bei einem anderen Individuum fehlte der linke untere Bartfaden gänzlich, während die drei übrigen Bartfäden als ganz magere und kurze Rudimente nur schwer in die Augen fielen, bei den drei anderen Individuen waren die beiden oberen Bartfäden gänzlich verschwunden und die beiden unteren Bartfäden nur als zwei kurze dünne Fäden entwickelt.
[Abbildung]
[Abbildung]
Fig. 3.
Schlundknochen.
Die auffallendste Abweichung boten die Schlundknochen dieser Cyprinoiden im Vergleich zu denen des Spiegelkarpfen dar, indem sie bei ganz gleichen Um- rissen der Knochen nicht die Zahnformel: 1. 1. 3--3. 1. 1 trugen, sondern die Zahn- formel: 3--3, an dieser einfachen, nur aus drei Zähnen zusammengesetzten Zahn- reihe zeigte der vorderste Zahn eine conische, meist unabgeschliffene Gestalt, die beiden hinteren Zähne waren immer abgeschliffen und liessen aus ihrer etwas ausgehöhlten Kaufläche errathen, dass die früher vorhandenen Kronen derselben nur von einer einzigen Furche durchzogen waren.
Hätte ich mich an diese Zahnformel allein halten wollen, so wäre ich ge- nöthigt gewesen, auf diese hin eine neue Cyprinoiden-Gattung zu gründen, allein die asymmetrische und zugleich höchst kümmerliche Entwicklung der Bartfäden dieser Cyprinoiden deutete zu bestimmt auf eine hybride Form, zu deren Bildung jedenfalls ein Spiegelkarpf mitgewirkt haben musste, während die Zahnbildung und die Zahnformel 3--3 desselben Bastarden es nahe leg- ten, dass es wieder eine Karausche mit der einfachen Zahnformel 4--4 gewe- sen sein dürfte, welche das andere Zeugungsproduct für diese Blendlinge hergegeben habe.
Es ist zu bedauern, dass über dergleichen Bastardbildungen eigentlich noch gar keine bestimmten Erfahrungen vorliegen und dass wir daher ganz und gar darüber im unklaren sind, welchen Einfluss der männliche, und welchen Einfluss der weibliche Fisch bei einer Kreuzung auf die Formverän- derungen der Blendlinge ausübt. Jedenfalls darf man wohl annehmen, dass bei der Erzeugung der beiden oben beschriebenen, durch die Zahnformeln so sehr verschiedenen hybriden Formen des Cyprinus Carpio und Carassius vulgaris diese beiden Fische in zwei verschiedenen Kreuzungsweisen auf ein- ander gewirkt haben.
Für die hybride Beschaffenheit der erwähnten Spiegelkarpfen spricht auch noch der Umstand, dass nach Aussage des Teichfischers, welchem jene Spiegelkarpfen als Brut zur Streckung übergeben worden waren, diese Kar- pfen nach abgelaufener Frist zu seinem grössten Verdrusse das erforderliche Gewicht bei weitem nicht erhalten hatten, also im Wachsthume sehr zurückge-
v. Siebold, Fische. 7
Gattung: Carpio.
bei einem anderen Individuum fehlte der linke untere Bartfaden gänzlich, während die drei übrigen Bartfäden als ganz magere und kurze Rudimente nur schwer in die Augen fielen, bei den drei anderen Individuen waren die beiden oberen Bartfäden gänzlich verschwunden und die beiden unteren Bartfäden nur als zwei kurze dünne Fäden entwickelt.
[Abbildung]
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Fig. 3.
Schlundknochen.
Die auffallendste Abweichung boten die Schlundknochen dieser Cyprinoiden im Vergleich zu denen des Spiegelkarpfen dar, indem sie bei ganz gleichen Um- rissen der Knochen nicht die Zahnformel: 1. 1. 3—3. 1. 1 trugen, sondern die Zahn- formel: 3—3, an dieser einfachen, nur aus drei Zähnen zusammengesetzten Zahn- reihe zeigte der vorderste Zahn eine conische, meist unabgeschliffene Gestalt, die beiden hinteren Zähne waren immer abgeschliffen und liessen aus ihrer etwas ausgehöhlten Kaufläche errathen, dass die früher vorhandenen Kronen derselben nur von einer einzigen Furche durchzogen waren.
Hätte ich mich an diese Zahnformel allein halten wollen, so wäre ich ge- nöthigt gewesen, auf diese hin eine neue Cyprinoiden-Gattung zu gründen, allein die asymmetrische und zugleich höchst kümmerliche Entwicklung der Bartfäden dieser Cyprinoiden deutete zu bestimmt auf eine hybride Form, zu deren Bildung jedenfalls ein Spiegelkarpf mitgewirkt haben musste, während die Zahnbildung und die Zahnformel 3—3 desselben Bastarden es nahe leg- ten, dass es wieder eine Karausche mit der einfachen Zahnformel 4—4 gewe- sen sein dürfte, welche das andere Zeugungsproduct für diese Blendlinge hergegeben habe.
