Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Zeugnisse fest durchgedrungen. Darauf sich denn Fr. Justinaauf alle Weise bemühet/ weil sie Gebärerin bereit sehr schwach/ und fast in letzten Zügen gelegen/ auch/ wie Fr. Justina gemeldet/ das Kind damahls schon todt/ und übeln Geruch von sich gegeben/ und also bey solcher Beschaffenheit des Kindes Häuptlein unmöglich zuge- winnen gewesen/ sonderlich/ weil ihm das Waßer schon gantz entgangen/ und eine gantz trockene Geburt erfol- gen müßen/ auch die Fr. Justina ihrem Vorgeben nach/ kein ander Mittel gewußt/ vor itzo nur die Füßlein des Kindes zu suchen/ und hiedurch sie als Mutter zu ret- ten. Womit denn Fr. Justina Angriff gethan/ und den Arm bis zum Ellenbogen hinein gebracht/ auch/ hierauf folgende Worte gesaget: Es ist hier wol sehr schwer/ doch weil mir noch kein Kind im Mutterleibe geblieben/ so wird mir auch GOtt hier helffen. Hät- te damit ein glattes Stöcklein und eine Schnure von drey Ellen begehret; Worauf ihr Fr. Hütterin ein Licht- Spießlein zusammt der Schnure gebracht/ auf ihr Be- gehren das Stöcklein oben zu eingekärbet/ und die Schnure in der Mitten eingeqvetschet. Darauf Fr. Justina das Stöcklein mit der eingeqvetschten Schnu- re genommen/ und selbiges zwischen ihrem Arm und dem todten Kinde biß zu ihrer im Leibe annoch verblie- benen Hand geführet: Da sie dann weiter nicht gewußt/ was sie damit im Leibe gethan. Hierauf wäre end- lich das Kind/ ob zwar todt/ dennoch zur Welt geboh- ren
Zeugniſſe feſt durchgedrungen. Darauf ſich denn Fr. Juſtinaauf alle Weiſe bemuͤhet/ weil ſie Gebaͤrerin bereit ſehr ſchwach/ und faſt in letzten Zuͤgen gelegen/ auch/ wie Fr. Juſtina gemeldet/ das Kind damahls ſchon todt/ und uͤbeln Geruch von ſich gegeben/ und alſo bey ſolcher Beſchaffenheit des Kindes Haͤuptlein unmoͤglich zuge- winnen geweſen/ ſonderlich/ weil ihm das Waßer ſchon gantz entgangen/ und eine gantz trockene Geburt erfol- gen muͤßen/ auch die Fr. Juſtina ihrem Vorgeben nach/ kein ander Mittel gewußt/ vor itzo nur die Fuͤßlein des Kindes zu ſuchen/ und hiedurch ſie als Mutter zu ret- ten. Womit denn Fr. Juſtina Angriff gethan/ und den Arm bis zum Ellenbogen hinein gebracht/ auch/ hierauf folgende Worte geſaget: Es iſt hier wol ſehr ſchwer/ doch weil mir noch kein Kind im Mutterleibe geblieben/ ſo wird mir auch GOtt hier helffen. Haͤt- te damit ein glattes Stoͤcklein und eine Schnure von drey Ellen begehret; Worauf ihr Fr. Huͤtterin ein Licht- Spießlein zuſammt der Schnure gebracht/ auf ihr Be- gehren das Stoͤcklein oben zu eingekaͤrbet/ und die Schnure in der Mitten eingeqvetſchet. Darauf Fr. Juſtina das Stoͤcklein mit der eingeqvetſchten Schnu- re genommen/ und ſelbiges zwiſchen ihrem Arm und dem todten Kinde biß zu ihrer im Leibe annoch verblie- benen Hand gefuͤhret: Da ſie dann weiter nicht gewußt/ was ſie damit im Leibe gethan. Hierauf waͤre end- lich das Kind/ ob zwar todt/ dennoch zur Welt geboh- ren
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Zeugniſſe
feſt durchgedrungen. Darauf ſich denn Fr. Juſtina
auf alle Weiſe bemuͤhet/ weil ſie Gebaͤrerin bereit ſehr
ſchwach/ und faſt in letzten Zuͤgen gelegen/ auch/ wie
Fr. Juſtina gemeldet/ das Kind damahls ſchon todt/
und uͤbeln Geruch von ſich gegeben/ und alſo bey ſolcher
Beſchaffenheit des Kindes Haͤuptlein unmoͤglich zuge-
winnen geweſen/ ſonderlich/ weil ihm das Waßer ſchon
gantz entgangen/ und eine gantz trockene Geburt erfol-
gen muͤßen/ auch die Fr. Juſtina ihrem Vorgeben nach/
kein ander Mittel gewußt/ vor itzo nur die Fuͤßlein des
Kindes zu ſuchen/ und hiedurch ſie als Mutter zu ret-
ten. Womit denn Fr. Juſtina Angriff gethan/ und
den Arm bis zum Ellenbogen hinein gebracht/ auch/
hierauf folgende Worte geſaget: Es iſt hier wol ſehr
ſchwer/ doch weil mir noch kein Kind im Mutterleibe
geblieben/ ſo wird mir auch GOtt hier helffen. Haͤt-
te damit ein glattes Stoͤcklein und eine Schnure von
drey Ellen begehret; Worauf ihr Fr. Huͤtterin ein Licht-
Spießlein zuſammt der Schnure gebracht/ auf ihr Be-
gehren das Stoͤcklein oben zu eingekaͤrbet/ und die
Schnure in der Mitten eingeqvetſchet. Darauf Fr.
Juſtina das Stoͤcklein mit der eingeqvetſchten Schnu-
re genommen/ und ſelbiges zwiſchen ihrem Arm und
dem todten Kinde biß zu ihrer im Leibe annoch verblie-
benen Hand gefuͤhret: Da ſie dann weiter nicht gewußt/
was ſie damit im Leibe gethan. Hierauf waͤre end-
lich das Kind/ ob zwar todt/ dennoch zur Welt geboh-
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Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/299>, abgerufen am 16.02.2025. |