Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Das VI. Capitel. war nichts zu fühlen/ wobey ich mir denn keinen Rath auch keinenAusgang erdencken konte. Ließ also den Hn. Physicum wieder zu mir bitten/ welcher auch nicht wußte/ wie zu helffen. Es funden sich aber in der sechsten Stunde nach der Genesung/ abwechßlungs weise Mattigkeiten und Ubel seyn/ solches hielt so lange an/ bis die schwe- re Noth dazu kam. Auf das letzte stieß ihr das Blut in wäh- render schwerer Kranckheit zum Halse herauß/ bis sie verschied. Bin also bis diese Stunde dabey in Furcht gerathen/ wiewol mich GOtt seit der Zeit vor dergleichen Begebenheiten in Gna- den behütet hat/ und habe also ich/ und eine jede Wehe-Mutter neben mir/ Ursache den lieben GOtt um Seegen und Göttlichen Beystand zu bitten. Sonsten kan ich wol mit gutem Gewissen sa- gen/ daß mir kein Kind im Mutter-Leibe vorgekommen/ dem nicht mit Wenden hätte können geholffen werden/ so daß zum wenig- sten die Mutter ist vom Kinde entlediget und gerettet worden/ dafür ich auch GOtt hertzlich dancke/ und ferner um Beystand/ Schutz und Seegen bitte; Aber dieser Zustand wegen Anwach- sung der Nachgeburt/ ist mir schwerer und gefährlicher unter Händen kommen/ und unmöglich zu retten gewesen/ als bey allen Geburten und Wendungen der Kinder. GOtt behüte mich und alle Menschen vor dergleichen Gefahr. Ich muß doch noch einmahl der angewachsenen Nachgeburt gedencken/ indem mir erst neulich dergleichen Zustand begegnet. Weil dann die vorher erwehnte Frauen alle das Leben lassen müssen/ bey denen die Nachgeburt angewachsen gewesen/ so resolvirte ich mich bey dieser Gelegenheit die Abschälung zu versuchen/ ob es angehen könte/ massen allem Ansehen nach/ diese Frau doch sterben mußte. Faßete also die Nabelschnure mit der lincken Hand etwas scharff an/ doch so scharff nicht/ daß ich sie abreißen konte/ sondern so scharff daß sich die Nach- geburt bey der Nabelschnur/ da sie angewachsen ist/ etwas weniges in die Höhe ziehen ließ. Hierauff drang ich mit dem
Das VI. Capitel. war nichts zu fuͤhlen/ wobey ich mir denn keinen Rath auch keinenAusgang erdencken konte. Ließ alſo den Hn. Phyſicum wieder zu mir bitten/ welcher auch nicht wußte/ wie zu helffen. Es funden ſich aber in der ſechſten Stunde nach der Geneſung/ abwechßlungs weiſe Mattigkeiten und Ubel ſeyn/ ſolches hielt ſo lange an/ bis die ſchwe- re Noth dazu kam. Auf das letzte ſtieß ihr das Blut in waͤh- render ſchwerer Kranckheit zum Halſe herauß/ bis ſie verſchied. Bin alſo bis dieſe Stunde dabey in Furcht gerathen/ wiewol mich GOtt ſeit der Zeit vor dergleichen Begebenheiten in Gna- den behuͤtet hat/ und habe alſo ich/ und eine jede Wehe-Mutter neben mir/ Urſache den lieben GOtt um Seegen und Goͤttlichen Beyſtand zu bitten. Sonſten kan ich wol mit gutem Gewiſſen ſa- gen/ daß mir kein Kind im Mutter-Leibe vorgekommen/ dem nicht mit Wenden haͤtte koͤnnen geholffen werden/ ſo daß zum wenig- ſten die Mutter iſt vom Kinde entlediget und gerettet worden/ dafuͤr ich auch GOtt hertzlich dancke/ und ferner um