Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Das IV. Capitel von habe ich die meisten verlieren müssen/ und die wenigsten er-halten. Halte derowegen dafür/ daß das zweifache Kind so viel Erweiterung der Geburt machet/ daß das Haupt bald mit durch- gehen kan/ wie michs die Erfahrung offt gelehret/ die Füßlein aber hingegen seyn klein/ und das Kind am gantzen Leibe nicht so dicke/ wie am Haupt. Trifft es nun einen schwer- gebährenden Leib/ welchen die Gewalt zwingen muß/ so ist das Kind unmöglich zu erhalten. Lässet man ihm Lufft/ und dringet nicht mit Wehen drauf/ so kan es nicht fort/ und kommet dabey um. Wil man auch mit Wehen drauf dringen/ so lassen sie sich auch nicht zwin- gen/ weil das Kind oder die Frucht das meiste Theil gebohren ist. Es versitzen die Wehen in dem leeren Leibe gar leicht/ und ist also öffters sehr unglücklich mit den Kindern abgelauffen/ daß die meisten ihr Leben lassen müssen. Es ist oben erwehnet: wenn das Kind qvär über die Geburt mit dem Rücken lieget/ daß es schwer zu wenden sey/ sonderlich/ wenn das Haupt des Kindes mehr der Frauen unter der lincken Brust oder Seite/ als an der rechten/ lieget. Weil es der Wehe- Mutter nicht zur Hand lieget/ so ist es schwer wieder die Hand zu wenden: Es ist aber noch schwerer/ wenn gar kein Händ- lein sich dabey weiset/ wie in dem Kupffer No. XI. zu sehen/ denn das Händlein führet mich noch an/ an welcher Seite des Kin- des Kopff lieget/ und ich kan noch allemahl bey den Achseln des Kindes unter den Aermlein besser beykommen/ damit ich zwi- schen das Kind komme/ die Füßlein zu suchen. Ich bin etliche mahl in dergleichen Zustande zu Hülffe geruffen worden/ daß die Frauen schon drey bis vier Tage in Kindes-Nöthen gewesen/ wo kein Händlein sich gezeiget/ bis der Rück grad des Kindes bre- chen müssen. Das kan aber nicht eher geschehen/ bis es todt/ und sich nicht mehr anstemmen kan. So lange es lebet/ stehet es
Das IV. Capitel von habe ich die meiſten verlieren muͤſſen/ und die wenigſten er-halten. Halte derowegen dafuͤr/ daß das zweifache Kind ſo viel Erweiterung der Geburt machet/ daß das Haupt bald mit durch- gehen kan/ wie michs die Erfahrung offt gelehret/ die Fuͤßlein aber hingegen ſeyn klein/ und das Kind am gantzen Leibe nicht ſo dicke/ wie am Haupt. Trifft es nun einen ſchwer- gebaͤhrenden Leib/ welchen die Gewalt zwingen muß/ ſo iſt das Kind unmoͤglich zu erhalten. Laͤſſet man ihm Lufft/ und dringet nicht mit Wehen drauf/ ſo kan es nicht fort/ und kommet dabey um. Wil man auch mit Wehen drauf dringen/ ſo laſſen ſie ſich auch nicht zwin- gen/ weil das Kind oder die Frucht das meiſte Theil gebohren iſt. Es verſitzen die Wehen in dem leeren Leibe gar leicht/ und iſt alſo oͤffters ſehr ungluͤcklich mit den Kindern abgelauffen/ daß die meiſten ihr Leben laſſen muͤſſen. Es iſt oben erwehnet: wenn das Kind qvaͤr uͤber die Geburt mit dem Ruͤcken lieget/ daß es ſchwer zu wenden ſey/ ſonderlich/ wenn das Haupt des Kindes mehr der Frauen unter der lincken Bruſt oder Seite/ als an der rechten/ lieget. Weil es der Wehe- Mutter nicht zur Hand lieget/ ſo iſt es ſchwer wieder die Hand zu wenden: Es iſt aber noch ſchwerer/ wenn gar kein Haͤnd- lein ſich dabey weiſet/ wie in dem Kupffer No. XI. zu ſehen/ denn das Haͤndlein fuͤhret mich noch an/ an welcher Seite des Kin- des Kopff lieget/ und ich kan noch allemahl bey den Achſeln des Kindes unter den Aermlein beſſer beykommen/ damit ich zwi- ſchen das Kind komme/ die Fuͤßlein zu ſuchen. Ich bin etliche mahl in dergleichen Zuſtande zu Huͤlffe geruffen worden/ daß die Frauen ſchon drey bis vier Tage in Kindes-Noͤthen geweſen/ wo kein Haͤndlein ſich gezeiget/ bis der Ruͤck grad des Kindes bre- chen muͤſſen. Das kan aber nicht eher geſchehen/ bis es todt/ und ſich nicht mehr anſtemmen kan. So lange es lebet/ ſtehet es
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Das IV. Capitel
von habe ich die meiſten verlieren muͤſſen/ und die wenigſten er-
halten. Halte derowegen dafuͤr/ daß das zweifache Kind ſo viel
Erweiterung der Geburt machet/ daß das Haupt bald mit durch-
gehen kan/ wie michs die Erfahrung offt gelehret/ die Fuͤßlein
aber hingegen ſeyn klein/ und das Kind am gantzen Leibe
nicht ſo dicke/ wie am Haupt. Trifft es nun einen ſchwer-
gebaͤhrenden Leib/ welchen die Gewalt zwingen muß/ ſo
iſt das Kind unmoͤglich zu erhalten. Laͤſſet man ihm
Lufft/ und dringet nicht mit Wehen drauf/ ſo kan es
nicht fort/ und kommet dabey um. Wil man auch mit
Wehen drauf dringen/ ſo laſſen ſie ſich auch nicht zwin-
gen/ weil das Kind oder die Frucht das meiſte Theil
gebohren iſt. Es verſitzen die Wehen in dem leeren
Leibe gar leicht/ und iſt alſo oͤffters ſehr ungluͤcklich
mit den Kindern abgelauffen/ daß die meiſten ihr Leben
laſſen muͤſſen.
Es iſt oben erwehnet: wenn das Kind qvaͤr uͤber die Geburt
mit dem Ruͤcken lieget/ daß es ſchwer zu wenden ſey/ ſonderlich/
wenn das Haupt des Kindes mehr der Frauen unter der lincken
Bruſt oder Seite/ als an der rechten/ lieget. Weil es der Wehe-
Mutter nicht zur Hand lieget/ ſo iſt es ſchwer wieder die Hand
zu wenden: Es iſt aber noch ſchwerer/ wenn gar kein Haͤnd-
lein ſich dabey weiſet/ wie in dem Kupffer No. XI. zu ſehen/ denn
das Haͤndlein fuͤhret mich noch an/ an welcher Seite des Kin-
des Kopff lieget/ und ich kan noch allemahl bey den Achſeln des
Kindes unter den Aermlein beſſer beykommen/ damit ich zwi-
ſchen das Kind komme/ die Fuͤßlein zu ſuchen. Ich bin etliche
mahl in dergleichen Zuſtande zu Huͤlffe geruffen worden/ daß die
Frauen ſchon drey bis vier Tage in Kindes-Noͤthen geweſen/
wo kein Haͤndlein ſich gezeiget/ bis der Ruͤck grad des Kindes bre-
chen muͤſſen. Das kan aber nicht eher geſchehen/ bis es todt/
und ſich nicht mehr anſtemmen kan. So lange es lebet/ ſtehet
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Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/167>, abgerufen am 16.02.2025. |