Es ist zu bedauern, dass über dergleichen Bastardbildungen eigentlich noch gar keine bestimmten Erfahrungen vorliegen und dass wir daher ganz und gar darüber im unklaren sind, welchen Einfluss der männliche, und welchen Einfluss der weibliche Fisch bei einer Kreuzung auf die Formverän- derungen der Blendlinge ausübt. Jedenfalls darf man wohl annehmen, dass bei der Erzeugung der beiden oben beschriebenen, durch die Zahnformeln so sehr verschiedenen hybriden Formen des Cyprinus Carpio und Carassius vulgaris diese beiden Fische in zwei verschiedenen Kreuzungsweisen auf ein- ander gewirkt haben.
Für die hybride Beschaffenheit der erwähnten Spiegelkarpfen spricht auch noch der Umstand, dass nach Aussage des Teichfischers, welchem jene Spiegelkarpfen als Brut zur Streckung übergeben worden waren, diese Kar- pfen nach abgelaufener Frist zu seinem grössten Verdrusse das erforderliche Gewicht bei weitem nicht erhalten hatten, also im Wachsthume sehr zurückge-
v. Siebold, Fische. 7
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[97/0110]
Gattung: Carpio.
bei einem anderen Individuum fehlte der linke untere Bartfaden gänzlich,
während die drei übrigen Bartfäden als ganz magere und kurze Rudimente
nur schwer in die Augen fielen, bei den drei anderen Individuen waren die
beiden oberen Bartfäden gänzlich verschwunden und die beiden unteren
Bartfäden nur als zwei kurze dünne Fäden entwickelt.
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[Abbildung Fig. 3.
Schlundknochen. ]
Die auffallendste Abweichung boten die
Schlundknochen dieser Cyprinoiden im
Vergleich zu denen des Spiegelkarpfen
dar, indem sie bei ganz gleichen Um-
rissen der Knochen nicht die Zahnformel:
1. 1. 3—3. 1. 1 trugen, sondern die Zahn-
formel: 3—3, an dieser einfachen, nur
aus drei Zähnen zusammengesetzten Zahn-
reihe zeigte der vorderste Zahn eine conische, meist unabgeschliffene Gestalt,
die beiden hinteren Zähne waren immer abgeschliffen und liessen aus ihrer
etwas ausgehöhlten Kaufläche errathen, dass die früher vorhandenen Kronen
derselben nur von einer einzigen Furche durchzogen waren.
Hätte ich mich an diese Zahnformel allein halten wollen, so wäre ich ge-
nöthigt gewesen, auf diese hin eine neue Cyprinoiden-Gattung zu gründen,
allein die asymmetrische und zugleich höchst kümmerliche Entwicklung der
Bartfäden dieser Cyprinoiden deutete zu bestimmt auf eine hybride Form, zu
deren Bildung jedenfalls ein Spiegelkarpf mitgewirkt haben musste, während
die Zahnbildung und die Zahnformel 3—3 desselben Bastarden es nahe leg-
ten, dass es wieder eine Karausche mit der einfachen Zahnformel 4—4 gewe-
sen sein dürfte, welche das andere Zeugungsproduct für diese Blendlinge
hergegeben habe.
Es ist zu bedauern, dass über dergleichen Bastardbildungen eigentlich
noch gar keine bestimmten Erfahrungen vorliegen und dass wir daher ganz
und gar darüber im unklaren sind, welchen Einfluss der männliche, und
welchen Einfluss der weibliche Fisch bei einer Kreuzung auf die Formverän-
derungen der Blendlinge ausübt. Jedenfalls darf man wohl annehmen, dass
bei der Erzeugung der beiden oben beschriebenen, durch die Zahnformeln so
sehr verschiedenen hybriden Formen des Cyprinus Carpio und Carassius
vulgaris diese beiden Fische in zwei verschiedenen Kreuzungsweisen auf ein-
ander gewirkt haben.
Für die hybride Beschaffenheit der erwähnten Spiegelkarpfen spricht
auch noch der Umstand, dass nach Aussage des Teichfischers, welchem jene
Spiegelkarpfen als Brut zur Streckung übergeben worden waren, diese Kar-
pfen nach abgelaufener Frist zu seinem grössten Verdrusse das erforderliche
Gewicht bei weitem nicht erhalten hatten, also im Wachsthume sehr zurückge-
v. Siebold, Fische. 7
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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/110>, abgerufen am 07.07.2024.
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