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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
Mitteleuropa Coregonus-Arten theils die Binnenseen bewohnen, theils aber
auch als Meerbewohner zur Laichzeit die Flüsse hinaufwandern.

Alle hieher gehörigen Salmoneer leben immer in grossen Gesellschaften
beisammen und ernähren sich von kleinen Insecten, Schnecken, Gewürme
und winzigen Entomostraceen, von welchen letzteren ihr Magen und Darm
von Anfang bis zu Ende oft ganz vollgestopft ist. Die Blinddärme sind bei
den Coregonen in der Pförtner-Gegend äusserst zahlreich vorhanden und hal-
ten auch noch eine längere Strecke am Dünndarm entlang besetzt. Ihr Fleisch
liefert eine sehr beliebte Speise, daher auf den grösseren Seen von den
Fischern der Fang dieser Coregonus-Arten oft sehr grossartig betrieben wird,
während dieselben Fische, da sie nicht an die Angel zu gehen pflegen, den
Freunden der Angelkunst gar kein Interesse gewähren.

An den meisten Coregonus-Arten, namentlich aber an der gemeinen
Renke zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, dass sie, auch mit der gröss-
ten Vorsicht aus dem Wasser gehoben, an der Luft fast augenblicklich ab-
sterben.

Mit dem Eintritt der Laichzeit schwillt bei denjenigen Coregonen, deren
Oberkiefer sich über den Unterkiefer erhebt, die Schnauze der männlichen
Individuen mehr oder weniger an 1), ferner entwickelt sich bei allen Arten
während der Laichzeit an den Seiten des Leibes sowohl der männlichen wie
der weiblichen Individuen ein milchweisser Hautausschlag, der bei näherer
Untersuchung sich auf den einzelnen Schuppen als flache Erhabenheit erhebt
und den Längsreihen der Schuppen entsprechend ebenfalls in Längsreihen
angeordnet erscheint. Jede Schuppe erhält in ihrer Mitte nur eine einzige Er-
habenheit, welche mit keiner Spitze, wie bei den meisten Cyprinoiden, son-
dern mit einer Längsleiste endigt, aber auch wie bei diesen aus nichts an-
derem besteht, als aus einer Verdichtung des Epitheliums. Meistens sind
die drei bis vier Schuppenreihen oberhalb der Seitenlinie und die vier bis
fünf Schuppenreihen unterhalb derselben mit solchen Erhabenheiten besetzt,
wodurch die Seiten dieser laichenden Fische, indem alle Erhabenheiten mit
ihren Längsleisten eine gleiche Richtung einnehmen von sieben bis acht
weissen erhabenen Längsstreifen besetzt erscheinen. Auch auf den Schuppen
der Seitenlinie bilden sich bald oberhalb, bald unterhalb des Ausführungs-
ganges derselben ähnliche Erhabenheiten aus, die aber niemals zu einer voll-

gelegenen Seen gänzlich. Hiernach ist die Notiz, dass der Comersee die grosse Maräne ent-
halten soll, welche von Bujack (Nr. 97: pag. 324) mitgetheilt und von Schulz (Nr. 78:
pag. 524) nachgeschrieben worden ist, als gänzlich unrichtig von der Hand zu weisen.
1) Es ist diese Erscheinung schon von Nilsson beobachtet worden. Vergl. dessen:
Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 456 oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwis-
senschaften, 1860, Juli August, pag. 32, in welcher sich Nilsson's Artikel über Coregonus
aus jener Fauna von Creplin übersetzt findet.

Familie: Salmonoidei.
Mitteleuropa Coregonus-Arten theils die Binnenseen bewohnen, theils aber
auch als Meerbewohner zur Laichzeit die Flüsse hinaufwandern.

Alle hieher gehörigen Salmoneer leben immer in grossen Gesellschaften
beisammen und ernähren sich von kleinen Insecten, Schnecken, Gewürme
und winzigen Entomostraceen, von welchen letzteren ihr Magen und Darm
von Anfang bis zu Ende oft ganz vollgestopft ist. Die Blinddärme sind bei
den Coregonen in der Pförtner-Gegend äusserst zahlreich vorhanden und hal-
ten auch noch eine längere Strecke am Dünndarm entlang besetzt. Ihr Fleisch
liefert eine sehr beliebte Speise, daher auf den grösseren Seen von den
Fischern der Fang dieser Coregonus-Arten oft sehr grossartig betrieben wird,
während dieselben Fische, da sie nicht an die Angel zu gehen pflegen, den
Freunden der Angelkunst gar kein Interesse gewähren.

An den meisten Coregonus-Arten, namentlich aber an der gemeinen
Renke zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, dass sie, auch mit der gröss-
ten Vorsicht aus dem Wasser gehoben, an der Luft fast augenblicklich ab-
sterben.

