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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Das VI. Capitel
läufft: Ofters laufet es etliche Tage/ oder etliche Stunden
vor der Geburt/ ehe noch einige Wehen seyn/ was ist denn
die Schuld? Kan ihm auch durch Artzney Mittel geholf-
fen werden?
Just. Diese/ oder dergleichen Blut-Stürtzung nahe vor-
und unter der Geburt/ ist einmahl beßer als das andere durch
Artzney-Mittel zu stillen. Ich habe allhier bey einer vorneh-
men Frauen solche Blutstürtzung gehabt/ da die Nachgeburt
nicht vorgefallen war/ es war ihr erstes Kind/ da sie mit ein-
kommen sollte/ so fand sich das Geblüte häuffig/ ehe noch einige
Wehen waren/ ja so hefftig/ daß diese Frau in drey oder vier
Stunden mit dem Tode rang. Was aber die Ursache war/ daß
sich das Geblüte so ergoß/ weiß GOtt/ ich aber nicht. Des Kin-
des Leben war nicht mehr zu fühlen. Die Frau fieng an zu
phantasiren; Hände/ Füße und der Kopff waren durch kalten
Schweiß als ein Eiß/ daß also wenig oder keine Hoffnung des
Lebens vor Mutter und Kind mehr übrig war. Den Pulß
konte man schweer und ofters lange nicht fühlen. Es wolte kei-
ne Artzney mehr anschlagen/ so daß/ wie vor gesagt/ vor mensch-
lichen Augen keine Hoffnung des Lebens übrig. Dennoch
schlug ich dieses Mittel dem Hn. Doctor vor: Ich wolte eine
Haar-Nadel nehmen/ und das Netze/ welches des Kindes
Wasser beschleußt/ durchstechen/ in dem bey vorher gehen-
der Geburt das Blut sich bald pflegte zu stillen/ wenn ich
die Nachgeburt durchstochen hätte/ daß das Kinderwasser
weg lieffe/ alsdann drängete sich die Frucht zum Gebähren
an- und ein/ das Kind sey tod oder lebendig.
Die Hn. Doctores
beschlossen/ ich solte das thun. So bald es geschehen/ gieng das ge-
wöhnliche Kinder-Wasser fort/ und das Kind/ weil es recht zur
Geburt stand/ drang mit dem Kopffe ein/ und das Geblüte ließ
nach/ drauf funden sich etliche Wehen/ daß ich bald eine glück-
liche Geburt hoffete: Weil aber der Frauen Kräffte gantz weg
waren/
Das VI. Capitel
laͤufft: Ofters laufet es etliche Tage/ oder etliche Stunden
vor der Geburt/ ehe noch einige Wehen ſeyn/ was iſt denn
die Schuld? Kan ihm auch durch Artzney Mittel geholf-
fen werden?
Juſt. Dieſe/ oder dergleichen Blut-Stuͤrtzung nahe vor-
und unter der Geburt/ iſt einmahl beßer als das andere durch
Artzney-Mittel zu ſtillen. Ich habe allhier bey einer vorneh-
men Frauen ſolche Blutſtuͤrtzung gehabt/ da die Nachgeburt
nicht vorgefallen war/ es war ihr erſtes Kind/ da ſie mit ein-
kommen ſollte/ ſo fand ſich das Gebluͤte haͤuffig/ ehe noch einige
Wehen waren/ ja ſo hefftig/ daß dieſe Frau in drey oder vier
Stunden mit dem Tode rang. Was aber die Urſache war/ daß
ſich das Gebluͤte ſo ergoß/ weiß GOtt/ ich aber nicht. Des Kin-
des Leben war nicht mehr zu fuͤhlen. Die Frau fieng an zu
phantaſiren; Haͤnde/ Fuͤße und der Kopff waren durch kalten
Schweiß als ein Eiß/ daß alſo wenig oder keine Hoffnung des
Lebens vor Mutter und Kind mehr uͤbrig war. Den Pulß
konte man ſchweer und ofters lange nicht fuͤhlen. Es wolte kei-
ne Artzney mehr anſchlagen/ ſo daß/ wie vor geſagt/ vor menſch-
lichen Augen keine Hoffnung des Lebens uͤbrig. Dennoch
ſchlug ich dieſes Mittel dem Hn. Doctor vor: Ich wolte eine
Haar-Nadel nehmen/ und das Netze/ welches des Kindes
Waſſer beſchleußt/ durchſtechen/ in dem bey vorher gehen-
der Geburt das Blut ſich bald pflegte zu ſtillen/ wenn ich
die Nachgeburt durchſtochen haͤtte/ daß das Kinderwaſſer
weg lieffe/ alsdann draͤngete ſich die Frucht zum Gebaͤhren
an- und ein/ das Kind ſey tod oder lebendig.
