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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Einleitung.
auch hier und da von Ichthyologen verkannt und als eigenthümliche Arten in
das Fischsystem eingeführt worden.

Eine sehr reichliche Nahrung trägt häufig dazu bei, das Profil von Fischen
dahin zu verändern, dass der Körper stärker ins Fleisch wächst, wodurch der
Rücken solcher wohlgenährten Fische sich dicht hinter dem unnachgiebigen
Hinterkopf plötzlich erhebt und der ganze Kopf wie abgeschnürt und ver-
kleinert erscheint 1).

Durch den Mangel passender Nahrungsmittel wird ein entgegengesetztes
Verhältniss erzeugt, indem ein schlecht ernährter Fisch weniger Fleisch an-
setzt und scheinbar stärker an Knochen zunimmt. Der Kopf solcher Fische
sticht durch seine Grösse gegen den schmächtigen schlanken Leib auffallend
ab und kann bei sehr starker Abmagerung des Leibes sogar zu einer missge-
stalteten Form des ganzen Körpers Veranlassung geben, an welcher besonders
eine gewisse Grossäugigkeit sich bemerkbar macht 2).

Einen sehr merklichen Einfluss auf die Profil-Veränderungen der Fische
übt die Laichzeit aus, indem alle Fische kurz vor dem Beginn des Fort-
pflanzungsgeschäftes immer sehr wohl genährt und fett erscheinen, wodurch
ihr Höhendurchmesser im Verhältniss zu dem Längendurchmesser ein ganz
anderes Maass erhält, als nach vollendetem Laichgeschäfte, nach welchem
solche Fische statt eines gewölbten Rückens und gedrungenen Körpers oft
einen geradrückigen und langstreckigen Leib erhalten. Dergleichen ausge-
laichte Fische mit ihrem ganz auffallend verändertem Aussehen haben schon
oft meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wurden aber nach genauerer Be-
sichtigung als alte Bekannte von mir wieder aus der Hand gelegt. Die Fischer
haben für manche im brünstigen und ausgelaichten Zustande so sehr verschie-
den aussehende Fische sogar ganz besondere Volksnamen.

Eine bisher gänzlich übersehene Erscheinung, welche viel dazu beige-
tragen hat, die Art-Unterscheidung bei mehreren unserer Süsswasserfische

1) Von Heckel wurde ein solcher fleischrückiger Squalius Leuciscus als Sq. rostratus und
ein eben solcher hinter dem Kopfe angeschwollener Alburnus lucidus als A. breviceps be-
schrieben und abgebildet. S. dessen: Süsswasserfische der östreich. Monarchie pag. 192
u. 134.
2) Ein Beispiel einer solchen wahrscheinlich wegen Mangel an gehöriger Nahrung ver-
kümmerten Form des Scardinius erythrophthalmus bietet Heckel's Sc. macrophthalmus dar
(vergl. dessen Süsswasserfische der östreich. Monarch. pag. 160. Fig. 85.). Solche soge-
nannte Kümmerer können zuweilen durch das Missverhältniss ihres dicken knochigen
Kopfes im Vergleich zu dem übrigen abgemagerten Körper eine so auffallend veränderte
Leibesform erhalten, dass sie vom Volke mit besonderen Spottnamen bezeichnet werden.
Eine solche krankhaft veränderte Forellenform, welche man in Oberöstreich mit dem Na-
men "Abenteuer" zu belegen pflegt, wurde von Heckel sehr gut dargestellt (s. dessen Reise-
bericht, Anhang II, in den Sitzungsberichten der mathemat. naturwissensch. Classe der
k. Akademie der Wissenschaften Bd. VIII. Wien 1851. pag. 356. Taf. IV.). Aehnlich
abenteuerlich geformte Kümmerer des Squalius Dobula werden im Salzburgischen "Serben"
genannt (vergl. Heckel und Kner: Süsswasserfische, pag. 183.).

