Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Nöthiger Vorbericht
seyn kan; allermeist/ wann sie überzeuget/ daß GOtt
sie durch sonderbahre Schickung darzu hat beruffen
wollen/ wie ich denn an mir/ GOtt zur Ehre muß er-
kennen und bekennen. Darum ich den Leser hiemit be-
richte/ wie ich zu dieser Wissenschafft durch gewisse
Stuffen geführet sey.

Mein seliger Vater/ Elias Dittrich/ Pfarrherr
zum Ronnstock im Jaurischen Fürstenthum/ war mir
zeitlich gestorben/ und ich von meiner nun auch seligen
Mutter zu allen Guten in der Einsamkeit erzogen/ biß
zum neun zehenten Jahre meines Alters/ da ich ver-
heurathet ward/ an meinem noch lebenden Mann/
der zu der Zeit Renth-Schreiber war/ in Vilgutschem
Ampte/ in Bernstädtschen Fürstenthum/ in Schle-
sien: In dem 21ten Jahre ward ich von allen Wehe-
Müttern schwanger gehalten/ und wie man mit mir
die 40. Wochen hatte ausgerechnet/ solte und müste
ich gebähren/ oder mich zu der Geburt schicken/ die We-
he-Mutter urtheilete nach ihrem Verstande; das Kind
stünde recht/ und weil ich nicht anders wußte/ als was
sie mir vorsagte/ kreißte ich bis in den dritten Tag/ a-
ber ohne erlöset zu werden: Man holete eine Wehe-
Mutter nach der andern/ bis gar ihrer Viere waren/
welche einstimmig mit der ersten/ das Kind stünde recht
(da doch kein Kind verhanden) müßte also nach ihrer
Meinung in die 14. Tage geqvälet und auf die Marter-
Banck gehalten werden/ und wäre mir ehe die Seele

aus-

Noͤthiger Vorbericht
ſeyn kan; allermeiſt/ wann ſie uͤberzeuget/ daß GOtt
ſie durch ſonderbahre Schickung darzu hat beruffen
wollen/ wie ich denn an mir/ GOtt zur Ehre muß er-
kennen und bekennen. Darum ich den Leſer hiemit be-
richte/ wie ich zu dieſer Wiſſenſchafft durch gewiſſe
Stuffen gefuͤhret ſey.

Mein ſeliger Vater/ Elias Dittrich/ Pfarrherr
zum Ronnſtock im Jauriſchen Fuͤrſtenthum/ war mir
zeitlich geſtorben/ und ich von meiner nun auch ſeligen
Mutter zu allen Guten in der Einſamkeit erzogen/ biß
zum neun zehenten Jahre meines Alters/ da ich ver-
heurathet ward/ an meinem noch lebenden Mann/
der zu der Zeit Renth-Schreiber war/ in Vilgutſchem
Ampte/ in Bernſtaͤdtſchen Fuͤrſtenthum/ in Schle-
ſien: In dem 21ten Jahre ward ich von allen Wehe-
Muͤttern ſchwanger gehalten/ und wie man mit mir
die 40. Wochen hatte ausgerechnet/ ſolte und muͤſte
ich gebaͤhren/ oder mich zu der Geburt ſchicken/ die We-
he-Mutter urtheilete nach ihrem Verſtande; das Kind
ſtuͤnde recht/ und weil ich nicht anders wußte/ als was
ſie mir vorſagte/ kreißte ich bis in den dritten Tag/ a-
ber ohne erloͤſet zu werden: Man holete eine Wehe-
Mutter nach der andern/ bis gar ihrer Viere waren/
welche einſtimmig mit der erſten/ das Kind ſtuͤnde recht
(da doch kein Kind verhanden) muͤßte alſo nach ihrer
Meinung in die 14. Tage geqvaͤlet und auf die Marter-
Banck gehalten werden/ und waͤre mir ehe die Seele