Beyſtand/ Schutz und Seegen bitte; Aber dieſer Zuſtand wegen Anwach- ſung der Nachgeburt/ iſt mir ſchwerer und gefaͤhrlicher unter Haͤnden kommen/ und unmoͤglich zu retten geweſen/ als bey allen Geburten und Wendungen der Kinder. GOtt behuͤte mich und alle Menſchen vor dergleichen Gefahr. Ich muß doch noch einmahl der angewachſenen Nachgeburt gedencken/ indem mir erſt neulich dergleichen Zuſtand begegnet. Weil dann die vorher erwehnte Frauen alle das Leben laſſen muͤſſen/ bey denen die Nachgeburt angewachſen geweſen/ ſo reſolvirte ich mich bey dieſer Gelegenheit die Abſchaͤlung zu verſuchen/ ob es angehen koͤnte/ maſſen allem Anſehen nach/ dieſe Frau doch ſterben mußte. Faßete alſo die Nabelſchnure mit der lincken Hand etwas ſcharff an/ doch ſo ſcharff nicht/ daß ich ſie abreißen konte/ ſondern ſo ſcharff daß ſich die Nach- geburt bey der Nabelſchnur/ da ſie angewachſen iſt/ etwas weniges in die Hoͤhe ziehen ließ. Hierauff drang ich mit dem
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Das VI. Capitel.
war nichts zu fuͤhlen/ wobey ich mir denn keinen Rath auch keinen
Ausgang erdencken konte. Ließ alſo den Hn. Phyſicum wieder zu
mir bitten/ welcher auch nicht wußte/ wie zu helffen. Es funden ſich
aber in der ſechſten Stunde nach der Geneſung/ abwechßlungs weiſe
Mattigkeiten und Ubel ſeyn/ ſolches hielt ſo lange an/ bis die ſchwe-
re Noth dazu kam. Auf das letzte ſtieß ihr das Blut in waͤh-
render ſchwerer Kranckheit zum Halſe herauß/ bis ſie verſchied.
Bin alſo bis dieſe Stunde dabey in Furcht gerathen/ wiewol
mich GOtt ſeit der Zeit vor dergleichen Begebenheiten in Gna-
den behuͤtet hat/ und habe alſo ich/ und eine jede Wehe-Mutter
neben mir/ Urſache den lieben GOtt um Seegen und Goͤttlichen
Beyſtand zu bitten. Sonſten kan ich wol mit gutem Gewiſſen ſa-
gen/ daß mir kein Kind im Mutter-Leibe vorgekommen/ dem nicht
mit Wenden haͤtte koͤnnen geholffen werden/ ſo daß zum wenig-
ſten die Mutter iſt vom Kinde entlediget und gerettet worden/
dafuͤr ich auch GOtt hertzlich dancke/ und ferner um Beyſtand/
Schutz und Seegen bitte; Aber dieſer Zuſtand wegen Anwach-
ſung der Nachgeburt/ iſt mir ſchwerer und gefaͤhrlicher unter
Haͤnden kommen/ und unmoͤglich zu retten geweſen/ als bey
allen Geburten und Wendungen der Kinder. GOtt behuͤte
mich und alle Menſchen vor dergleichen Gefahr. Ich muß doch
noch einmahl der angewachſenen Nachgeburt gedencken/ indem
mir erſt neulich dergleichen Zuſtand begegnet. Weil dann die
vorher erwehnte Frauen alle das Leben laſſen muͤſſen/ bey
denen die Nachgeburt angewachſen geweſen/ ſo reſolvirte
ich mich bey dieſer Gelegenheit die Abſchaͤlung zu verſuchen/
ob es angehen koͤnte/ maſſen allem Anſehen nach/ dieſe Frau
doch ſterben mußte. Faßete alſo die Nabelſchnure mit der
lincken Hand etwas ſcharff an/ doch ſo ſcharff nicht/ daß
ich ſie abreißen konte/ ſondern ſo ſcharff daß ſich die Nach-
geburt bey der Nabelſchnur/ da ſie angewachſen iſt/ etwas
weniges in die Hoͤhe ziehen ließ. Hierauff drang ich mit
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