figur noch einmal wiederholt wird.

2) Eine Wiederbolung in den naͤmlichen Toͤnen aber in einer andern Stimme
wird auch Nachahmung genannt. Wird ein Satz noch einmal in der naͤmlichen
rhythmiſchen Figur
, aber in einer andern Stimme und in andern Toͤnen
wiederholt, ſo heißt es ebenfalls eine Nachahmung.

Die Nachahmung iſt ein weſentlicher Theil des Charakters der Fuge, und ge-
ſchieht entweder 1) in der Prime, 2) Secunde, 3) Terz, 4) Quarte, 5) Quinte, 6) Sex-

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[224/0242] contrapunktiſche Saͤtze enthaͤlt, die mit ihren Regeln eine beſondere Gattung von Muſik bilden, waͤhrend der Contrapunkt nur die beſondern Arten der Setzkunſt betrifft. Die Fuge wird entweder als eine beſondere Gattung betrachtet oder ihre Saͤtze wer- den nur einzeln in jedem andern Muſikſtuͤcke angewandt. Sie iſt ein aus 2 und meh- rern Stimmen beſtehendes Tonſtuͤck, in welchem die Stimmen den Vorſatz, (Thema, Hauptſatz, Fuͤhrer, Lat. Dux,) und den Nachſatz, (Antwort, Lat. Comes,) wechſelsweiſe durch mehrere abwechſelte Accorde und Tonarten, gleichſam abſingen oder ſich durch Nachahmung verfolgen. Der Name Fuge iſt daher wahrſcheinlich von dem lateiniſchen Worte fugare entſtanden. Da in derſelben keine Stimmen wegbleiben und auch weiter keine mehr hinzutreten koͤnnen als zu Anfange beſtimmt ſind, ſo muß es auch bei den einmal feſtgeſetzten ver- bleiben. Es iſt indeßen ſelten eine Regel ohne Ausnahme, und ſo iſt es auch in die- ſem Falle. Es koͤnnen naͤmlich, wenn es der Zweck erfordert, Stimmen eintreten und abtreten. Es giebt zwei-, drei-, vier- und mehrſtimmige Fugen. Wenn mehr als vier Stimmen in denſelben vorkommen, ſo kann nicht jede eine Haupt-Stimme genannt werden, weil es nur viere derſelben giebt, als: Baß, Tenor, Alt und Diskant. Von dieſen 4 Stimmen muͤßen mithin welche verdoppelt werden. Wenn z. B. der Diskant verdoppelt wird, ſo wird die Haupt-Stimme erſter Diskant und die Nebenſtimme zweiter Diskant ꝛc. genannt. Eine eigentliche Verdoppelung iſt es nicht, weil jede Stimme andre Toͤne hoͤren laͤßt, nur werden ſie unter eine Klaſſe deßhalb gebracht, weil ſie in Anſehung der Hoͤhe und Tiefe, kurz des Ton-Umfangs immer den menſchli- chen Stimmen, einander gleichen. Sie muͤſſen daher auch einerlei Schluͤſſel und Vor- zeichnung erhalten. Wie vorher erwaͤhnt worden, iſt die Fuge ein Satz und Gegenſatz, die in ver- ſchiedenen Stimmen nach einander wiederholt, nachgeahmt oder verſetzt werden, und dieſe Art und Weiſe der techniſchen Behandlung eines Satzes erzeugt den Haupt-Charakter einer Fuge. 1) Die Wiederholung nennt man einen Satz, der in den naͤmlichen Toͤnen und der naͤmlichen rhythmiſchen Figur noch einmal wiederholt wird. 2) Eine Wiederbolung in den naͤmlichen Toͤnen aber in einer andern Stimme wird auch Nachahmung genannt. Wird ein Satz noch einmal in der naͤmlichen rhythmiſchen Figur, aber in einer andern Stimme und in andern Toͤnen wiederholt, ſo heißt es ebenfalls eine Nachahmung. Die Nachahmung iſt ein weſentlicher Theil des Charakters der Fuge, und ge- ſchieht entweder 1) in der Prime, 2) Secunde, 3) Terz, 4) Quarte, 5) Quinte, 6) Sex- te,

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Zitationshilfe: Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822/242>, abgerufen am 24.11.2024.