Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.Gattung: Anguilla. nur gleiche einfache Zellenelemente zu erkennen sind, dies ist allen mitdergleichen mikroskopischen Untersuchungen vertrauten Naturforschern eine nur zu bekannte Sache. Es wäre daher doch möglich, dass man die unreifen Hoden der Aale mit unreifen Ovarien verwechselt hätte, ja es könnten viel- leicht, wie schon Spallanzani 1) und Nilsson 2) vermuthet haben, auch männ- liche und weibliche Geschlechtsorgane so mit einander vereinigt sein, dass die Aale jenen hermaphroditischen Fischen zugezählt werden müssten, mit deren wirklichem Vorhandensein wir erst in neuster Zeit genauer bekannt geworden sind 3). Ueber alles dies würde man entscheiden können, wenn sich nicht die Aale während ihrer Brunstzeit unseren Untersuchungen gänz- lich entzögen, indem sie, noch ehe ihre Brunstzeit beginnt, die süssen Ge- wässer verlassen und in das Meer hinauswandern, um dort in tiefer Verbor- genheit ihr Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen. Schon Aristoteles wusste, dass der Aal, um zu laichen, aus den Seen und Flüssen in das Meer ziehe 4), konnte sich aber nicht enthalten, über die Entstehung der Aale aus Schlamm, feuchter Erde und aus Regenwürmern die sonderbarsten Fabeln zu ver- breiten 5). Die Wanderungen der erwachsenen Aale sind seit lange gekannt, und 1) S. dessen auf pag. 344 angeführten: Opuscoli due sopra le anguille. pag. 564. 2) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. A. a. O. pag. 678. (Uebersetzt a. a. O. pag. 29.) 3) Solche normale Zwitterbildungen hat Dufosse (in den Annales des sciences natu- relles. Tom. V. 1856. pag. 295) bei den drei Seebarschen Serranus scriba, cabrilla und he- patus nachgewiesen. 4) Vergl. Aristoteles de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 13. 7. 5) Ebenda: Lib. VI. Cap. 15. 6) Dieser mittelst äusserst complicirten Vorrichtungen grossartig betriebene Aalfang ist von Coste (Voyage d'exploration sur le littoral de France et de l'Italie 1861. pag. 3. In- dustrie de la lagune de Comacchio) sehr ausführlich beschrieben worden. 7) Während einer einzigen solchen Nacht werden nach dem Berichte Spallanzani's oft
mehrere hundert Centner Aale gefangen. S. dessen Op. due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1. pag. 509. Gattung: Anguilla. nur gleiche einfache Zellenelemente zu erkennen sind, dies ist allen mitdergleichen mikroskopischen Untersuchungen vertrauten Naturforschern eine nur zu bekannte Sache. Es wäre daher doch möglich, dass man die unreifen Hoden der Aale mit unreifen Ovarien verwechselt hätte, ja es könnten viel- leicht, wie schon Spallanzani 1) und Nilsson 2) vermuthet haben, auch männ- liche und weibliche Geschlechtsorgane so mit einander vereinigt sein, dass die Aale jenen hermaphroditischen Fischen zugezählt werden müssten, mit deren wirklichem Vorhandensein wir erst in neuster Zeit genauer bekannt geworden sind 3). Ueber alles dies würde man entscheiden können, wenn sich nicht die Aale während ihrer Brunstzeit unseren Untersuchungen gänz- lich entzögen, indem sie, noch ehe ihre Brunstzeit beginnt, die süssen Ge- wässer verlassen und in das Meer hinauswandern, um dort in tiefer Verbor- genheit ihr Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen. Schon Aristoteles wusste, dass der Aal, um zu laichen, aus den Seen und Flüssen in das Meer ziehe 4), konnte sich aber nicht enthalten, über die Entstehung der Aale aus Schlamm, feuchter Erde und aus Regenwürmern die sonderbarsten Fabeln zu ver- breiten 5). Die Wanderungen der erwachsenen Aale sind seit lange gekannt, und 1) S. dessen auf pag. 344 angeführten: Opuscoli due sopra le anguille. pag. 564. 2) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. A. a. O. pag. 678. (Uebersetzt a. a. O. pag. 29.) 3) Solche normale Zwitterbildungen hat Dufosse (in den Annales des sciences natu- relles. Tom. V. 1856. pag. 295) bei den drei Seebarschen Serranus scriba, cabrilla und he- patus nachgewiesen. 4) Vergl. Aristoteles de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 13. 7. 5) Ebenda: Lib. VI. Cap. 15. 6) Dieser mittelst äusserst complicirten Vorrichtungen grossartig betriebene Aalfang ist von Coste (Voyage d’exploration sur le littoral de France et de l’Italie 1861. pag. 3. In- dustrie de la lagune de Comacchio) sehr ausführlich beschrieben worden. 7) Während einer einzigen solchen Nacht werden nach dem Berichte Spallanzani’s oft
