Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite
Das V. Capitel
sen und auftreiben/ wenn keine durchdringende Wehen ge-
wesen wären? Woher ist denn solche Gefahr kommen/ vor
Mutter und Kind/ wie du hier zeigest? denn die Frau
wird ja durch die Wehen gezwungen worden seyn/ es von
sich zu sagen/ so wird ja auch die Wehe-Mutter nicht blind
gewesen seyn/ dergleichen Wehen der Frau anzusehen/
denn die rechte durchdringende Wehen sich nicht verbergen
und verbeißen laßen. Kan mich also in diese Rede noch
nicht finden?
Just. Ich wil dir die Unwissenheit zeigen/ woraus diese
Gefahr kommet/ daß du dich in acht nehmen kanst samt den Frau-
en/ so in diesem Wahn seyn/ der Angriff der Wehe-Mutter sey
unnöthig vor den eusersten durchdringenden Wehen. Hiebey
mußt du wissen/ daß bey unrecht-liegenden Kindern/ wie ich dir
gnugsam zuvor erwehnet/ als wo das Kind qver über die Ge-
burt lieget/ keine durchdringende Wehen kommen können. Be-
dencke dich doch recht/ was die durchdringende Wehen seyn. Sie
seyn nicht anders/ als ein Zwang der Natur/ der das Kind
zum Ausgange zwinget/ wenn sich die Mutter davon ent-
ledigen wil/ als bey der natürlichen Geburts-Stunde/
wenn das Kind recht zur Geburt und also zum Zwingen
lieget: Lieget es aber nicht recht/ und so unrecht/ daß es
nicht sincken kan/ so muß der Zwang nachlassen/ weil das
Kind durch das qver-liegen nicht einsincken kan/ so kan es
auch also qver-liegend nicht gebohren werden.
Lege dich
in ein Fenster hinaus zu sehen/ wenn durecht im Fenster innen
iiegest/ kan dich ein anderer leichte von hinten hinaus werffen.
Liegest du aber qvär über das Fenster/ oder nur scheeff nach der
Seiten angestemmet/ so muß er es wol bleiben lassen/ dich mit
dergleichen leichten Hülffe hinaus zu werffen. Also ist es mit den
durchdringenden Wehen auch. Lieget das Kind recht innen;
so folgen die durchdringende Wehen/ nicht allein von dem inner-
lichen
Das V. Capitel
ſen und auftreiben/ wenn keine durchdringende Wehen ge-
weſen waͤren? Woher iſt denn ſolche Gefahr kommen/ vor
Mutter und Kind/ wie du hier zeigeſt? denn die Frau
wird ja durch die Wehen gezwungen worden ſeyn/ es von
ſich zu ſagen/ ſo wird ja auch die Wehe-Mutter nicht blind
geweſen ſeyn/ dergleichen Wehen der Frau anzuſehen/
denn die rechte durchdringende Wehen ſich nicht verbergen
und verbeißen laßen. Kan mich alſo in dieſe Rede noch
nicht finden?
Juſt. Ich wil dir die Unwiſſenheit zeigen/ woraus dieſe
Gefahr kommet/ daß du dich in acht nehmen kanſt ſamt den Frau-
en/ ſo in dieſem Wahn ſeyn/ der Angriff der Wehe-Mutter ſey
unnoͤthig vor den euſerſten durchdringenden Wehen. Hiebey
mußt du wiſſen/ daß bey unrecht-liegenden Kindern/ wie ich dir
gnugſam zuvor erwehnet/ als wo das Kind qver uͤber die Ge-
burt lieget/ keine durchdringende Wehen kommen koͤnnen. Be-
dencke dich doch recht/ was die durchdringende Wehen ſeyn. Sie
ſeyn nicht anders/ als ein Zwang der Natur/ der das Kind
zum Ausgange zwinget/ wenn ſich die Mutter davon ent-
ledigen wil/ als bey der natuͤrlichen Geburts-Stunde/
wenn das Kind recht zur Geburt und alſo zum Zwingen
lieget: Lieget es aber nicht recht/ und ſo unrecht/ daß es
nicht ſincken kan/ ſo muß der Zwang nachlaſſen/ weil das
Kind durch das qver-liegen nicht einſincken kan/ ſo kan es
auch alſo qver-liegend nicht gebohren werden.
Lege dich
in ein Fenſter hinaus zu ſehen/ wenn durecht im Fenſter innen
iiegeſt/ kan dich ein anderer leichte von hinten hinaus werffen.
