Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Das IV. Capitel greiffen deiner Hand/ wo das Kind schon einen Tag und mehrtodt gelegen/ da ist das Kind so zusammen gepresset/ daß du gu- te Vernunfft/ und auch Stärcke in deiner Hand und Arm haben mußt/ dich hindurch und bey die Füsse des Kindes zubringen. Da kanst du keine Schnure mit dir nehmen/ in dem du die Füße erst suchen mußt. Und ob du gleich einen Fuß gefunden hast/ so kanst du doch den andern nicht suchen/ bis dieser angeschlungen ist/ es sey denn/ daß sie nahe beysammen lägen. Und wenn sie auch nahe beysammen liegen/ so müssen sie doch beyde geschlungen werden/ ehe du die Füsse ziehen kanst; Denn die Füsse können nicht eher unter sich/ bis du mit deiner rechten Hand den Leib des Kindes in die Höhe hebest/ alsdenn kan deine lincke Hand beyde Füße mit der Schnur unter sich nach und nach ziehen/ wie ich dir solche Wendung weisen werde. Ehe ich aber die ausführliche Wendung/ wo die Kinder schon todt/ und nur die Mutter zu retten nöthig ist/ zeige/ wil ich dir noch zuvor eine übele Geburt der Händlein beschreiben/ als: wo beyde Händlein sich unter des Kindes Kopff herfür in die Ge- burt geben wollen/ (Siehe das Kupffer No. XV. und XVI.) Was dieses vor eine schlimme Geburt vor Mutter und Kind ist/ sonderlich/ wenn die Wehe-Mutter nicht zu helffen weiß/ oder zu langsam dazu kommt/ wenn das Wasser schon gebrochen/ kan ich nicht gnugsam beschreiben. Wenn aber die Wehe-Mut- ter zu rechter Zeit zu gegen ist/ so kan sie diese üble Geburt leich- te verhüten. Denn so lange das Wasser noch nicht gebrochen ist/ so bleiben die Hände und der Kopff nahe beysammen/ daß man gar leichte beyde Händlein sammt dem Kopffe fühlen kan. Wenn man nun beyde Händlein kneipt/ wie ich schon pag. 39. berichtet habe/ und das Kupffer No. II. weiset/ so zeucht das Kind die Händ- lein zurück/ und der Kopff dringet sich in die Geburt/ sonderlich wenn man das Kind/ nehmlich die Händlein/ kurtz vor dem We- hen kneipet/ so dringet der Wehen den Kopff des Kindes desto stär-
Das IV. Capitel greiffen deiner Hand/ wo das Kind ſchon einen Tag und mehrtodt gelegen/ da iſt das Kind ſo zuſammen gepreſſet/ daß du gu- te Vernunfft/ und auch Staͤrcke in deiner Hand und Arm haben mußt/ dich hindurch und bey die Fuͤſſe des Kindes zubringen. Da kanſt du keine Schnure mit dir nehmen/ in dem du die Fuͤße erſt ſuchen mußt. Und ob du gleich einen Fuß gefunden haſt/ ſo kanſt du doch den andern nicht ſuchen/ bis dieſer angeſchlungen iſt/ es ſey denn/ daß ſie nahe beyſammen laͤgen. Und wenn ſie auch nahe beyſammen liegen/ ſo muͤſſen ſie doch beyde geſchlungen werden/ ehe du die Fuͤſſe ziehen kanſt; Denn die Fuͤſſe koͤnnen nicht eher unter ſich/ bis du mit deiner rechten Hand den Leib des Kindes in die Hoͤhe hebeſt/ alsdenn kan deine lincke Hand beyde Fuͤße mit der Schnur unter ſich nach und nach ziehen/ wie ich dir ſolche Wendung weiſen werde. Ehe ich aber die ausfuͤhrliche Wendung/ wo die Kinder ſchon todt/ und nur die Mutter zu retten noͤthig iſt/ zeige/ wil ich dir noch zuvor eine uͤbele Geburt der Haͤndlein beſchreiben/ als: wo beyde Haͤndlein ſich