mehrere hundert Centner Aale gefangen. S. dessen Op. due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1. pag. 509. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0364" n="351"/><fw place="top" type="header">Gattung: Anguilla.</fw><lb/> nur gleiche einfache Zellenelemente zu erkennen sind, dies ist allen mit<lb/> dergleichen mikroskopischen Untersuchungen vertrauten Naturforschern eine<lb/> nur zu bekannte Sache. Es wäre daher doch möglich, dass man die unreifen<lb/> Hoden der Aale mit unreifen Ovarien verwechselt hätte, ja es könnten viel-<lb/> leicht, wie schon <hi rendition="#k">Spallanzani</hi> <note place="foot" n="1)">S. dessen auf pag. 344 angeführten: Opuscoli due sopra le anguille. pag. 564.</note> und <hi rendition="#k">Nilsson</hi> <note place="foot" n="2)">Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. A. a. O. pag. 678. (Uebersetzt a. a. O. pag. 29.)</note> vermuthet haben, auch männ-<lb/> liche und weibliche Geschlechtsorgane so mit einander vereinigt sein, dass<lb/> die Aale jenen hermaphroditischen Fischen zugezählt werden müssten, mit<lb/> deren wirklichem Vorhandensein wir erst in neuster Zeit genauer bekannt<lb/> geworden sind <note place="foot" n="3)">Solche normale Zwitterbildungen hat <hi rendition="#k">Dufosse</hi> (in den Annales des sciences natu-<lb/> relles. Tom. V. 1856. pag. 295) bei den drei Seebarschen <hi rendition="#i">Serranus scriba, cabrilla</hi> und <hi rendition="#i">he-<lb/> patus</hi> nachgewiesen.</note>. Ueber alles dies würde man entscheiden können, wenn<lb/> sich nicht die Aale während ihrer Brunstzeit unseren Untersuchungen gänz-<lb/> lich entzögen, indem sie, noch ehe ihre Brunstzeit beginnt, die süssen Ge-<lb/> wässer verlassen und in das Meer hinauswandern, um dort in tiefer Verbor-<lb/> genheit ihr Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen. Schon <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> wusste,<lb/> dass der Aal, um zu laichen, aus den Seen und Flüssen in das Meer ziehe <note place="foot" n="4)">Vergl. <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 13. 7.</note>,<lb/> konnte sich aber nicht enthalten, über die Entstehung der Aale aus Schlamm,<lb/> feuchter Erde und aus Regenwürmern die sonderbarsten Fabeln zu ver-<lb/> breiten <note place="foot" n="5)">Ebenda: Lib. VI. Cap. 15.</note>.</p><lb/> <p>Die Wanderungen der erwachsenen Aale sind seit lange gekannt, und<lb/> eine Menge Fangmethoden sind darauf eingerichtet, der zu Thale wandern-<lb/> den Aale auf ihrer Reise habhaft zu werden. Seit Jahrhunderten sind viele<lb/> Fischer in Italien an den Mündungen der Flüsse mit dem Aalfang beschäftigt,<lb/> wodurch alljährlich grosse Massen von Aalen, welche im Begriffe waren, in<lb/> das Meer hinauszuwandern, in den Handel gebracht werden. Ein solcher<lb/> höchst ergiebiger Aalfang findet in den bereits erwähnten Lagunen von Co-<lb/> macchio <note place="foot" n="6)">Dieser mittelst äusserst complicirten Vorrichtungen grossartig betriebene Aalfang<lb/> ist von <hi rendition="#k">Coste</hi> (Voyage d’exploration sur le littoral de France et de l’Italie 1861. pag. 3. In-<lb/> dustrie de la lagune de Comacchio) sehr ausführlich beschrieben worden.</note> und auch am Orbitello-See statt, wo alljährlich vom October bis<lb/> December den wanderlustigen Aalen der Austritt in das Meer dadurch abge-<lb/> schnitten wird, dass man sie mit Hülfe von besonderen Canälen in ringsum<lb/> verschlossene Kammern hineinzuleiten weiss. Diese Auswanderung der er-<lb/> wachsenen Aale, welche immer während sehr stürmischer und finsterer<lb/> Nächte vor sich geht, wird von den Italienern die »Calata« genannt <note place="foot" n="7)">Während einer einzigen solchen Nacht werden nach dem Berichte <hi rendition="#k">Spallanzani</hi>’s oft<lb/> mehrere hundert Centner Aale gefangen. S. dessen Op. due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1.<lb/> pag. 509.</note>. Von<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0364]
Gattung: Anguilla.