Liegeſt du aber qvaͤr uͤber das Fenſter/ oder nur ſcheeff nach der
Seiten angeſtemmet/ ſo muß er es wol bleiben laſſen/ dich mit
dergleichen leichten Huͤlffe hinaus zu werffen. Alſo iſt es mit den
durchdringenden Wehen auch. Lieget das Kind recht innen;
ſo folgen die durchdringende Wehen/ nicht allein von dem inner-
lichen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#christ">
            <p>
              <pb facs="#f0205" n="92"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das</hi> <hi rendition="#aq">V.</hi> <hi rendition="#fr">Capitel</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">&#x017F;en und auftreiben/ wenn keine durchdringende Wehen ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;ren? Woher i&#x017F;t denn &#x017F;olche Gefahr kommen/ vor<lb/>
Mutter und Kind/ wie du hier zeige&#x017F;t? denn die Frau<lb/>
wird ja durch die Wehen gezwungen worden &#x017F;eyn/ es von<lb/>
&#x017F;ich zu &#x017F;agen/ &#x017F;o wird ja auch die Wehe-Mutter nicht blind<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;eyn/ dergleichen Wehen der Frau anzu&#x017F;ehen/<lb/>
denn die rechte durchdringende Wehen &#x017F;ich nicht verbergen<lb/>
und verbeißen laßen. Kan mich al&#x017F;o in die&#x017F;e Rede noch<lb/>
nicht finden?</hi> </p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#just">
            <speaker> <hi rendition="#aq">Ju&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Ich wil dir die Unwi&#x017F;&#x017F;enheit zeigen/ woraus die&#x017F;e<lb/>
Gefahr kommet/ daß du dich in acht nehmen kan&#x017F;t &#x017F;amt den Frau-<lb/>
en/ &#x017F;o in die&#x017F;em Wahn &#x017F;eyn/ der Angriff der Wehe-Mutter &#x017F;ey<lb/>
unno&#x0364;thig vor den eu&#x017F;er&#x017F;ten durchdringenden Wehen. Hiebey<lb/>
mußt du wi&#x017F;&#x017F;en/ daß bey unrecht-liegenden Kindern/ wie ich dir<lb/>
gnug&#x017F;am zuvor erwehnet/ als wo das Kind qver u&#x0364;ber die Ge-<lb/>
burt lieget/ keine durchdringende Wehen kommen ko&#x0364;nnen. Be-<lb/>
dencke dich doch recht/ was die durchdringende Wehen &#x017F;eyn. <hi rendition="#fr">Sie<lb/>
&#x017F;eyn nicht anders/ als ein Zwang der Natur/ der das Kind<lb/>
zum Ausgange zwinget/ wenn &#x017F;ich die Mutter davon ent-<lb/>
ledigen wil/ als bey der natu&#x0364;rlichen Geburts-Stunde/<lb/>
wenn das Kind recht zur Geburt und al&#x017F;o zum Zwingen<lb/>
lieget: Lieget es aber nicht recht/ und &#x017F;o unrecht/ daß es<lb/>
nicht &#x017F;incken kan/ &#x017F;o muß der Zwang nachla&#x017F;&#x017F;en/ weil das<lb/>
Kind durch das qver-liegen nicht ein&#x017F;incken kan/ &#x017F;o kan es<lb/>
auch al&#x017F;o qver-liegend nicht gebohren werden.</hi> Lege dich<lb/>
in ein Fen&#x017F;ter hinaus zu &#x017F;ehen/ wenn durecht im Fen&#x017F;ter innen<lb/>
iiege&#x017F;t/ kan dich ein anderer leichte von hinten hinaus werffen.<lb/>
Liege&#x017F;t du aber qva&#x0364;r u&#x0364;ber das Fen&#x017F;ter/ oder nur &#x017F;cheeff nach der<lb/>
Seiten ange&#x017F;temmet/ &#x017F;o muß er es wol bleiben la&#x017F;&#x017F;en/ dich mit<lb/>
dergleichen leichten Hu&#x0364;lffe hinaus zu werffen. Al&#x017F;o i&#x017F;t es mit den<lb/>
durchdringenden Wehen auch. Lieget das Kind recht innen;<lb/>
&#x017F;o folgen die durchdringende Wehen/ nicht allein von dem inner-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0205] Das V. Capitel ſen und auftreiben/ wenn keine durchdringende Wehen ge- weſen waͤren? Woher iſt denn ſolche Gefahr kommen/ vor Mutter und Kind/ wie du hier zeigeſt? denn die Frau wird ja durch die Wehen gezwungen worden ſeyn/ es von ſich zu ſagen/ ſo wird ja auch die Wehe-Mutter nicht blind geweſen ſeyn/ dergleichen Wehen der Frau anzuſehen/ denn die rechte durchdringende Wehen ſich nicht verbergen und verbeißen laßen. Kan mich alſo in dieſe Rede noch nicht finden? Juſt. Ich wil dir die Unwiſſenheit zeigen/ woraus dieſe Gefahr kommet/ daß du dich in acht nehmen kanſt ſamt den Frau- en/ ſo in dieſem Wahn ſeyn/ der Angriff der Wehe-Mutter ſey unnoͤthig vor den euſerſten durchdringenden Wehen. Hiebey mußt du wiſſen/ daß bey unrecht-liegenden Kindern/ wie ich dir gnugſam zuvor erwehnet/ als wo das Kind qver uͤber die Ge- burt lieget/ keine durchdringende Wehen kommen koͤnnen. Be- dencke dich doch recht/ was die durchdringende Wehen ſeyn. Sie ſeyn nicht anders/ als ein Zwang der Natur/ der das Kind zum Ausgange zwinget/ wenn ſich die Mutter davon ent- ledigen wil/ als bey der natuͤrlichen Geburts-Stunde/ wenn das Kind recht zur Geburt und alſo zum Zwingen lieget: Lieget es aber nicht recht/ und ſo unrecht/ daß es nicht ſincken kan/ ſo muß der Zwang nachlaſſen/ weil das Kind durch das qver-liegen nicht einſincken kan/ ſo kan es auch alſo qver-liegend nicht gebohren werden. Lege dich in ein Fenſter hinaus zu ſehen/ wenn durecht im Fenſter innen iiegeſt/ kan dich ein anderer leichte von hinten hinaus werffen. Liegeſt du aber qvaͤr uͤber das Fenſter/ oder nur ſcheeff nach der Seiten angeſtemmet/ ſo muß er es wol bleiben laſſen/ dich mit dergleichen leichten Huͤlffe hinaus zu werffen. Alſo iſt es mit den durchdringenden Wehen auch. Lieget das Kind recht innen; ſo folgen die durchdringende Wehen/ nicht allein von dem inner- lichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/205
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/205>, abgerufen am 23.11.2024.