unter des Kindes Kopff herfuͤr in die Ge- burt geben wollen/ (Siehe das Kupffer No. XV. und XVI.) Was dieſes vor eine ſchlimme Geburt vor Mutter und Kind iſt/ ſonderlich/ wenn die Wehe-Mutter nicht zu helffen weiß/ oder zu langſam dazu kommt/ wenn das Waſſer ſchon gebrochen/ kan ich nicht gnugſam beſchreiben. Wenn aber die Wehe-Mut- ter zu rechter Zeit zu gegen iſt/ ſo kan ſie dieſe uͤble Geburt leich- te verhuͤten. Denn ſo lange das Waſſer noch nicht gebrochen iſt/ ſo bleiben die Haͤnde und der Kopff nahe beyſammen/ daß man gar leichte beyde Haͤndlein ſammt dem Kopffe fuͤhlen kan. Wenn man nun beyde Haͤndlein kneipt/ wie ich ſchon pag. 39. berichtet habe/ und das Kupffer No. II. weiſet/ ſo zeucht das Kind die Haͤnd- lein zuruͤck/ und der Kopff dringet ſich in die Geburt/ ſonderlich wenn man das Kind/ nehmlich die Haͤndlein/ kurtz vor dem We- hen kneipet/ ſo dringet der Wehen den Kopff des Kindes deſto ſtaͤr-
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Das IV. Capitel
greiffen deiner Hand/ wo das Kind ſchon einen Tag und mehr
todt gelegen/ da iſt das Kind ſo zuſammen gepreſſet/ daß du gu-
te Vernunfft/ und auch Staͤrcke in deiner Hand und Arm haben
mußt/ dich hindurch und bey die Fuͤſſe des Kindes zubringen. Da
kanſt du keine Schnure mit dir nehmen/ in dem du die Fuͤße
erſt ſuchen mußt. Und ob du gleich einen Fuß gefunden haſt/ ſo
kanſt du doch den andern nicht ſuchen/ bis dieſer angeſchlungen iſt/
es ſey denn/ daß ſie nahe beyſammen laͤgen. Und wenn ſie auch
nahe beyſammen liegen/ ſo muͤſſen ſie doch beyde geſchlungen
werden/ ehe du die Fuͤſſe ziehen kanſt; Denn die Fuͤſſe koͤnnen
nicht eher unter ſich/ bis du mit deiner rechten Hand den Leib des
Kindes in die Hoͤhe hebeſt/ alsdenn kan deine lincke Hand beyde
Fuͤße mit der Schnur unter ſich nach und nach ziehen/ wie
ich dir ſolche Wendung weiſen werde.
Ehe ich aber die ausfuͤhrliche Wendung/ wo die Kinder
ſchon todt/ und nur die Mutter zu retten noͤthig iſt/ zeige/ wil ich
dir noch zuvor eine uͤbele Geburt der Haͤndlein beſchreiben/ als:
wo beyde Haͤndlein ſich unter des Kindes Kopff herfuͤr in die Ge-
burt geben wollen/ (Siehe das Kupffer No. XV. und XVI.)
Was dieſes vor eine ſchlimme Geburt vor Mutter und Kind iſt/
ſonderlich/ wenn die Wehe-Mutter nicht zu helffen weiß/ oder
zu langſam dazu kommt/ wenn das Waſſer ſchon gebrochen/
kan ich nicht gnugſam beſchreiben. Wenn aber die Wehe-Mut-
ter zu rechter Zeit zu gegen iſt/ ſo kan ſie dieſe uͤble Geburt leich-
te verhuͤten. Denn ſo lange das Waſſer noch nicht gebrochen
iſt/ ſo bleiben die Haͤnde und der Kopff nahe beyſammen/ daß man
gar leichte beyde Haͤndlein ſammt dem Kopffe fuͤhlen kan. Wenn
man nun beyde Haͤndlein kneipt/ wie ich ſchon pag. 39. berichtet
habe/ und das Kupffer No. II. weiſet/ ſo zeucht das Kind die Haͤnd-
lein zuruͤck/ und der Kopff dringet ſich in die Geburt/ ſonderlich
wenn man das Kind/ nehmlich die Haͤndlein/ kurtz vor dem We-
hen kneipet/ ſo dringet der Wehen den Kopff des Kindes deſto
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Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/171>, abgerufen am 16.02.2025. |