nur gleiche einfache Zellenelemente zu erkennen sind, dies ist allen mit
dergleichen mikroskopischen Untersuchungen vertrauten Naturforschern eine
nur zu bekannte Sache. Es wäre daher doch möglich, dass man die unreifen
Hoden der Aale mit unreifen Ovarien verwechselt hätte, ja es könnten viel-
leicht, wie schon Spallanzani 1) und Nilsson 2) vermuthet haben, auch männ-
liche und weibliche Geschlechtsorgane so mit einander vereinigt sein, dass
die Aale jenen hermaphroditischen Fischen zugezählt werden müssten, mit
deren wirklichem Vorhandensein wir erst in neuster Zeit genauer bekannt
geworden sind 3). Ueber alles dies würde man entscheiden können, wenn
sich nicht die Aale während ihrer Brunstzeit unseren Untersuchungen gänz-
lich entzögen, indem sie, noch ehe ihre Brunstzeit beginnt, die süssen Ge-
wässer verlassen und in das Meer hinauswandern, um dort in tiefer Verbor-
genheit ihr Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen. Schon Aristoteles wusste,
dass der Aal, um zu laichen, aus den Seen und Flüssen in das Meer ziehe 4),
konnte sich aber nicht enthalten, über die Entstehung der Aale aus Schlamm,
feuchter Erde und aus Regenwürmern die sonderbarsten Fabeln zu ver-
breiten 5).
Die Wanderungen der erwachsenen Aale sind seit lange gekannt, und
eine Menge Fangmethoden sind darauf eingerichtet, der zu Thale wandern-
den Aale auf ihrer Reise habhaft zu werden. Seit Jahrhunderten sind viele
Fischer in Italien an den Mündungen der Flüsse mit dem Aalfang beschäftigt,
wodurch alljährlich grosse Massen von Aalen, welche im Begriffe waren, in
das Meer hinauszuwandern, in den Handel gebracht werden. Ein solcher
höchst ergiebiger Aalfang findet in den bereits erwähnten Lagunen von Co-
macchio 6) und auch am Orbitello-See statt, wo alljährlich vom October bis
December den wanderlustigen Aalen der Austritt in das Meer dadurch abge-
schnitten wird, dass man sie mit Hülfe von besonderen Canälen in ringsum
verschlossene Kammern hineinzuleiten weiss. Diese Auswanderung der er-
wachsenen Aale, welche immer während sehr stürmischer und finsterer
Nächte vor sich geht, wird von den Italienern die »Calata« genannt 7). Von
1) S. dessen auf pag. 344 angeführten: Opuscoli due sopra le anguille. pag. 564.
2) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. A. a. O. pag. 678. (Uebersetzt a. a. O. pag. 29.)
3) Solche normale Zwitterbildungen hat Dufosse (in den Annales des sciences natu-
relles. Tom. V. 1856. pag. 295) bei den drei Seebarschen Serranus scriba, cabrilla und he-
patus nachgewiesen.
4) Vergl. Aristoteles de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 13. 7.
5) Ebenda: Lib. VI. Cap. 15.
6) Dieser mittelst äusserst complicirten Vorrichtungen grossartig betriebene Aalfang
ist von Coste (Voyage d’exploration sur le littoral de France et de l’Italie 1861. pag. 3. In-
dustrie de la lagune de Comacchio) sehr ausführlich beschrieben worden.
7) Während einer einzigen solchen Nacht werden nach dem Berichte Spallanzani’s oft
mehrere hundert Centner Aale gefangen. S. dessen Op. due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1.
pag. 509.
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