Mit dem Eintritt der Laichzeit schwillt bei denjenigen Coregonen, deren
Oberkiefer sich über den Unterkiefer erhebt, die Schnauze der männlichen
Individuen mehr oder weniger an 1), ferner entwickelt sich bei allen Arten
während der Laichzeit an den Seiten des Leibes sowohl der männlichen wie
der weiblichen Individuen ein milchweisser Hautausschlag, der bei näherer
Untersuchung sich auf den einzelnen Schuppen als flache Erhabenheit erhebt
und den Längsreihen der Schuppen entsprechend ebenfalls in Längsreihen
angeordnet erscheint. Jede Schuppe erhält in ihrer Mitte nur eine einzige Er-
habenheit, welche mit keiner Spitze, wie bei den meisten Cyprinoiden, son-
dern mit einer Längsleiste endigt, aber auch wie bei diesen aus nichts an-
derem besteht, als aus einer Verdichtung des Epitheliums. Meistens sind
die drei bis vier Schuppenreihen oberhalb der Seitenlinie und die vier bis
fünf Schuppenreihen unterhalb derselben mit solchen Erhabenheiten besetzt,
wodurch die Seiten dieser laichenden Fische, indem alle Erhabenheiten mit
ihren Längsleisten eine gleiche Richtung einnehmen von sieben bis acht
weissen erhabenen Längsstreifen besetzt erscheinen. Auch auf den Schuppen
der Seitenlinie bilden sich bald oberhalb, bald unterhalb des Ausführungs-
ganges derselben ähnliche Erhabenheiten aus, die aber niemals zu einer voll-

gelegenen Seen gänzlich. Hiernach ist die Notiz, dass der Comersee die grosse Maräne ent-
halten soll, welche von Bujack (Nr. 97: pag. 324) mitgetheilt und von Schulz (Nr. 78:
pag. 524) nachgeschrieben worden ist, als gänzlich unrichtig von der Hand zu weisen.
1) Es ist diese Erscheinung schon von Nilsson beobachtet worden. Vergl. dessen:
Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 456 oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwis-
senschaften, 1860, Juli August, pag. 32, in welcher sich Nilsson’s Artikel über Coregonus
aus jener Fauna von Creplin übersetzt findet.
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[240/0253] Familie: Salmonoidei. Mitteleuropa Coregonus-Arten theils die Binnenseen bewohnen, theils aber auch als Meerbewohner zur Laichzeit die Flüsse hinaufwandern. Alle hieher gehörigen Salmoneer leben immer in grossen Gesellschaften beisammen und ernähren sich von kleinen Insecten, Schnecken, Gewürme und winzigen Entomostraceen, von welchen letzteren ihr Magen und Darm von Anfang bis zu Ende oft ganz vollgestopft ist. Die Blinddärme sind bei den Coregonen in der Pförtner-Gegend äusserst zahlreich vorhanden und hal- ten auch noch eine längere Strecke am Dünndarm entlang besetzt. Ihr Fleisch liefert eine sehr beliebte Speise, daher auf den grösseren Seen von den Fischern der Fang dieser Coregonus-Arten oft sehr grossartig betrieben wird, während dieselben Fische, da sie nicht an die Angel zu gehen pflegen, den Freunden der Angelkunst gar kein Interesse gewähren. An den meisten Coregonus-Arten, namentlich aber an der gemeinen Renke zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, dass sie, auch mit der gröss- ten Vorsicht aus dem Wasser gehoben, an der Luft fast augenblicklich ab- sterben. Mit dem Eintritt der Laichzeit schwillt bei denjenigen Coregonen, deren Oberkiefer sich über den Unterkiefer erhebt, die Schnauze der männlichen Individuen mehr oder weniger an 1), ferner entwickelt sich bei allen Arten während der Laichzeit an den Seiten des Leibes sowohl der männlichen wie der weiblichen Individuen ein milchweisser Hautausschlag, der bei näherer Untersuchung sich auf den einzelnen Schuppen als flache Erhabenheit erhebt und den Längsreihen der Schuppen entsprechend ebenfalls in Längsreihen angeordnet erscheint. Jede Schuppe erhält in ihrer Mitte nur eine einzige Er- habenheit, welche mit keiner Spitze, wie bei den meisten Cyprinoiden, son- dern mit einer Längsleiste endigt, aber auch wie bei diesen aus nichts an- derem besteht, als aus einer Verdichtung des Epitheliums. Meistens sind die drei bis vier Schuppenreihen oberhalb der Seitenlinie und die vier bis fünf Schuppenreihen unterhalb derselben mit solchen Erhabenheiten besetzt, wodurch die Seiten dieser laichenden Fische, indem alle Erhabenheiten mit ihren Längsleisten eine gleiche Richtung einnehmen von sieben bis acht weissen erhabenen Längsstreifen besetzt erscheinen. Auch auf den Schuppen der Seitenlinie bilden sich bald oberhalb, bald unterhalb des Ausführungs- ganges derselben ähnliche Erhabenheiten aus, die aber niemals zu einer voll- 2) 1) Es ist diese Erscheinung schon von Nilsson beobachtet worden. Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 456 oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwis- senschaften, 1860, Juli August, pag. 32, in welcher sich Nilsson’s Artikel über Coregonus aus jener Fauna von Creplin übersetzt findet. 2) gelegenen Seen gänzlich. Hiernach ist die Notiz, dass der Comersee die grosse Maräne ent- halten soll, welche von Bujack (Nr. 97: pag. 324) mitgetheilt und von Schulz (Nr. 78: pag. 524) nachgeschrieben worden ist, als gänzlich unrichtig von der Hand zu weisen.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/253>, abgerufen am 22.11.2024.