Einleitung.
auch hier und da von Ichthyologen verkannt und als eigenthümliche Arten in
das Fischsystem eingeführt worden.

Eine sehr reichliche Nahrung trägt häufig dazu bei, das Profil von Fischen
dahin zu verändern, dass der Körper stärker ins Fleisch wächst, wodurch der
Rücken solcher wohlgenährten Fische sich dicht hinter dem unnachgiebigen
Hinterkopf plötzlich erhebt und der ganze Kopf wie abgeschnürt und ver-
kleinert erscheint 1).

Durch den Mangel passender Nahrungsmittel wird ein entgegengesetztes
Verhältniss erzeugt, indem ein schlecht ernährter Fisch weniger Fleisch an-
setzt und scheinbar stärker an Knochen zunimmt. Der Kopf solcher Fische
sticht durch seine Grösse gegen den schmächtigen schlanken Leib auffallend
ab und kann bei sehr starker Abmagerung des Leibes sogar zu einer missge-
stalteten Form des ganzen Körpers Veranlassung geben, an welcher besonders
eine gewisse Grossäugigkeit sich bemerkbar macht 2).

Einen sehr merklichen Einfluss auf die Profil-Veränderungen der Fische
übt die Laichzeit aus, indem alle Fische kurz vor dem Beginn des Fort-
pflanzungsgeschäftes immer sehr wohl genährt und fett erscheinen, wodurch
ihr Höhendurchmesser im Verhältniss zu dem Längendurchmesser ein ganz
anderes Maass erhält, als nach vollendetem Laichgeschäfte, nach welchem
solche Fische statt eines gewölbten Rückens und gedrungenen Körpers oft
einen geradrückigen und langstreckigen Leib erhalten. Dergleichen ausge-
laichte Fische mit ihrem ganz auffallend verändertem Aussehen haben schon
oft meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wurden aber nach genauerer Be-
sichtigung als alte Bekannte von mir wieder aus der Hand gelegt. Die Fischer
haben für manche im brünstigen und ausgelaichten Zustande so sehr verschie-
den aussehende Fische sogar ganz besondere Volksnamen.

Eine bisher gänzlich übersehene Erscheinung, welche viel dazu beige-
tragen hat, die Art-Unterscheidung bei mehreren unserer Süsswasserfische