Die Hn. Doctores
beſchloſſen/ ich ſolte das thun. So bald es geſchehen/ gieng das ge-
woͤhnliche Kinder-Waſſer fort/ und das Kind/ weil es recht zur
Geburt ſtand/ drang mit dem Kopffe ein/ und das Gebluͤte ließ
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[112/0239] Das VI. Capitel laͤufft: Ofters laufet es etliche Tage/ oder etliche Stunden vor der Geburt/ ehe noch einige Wehen ſeyn/ was iſt denn die Schuld? Kan ihm auch durch Artzney Mittel geholf- fen werden? Juſt. Dieſe/ oder dergleichen Blut-Stuͤrtzung nahe vor- und unter der Geburt/ iſt einmahl beßer als das andere durch Artzney-Mittel zu ſtillen. Ich habe allhier bey einer vorneh- men Frauen ſolche Blutſtuͤrtzung gehabt/ da die Nachgeburt nicht vorgefallen war/ es war ihr erſtes Kind/ da ſie mit ein- kommen ſollte/ ſo fand ſich das Gebluͤte haͤuffig/ ehe noch einige Wehen waren/ ja ſo hefftig/ daß dieſe Frau in drey oder vier Stunden mit dem Tode rang. Was aber die Urſache war/ daß ſich das Gebluͤte ſo ergoß/ weiß GOtt/ ich aber nicht. Des Kin- des Leben war nicht mehr zu fuͤhlen. Die Frau fieng an zu phantaſiren; Haͤnde/ Fuͤße und der Kopff waren durch kalten Schweiß als ein Eiß/ daß alſo wenig oder keine Hoffnung des Lebens vor Mutter und Kind mehr uͤbrig war. Den Pulß konte man ſchweer und ofters lange nicht fuͤhlen. Es wolte kei- ne Artzney mehr anſchlagen/ ſo daß/ wie vor geſagt/ vor menſch- lichen Augen keine Hoffnung des Lebens uͤbrig. Dennoch ſchlug ich dieſes Mittel dem Hn. Doctor vor: Ich wolte eine Haar-Nadel nehmen/ und das Netze/ welches des Kindes Waſſer beſchleußt/ durchſtechen/ in dem bey vorher gehen- der Geburt das Blut ſich bald pflegte zu ſtillen/ wenn ich die Nachgeburt durchſtochen haͤtte/ daß das Kinderwaſſer weg lieffe/ alsdann draͤngete ſich die Frucht zum Gebaͤhren an- und ein/ das Kind ſey tod oder lebendig. Die Hn. Doctores beſchloſſen/ ich ſolte das thun. So bald es geſchehen/ gieng das ge- woͤhnliche Kinder-Waſſer fort/ und das Kind/ weil es recht zur Geburt ſtand/ drang mit dem Kopffe ein/ und das Gebluͤte ließ nach/ drauf funden ſich etliche Wehen/ daß ich bald eine gluͤck- liche Geburt hoffete: Weil aber der Frauen Kraͤffte gantz weg waren/

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/239>, abgerufen am 23.11.2024.