aus-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">No&#x0364;thiger Vorbericht</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;eyn kan;</hi> allermei&#x017F;t/ wann &#x017F;ie u&#x0364;berzeuget/ daß GOtt<lb/>
&#x017F;ie durch &#x017F;onderbahre Schickung darzu hat beruffen<lb/>
wollen/ wie ich denn an mir/ GOtt zur Ehre muß er-<lb/>
kennen und bekennen. Darum ich den Le&#x017F;er hiemit be-<lb/>
richte/ wie ich zu die&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft durch gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Stuffen gefu&#x0364;hret &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Mein &#x017F;eliger Vater/ Elias Dittrich/ Pfarrherr<lb/>
zum Ronn&#x017F;tock im Jauri&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum/ war mir<lb/>
zeitlich ge&#x017F;torben/ und ich von meiner nun auch &#x017F;eligen<lb/>
Mutter zu allen Guten in der Ein&#x017F;amkeit erzogen/ biß<lb/>
zum neun zehenten Jahre meines Alters/ da ich ver-<lb/>
heurathet ward/ an meinem noch lebenden Mann/<lb/>
der zu der Zeit Renth-Schreiber war/ in Vilgut&#x017F;chem<lb/>
Ampte/ in Bern&#x017F;ta&#x0364;dt&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum/ in Schle-<lb/>
&#x017F;ien: In dem 21ten Jahre ward ich von allen Wehe-<lb/>
Mu&#x0364;ttern &#x017F;chwanger gehalten/ und wie man mit mir<lb/>
die 40. Wochen hatte ausgerechnet/ &#x017F;olte und mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
ich geba&#x0364;hren/ oder mich zu der Geburt &#x017F;chicken/ die We-<lb/>
he-Mutter urtheilete nach ihrem Ver&#x017F;tande; das Kind<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde recht/ und weil ich nicht anders wußte/ als was<lb/>
&#x017F;ie mir vor&#x017F;agte/ kreißte ich bis in den dritten Tag/ a-<lb/>
ber ohne erlo&#x0364;&#x017F;et zu werden: Man holete eine Wehe-<lb/>
Mutter nach der andern/ bis gar ihrer Viere waren/<lb/>
welche ein&#x017F;timmig mit der er&#x017F;ten/ das Kind &#x017F;tu&#x0364;nde recht<lb/>
(da doch kein Kind verhanden) mu&#x0364;ßte al&#x017F;o nach ihrer<lb/>
Meinung in die 14. Tage geqva&#x0364;let und auf die Marter-<lb/>
Banck gehalten werden/ und wa&#x0364;re mir ehe die Seele<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0020] Noͤthiger Vorbericht ſeyn kan; allermeiſt/ wann ſie uͤberzeuget/ daß GOtt ſie durch ſonderbahre Schickung darzu hat beruffen wollen/ wie ich denn an mir/ GOtt zur Ehre muß er- kennen und bekennen. Darum ich den Leſer hiemit be- richte/ wie ich zu dieſer Wiſſenſchafft durch gewiſſe Stuffen gefuͤhret ſey. Mein ſeliger Vater/ Elias Dittrich/ Pfarrherr zum Ronnſtock im Jauriſchen Fuͤrſtenthum/ war mir zeitlich geſtorben/ und ich von meiner nun auch ſeligen Mutter zu allen Guten in der Einſamkeit erzogen/ biß zum neun zehenten Jahre meines Alters/ da ich ver- heurathet ward/ an meinem noch lebenden Mann/ der zu der Zeit Renth-Schreiber war/ in Vilgutſchem Ampte/ in Bernſtaͤdtſchen Fuͤrſtenthum/ in Schle- ſien: In dem 21ten Jahre ward ich von allen Wehe- Muͤttern ſchwanger gehalten/ und wie man mit mir die 40. Wochen hatte ausgerechnet/ ſolte und muͤſte ich gebaͤhren/ oder mich zu der Geburt ſchicken/ die We- he-Mutter urtheilete nach ihrem Verſtande; das Kind ſtuͤnde recht/ und weil ich nicht anders wußte/ als was ſie mir vorſagte/ kreißte ich bis in den dritten Tag/ a- ber ohne erloͤſet zu werden: Man holete eine Wehe- Mutter nach der andern/ bis gar ihrer Viere waren/ welche einſtimmig mit der erſten/ das Kind ſtuͤnde recht (da doch kein Kind verhanden) muͤßte alſo nach ihrer Meinung in die 14. Tage geqvaͤlet und auf die Marter- Banck gehalten werden/ und waͤre mir ehe die Seele aus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/20
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/20>, abgerufen am 22.11.2024.