1) Von Heckel wurde ein solcher fleischrückiger Squalius Leuciscus als Sq. rostratus und
ein eben solcher hinter dem Kopfe angeschwollener Alburnus lucidus als A. breviceps be-
schrieben und abgebildet. S. dessen: Süsswasserfische der östreich. Monarchie pag. 192
u. 134.
2) Ein Beispiel einer solchen wahrscheinlich wegen Mangel an gehöriger Nahrung ver-
kümmerten Form des Scardinius erythrophthalmus bietet Heckel’s Sc. macrophthalmus dar
(vergl. dessen Süsswasserfische der östreich. Monarch. pag. 160. Fig. 85.). Solche soge-
nannte Kümmerer können zuweilen durch das Missverhältniss ihres dicken knochigen
Kopfes im Vergleich zu dem übrigen abgemagerten Körper eine so auffallend veränderte
Leibesform erhalten, dass sie vom Volke mit besonderen Spottnamen bezeichnet werden.
Eine solche krankhaft veränderte Forellenform, welche man in Oberöstreich mit dem Na-
men »Abenteuer« zu belegen pflegt, wurde von Heckel sehr gut dargestellt (s. dessen Reise-
bericht, Anhang II, in den Sitzungsberichten der mathemat. naturwissensch. Classe der
k. Akademie der Wissenschaften Bd. VIII. Wien 1851. pag. 356. Taf. IV.). Aehnlich
abenteuerlich geformte Kümmerer des Squalius Dobula werden im Salzburgischen »Serben«
genannt (vergl. Heckel und Kner: Süsswasserfische, pag. 183.).
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[12/0025] Einleitung. auch hier und da von Ichthyologen verkannt und als eigenthümliche Arten in das Fischsystem eingeführt worden. Eine sehr reichliche Nahrung trägt häufig dazu bei, das Profil von Fischen dahin zu verändern, dass der Körper stärker ins Fleisch wächst, wodurch der Rücken solcher wohlgenährten Fische sich dicht hinter dem unnachgiebigen Hinterkopf plötzlich erhebt und der ganze Kopf wie abgeschnürt und ver- kleinert erscheint 1). Durch den Mangel passender Nahrungsmittel wird ein entgegengesetztes Verhältniss erzeugt, indem ein schlecht ernährter Fisch weniger Fleisch an- setzt und scheinbar stärker an Knochen zunimmt. Der Kopf solcher Fische sticht durch seine Grösse gegen den schmächtigen schlanken Leib auffallend ab und kann bei sehr starker Abmagerung des Leibes sogar zu einer missge- stalteten Form des ganzen Körpers Veranlassung geben, an welcher besonders eine gewisse Grossäugigkeit sich bemerkbar macht 2). Einen sehr merklichen Einfluss auf die Profil-Veränderungen der Fische übt die Laichzeit aus, indem alle Fische kurz vor dem Beginn des Fort- pflanzungsgeschäftes immer sehr wohl genährt und fett erscheinen, wodurch ihr Höhendurchmesser im Verhältniss zu dem Längendurchmesser ein ganz anderes Maass erhält, als nach vollendetem Laichgeschäfte, nach welchem solche Fische statt eines gewölbten Rückens und gedrungenen Körpers oft einen geradrückigen und langstreckigen Leib erhalten. Dergleichen ausge- laichte Fische mit ihrem ganz auffallend verändertem Aussehen haben schon oft meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wurden aber nach genauerer Be- sichtigung als alte Bekannte von mir wieder aus der Hand gelegt. Die Fischer haben für manche im brünstigen und ausgelaichten Zustande so sehr verschie- den aussehende Fische sogar ganz besondere Volksnamen. Eine bisher gänzlich übersehene Erscheinung, welche viel dazu beige- tragen hat, die Art-Unterscheidung bei mehreren unserer Süsswasserfische 1) Von Heckel wurde ein solcher fleischrückiger Squalius Leuciscus als Sq. rostratus und ein eben solcher hinter dem Kopfe angeschwollener Alburnus lucidus als A. breviceps be- schrieben und abgebildet. S. dessen: Süsswasserfische der östreich. Monarchie pag. 192 u. 134. 2) Ein Beispiel einer solchen wahrscheinlich wegen Mangel an gehöriger Nahrung ver- kümmerten Form des Scardinius erythrophthalmus bietet Heckel’s Sc. macrophthalmus dar (vergl. dessen Süsswasserfische der östreich. Monarch. pag. 160. Fig. 85.). Solche soge- nannte Kümmerer können zuweilen durch das Missverhältniss ihres dicken knochigen Kopfes im Vergleich zu dem übrigen abgemagerten Körper eine so auffallend veränderte Leibesform erhalten, dass sie vom Volke mit besonderen Spottnamen bezeichnet werden. Eine solche krankhaft veränderte Forellenform, welche man in Oberöstreich mit dem Na- men »Abenteuer« zu belegen pflegt, wurde von Heckel sehr gut dargestellt (s. dessen Reise- bericht, Anhang II, in den Sitzungsberichten der mathemat. naturwissensch. Classe der k. Akademie der Wissenschaften Bd. VIII. Wien 1851. pag. 356. Taf. IV.). Aehnlich abenteuerlich geformte Kümmerer des Squalius Dobula werden im Salzburgischen »Serben« genannt (vergl. Heckel und Kner: Süsswasserfische, pag. 183.).

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/25>, abgerufen am 24.11.2024.